Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2017: Noch keine Pläd­o­yers im NSU-Pro­zess / Baye­ri­sche Gefähr­der­über­wa­chung / Justiz­re­form in Polen

20.07.2017

Heute sollten die Plädoyers im NSU-Prozess beginnen. Anträge der Verteidigung verhindern dies zunächst. Außerdem in der Presseschau: Bayern verschärft die Überwachung von Gefährdern und Polen diskutiert weiter über die Justizreform.

Thema des Tages

NSU-Prozess: Es war vorgesehen, dass am 374. Verhandlungstag im Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. die Anklage mit ihren Plädoyers beginnt. Dazu kommt es aber nicht. Zu Beginn des gestrigen Prozesstages stellte die Verteidigung den Antrag, die mit 22 Stunden Dauer angekündigten Anklageplädoyers aufzuzeichnen. Das wurde durch den Vorsitzenden Richter mit der Begründung abgelehnt, dass dies die Persönlichkeitsrechte der Ankläger verletzen würde. Der Prozess wurde zur Klärung der Frage bis zum kommenden Dienstag vertagt. Unter anderem die taz (Patrick Guyton) und Tsp (Frank Jansen) berichten. Die SZ (Annette Ramelsberger) stellt die Argumente und die Gegenargumente eines möglichen Anspruches auf Aufzeichnung zusammen

Rechtspolitik

Gefährderüberwachung in Bayern: Der Bayerische Landtag hat ein Gesetz zur Überwachung von gefährlichen Personen beschlossen. Unter anderem ist darin vorgesehen, dass sogenannte Gefährder künftig bis zu drei Monate präventiv in Gewahrsam genommen werden dürfen, berichten die SZ (Lisa Schnell) und die taz (Dominik Baur). Nach Ablauf der drei Monate muss die Haft von einem Richter überprüft werden. Außerdem dürfen Gefährder zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet werden.

Für Heribert Prantl (SZ) ist das neue Gesetz eine "Schande für einen Rechtsstaat". Bisher habe in Bayern eine Vorbeugehaft mit 14 Tagen bereits länger dauern können als in allen anderen Bundesländern, künftig werde es gar keine Höchstfrist mehr geben, kritisiert er. Die CSU sollte sich schämen; die Opposition, deren Aufstand nicht einmal ein Sturm im Wasserglas gewesen sei, auch, so Prantl. Dominic Baur (taz) meint in seinem Kommentar, dass es zweifelhaft sei, ob das Gesetz zur tatsächlichen Gefahrenabwehr tauge. Einen Anis Amri hätte man auch ohne das Gesetz aus dem Verkehr ziehen können, dem Amokläufer von München wäre man auch mit ihm nicht auf die Spur gekommen.

Sexualstrafrecht: Die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eingesetzte Reformkommission zum Sexualstrafrecht hat am Mittwoch ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Kommission war 2015, also vor den jüngsten Änderungen im Sexualstrafrecht, gebildet worden. Wie lto.de berichtet wurde daher auch kritisiert, dass die Ergebnisse nicht abgewartet wurden. Auch die FAZ (Eckart Lohse) widmet sich dem Kommissionsbericht. Das Sexualstrafrecht müsse noch weiterentwickelt werden, heißt es in dem Artikel als Resümee der Kommission. So wird empfohlen, den § 184j StGB (Straftaten aus Gruppen) zu streichen, weil es sich lediglich um "symbolisches" Strafrecht handele.

Staatstrojaner: Dennis-Kenji Kipker und Vincent Mittag (verfassungsblog.de) vom Institut für Informations-, Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen untersuchen die Frage, mit welchen verfassungsrechtlichen Instrumentarien der beschlossene Einsatz von Staatstrojanern angegriffen werden kann. Allerdings dürfte es trotz verfassungsrechtlicher Bedenken der Opposition sowie der grundrechtlichen Eingriffsintensität dieser Maßnahmen noch einige Zeit dauern, bis die Regelungen auf den verfassungsgerichtlichen Prüfstand kommen werden.

Parteienfinanzierung: Was die Gesetzesänderung zur Parteienfinanzierung, nach der künftig verfassungsfeindlichen Parteien Gelder gekürzt werden können, in der Praxis für den Umgang mit der NPD bedeutet, beleuchtet die FAZ (Timo Steppat).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2017: Noch keine Plädoyers im NSU-Prozess / Bayerische Gefährderüberwachung / Justizreform in Polen . In: Legal Tribune Online, 20.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23513/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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