Kündigung nach Redebeitrag auf der Belegschaftsversammlung: Berg­mann klagt erfolg­reich gegen K+S

von Stefan Schmidbauer

12.04.2024

Ein Bergbautechnologe äußert sich intern kritisch gegenüber seinem Arbeitgeber K+S und wird gekündigt. Rechtswidrig, meint das ArbG Fulda. Auch polemische Aussagen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt. 

Belegschaftsversammlungen bieten eine Bühne für Austausch und Aussprache zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Einmal pro Quartal soll der Betriebsrat dazu einladen (§43 Abs. 1 BetrVG). Gar nicht selten wird es in diesem Rahmen verbal intensiv. Mit der Frage, wo die roten Linien für Meinungsäußerungen von Beschäftigten zu ziehen sind, beschäftigte sich das Arbeitsgericht (ArbG) Fulda (Urt. v. 10.04.2024, Az. 4 Ca 377/23).

Der bei K+S als Bergbautechnologe angestellte Julian Wächter hatte geklagt, nachdem ihm zuvor wegen seines Redebeitrags auf einer Belegschaftsversammlung des Bergbaukonzerns im September 2023 fristlos gekündigt wurde. K+S warf ihm ehrverletzende, üble Nachrede vor und stellte ihn am 17. Oktober frei.

Wächter thematisierte in seiner Rede unter anderem Pläne zum Abbau von Arbeitsplätzen im Zuge des Projekts "Werra 2060" und prangerte zu kurze Ausbildungszeiten für Nachwuchskräfte sowie die allgemeinen Arbeitsbedingungen und mangelnde Arbeitssicherheit an. Aufgrund von Einsparungen bei der Wetterführung, mit der mittels Ventilatoren die Frischluftzufuhr unter Tage gesteuert wird, würden die Temperaturen unter Tage in Richtung 50 Grad gehen. Im Schacht Unterbreizbach hätten bereits drei Bergleute einen Herzinfarkt erlitten. 

Arbeitsverhältnis hat Bestand

Gründe für eine Kündigung sieht das ArbG in seinen Aussagen nicht. Sämtliche Inhalte des Redebeitrags seien durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 des Grundgesetzes gedeckt. Entsprechend hätten weder die außerordentliche, noch die hilfsweise von K+S ausgesprochene ordentliche Kündigung zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt. 

K+S, nach LTO-Informationen von KPMG Law vertreten, scheiterte auch mit einem im Prozess vorgebrachten Antrag, das Arbeitsverhältnis wegen kritischer Medienberichte im Anschluss an die Kündigung auflösen zu lassen. Die Verantwortung für die negative Berichterstattung verortete das Unternehmen bei Wächter, der dieser nicht entschieden genug entgegengetreten sei.

K+S wartet ab, Klägervertreter versprüht Optimismus

Die Kammer des ArbG verpflichtete das Unternehmen, den Bergmann bis zum Ende des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen. Rechtsanwalt Peter Weispfenning, der Wächter im Prozess vertreten hat, kündigte an, dass sein Mandant seine Arbeitskraft weiterhin anbieten wird und appelliert in einer Stellungnahme seiner Kanzlei Meister & Partner an K&S, "für Rechtsfrieden zu sorgen". 

K+S teilte LTO auf Anfrage mit, dass die Kündigung nach "sorgfältiger Abwägung" ausgesprochen worden sei. Zu inhaltlichen Fragen rund um das Verfahren will sich das Unternehmen nicht äußern. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, werde erst entschieden, wenn die schriftliche Begründung des Gerichts vorliegt. 

Weispfenning äußerte im Gespräch mit LTO Unverständnis darüber, dass überhaupt eine Kündigung ausgesprochen wurde und zeigte sich sehr zuversichtlich, was die weiteren Erfolgsaussichten im Falle einer Berufung betrifft. Die würde dann vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main verhandelt.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Kündigung nach Redebeitrag auf der Belegschaftsversammlung: Bergmann klagt erfolgreich gegen K+S . In: Legal Tribune Online, 12.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54322/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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