7 Fragen zum digitalen Uni-Rep an der Uni Jena

"Trotz Corona nicht allein vor dem Examen stehen"

von Markus SehlLesedauer: 6 Minuten

Ob interaktive Live-Kurse oder Klausurenkorrektur per Video - gerade in der Examensvorbereitung sollen Studierende nicht auf sich gestellt sein. An der Uni Jena plant man die Digitalisierung des Uni-Reps über die Coronakrise hinaus.

Die Vorbereitung auf das Staatsexamen kann manchmal ja schon Krise genug sein, nun kommt auch noch die Corona-Pandemie hinzu. Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Jura-Studierende?

Anika Klafki: Das Staatsexamen setzt voraus, dass man nahezu den gesamten Stoff, der im Studium vermittelt wurde, in großer Detailtiefe beherrscht und in komplexen Fallbearbeitungen anwenden kann. Dieser Berg an Wiederholungsarbeit, den die Studierenden vor sich sehen, treibt sie in die Arme teurer privater Examinatorien. Das ist mit Blick auf die Chancengleichheit und soziale Durchlässigkeit des deutschen Hochschulsystems bedenklich und gar nicht erforderlich. Inzwischen bieten nämlich viele Universitäten – wie auch die Friedrich-Schiller-Universität Jena – kostenfreie und umfassende Programme zur Examensvorbereitung an.

Wie wirkt sich aber die Corona-Pandemie auf Ihre Vorbereitungsprogramme aus?

Anika Klafki: Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass Präsenzlehre in diesem Sommersemester und möglicherweise auch im kommenden Wintersemester nahezu unmöglich ist. Das komplette Examensvorbereitungsprogramm läuft daher im Moment digital ab. Das betrifft die "klassischen" Wiederholungs- und Fallbesprechungskurse, die Intensivkurse zu verschiedenen Rechtsgebieten, den Examensklausurenkurs und das Probeexamen sowie die mündlichen Prüfungssimulationen. Auch das Propädeutikum, ein Vorkurs, in dem die Grundzüge des Zivil- und Öffentlichen Rechts wiederholt sowie Methoden der individuellen Lernplanung und juristischen Fallbearbeitung erarbeitet werden, wird ab September zunächst wohl digital stattfinden.

Wie versucht die Uni Jena darauf zu reagieren?

Marion Schmidt-Wenzel: Im Moment ist viel Kreativität gefragt. Die Lehrenden entscheiden selbst, welche digitalen Lehrformate sie einsetzen. Um dabei nicht am Bedarf der Studierenden "vorbeizulehren" wird die digitale Lehre laufend evaluiert. Es werden zum einen Live-Vorlesungen angeboten, bei denen sich die Studierenden aktiv einbringen können. Ein anderes Modell ist die Aufzeichnung von Vorlesungen als Präsentationsvideo. Durch die neue Option "Bildschirmpräsentation aufzeichnen" von Powerpoint ist das technisch leicht realisierbar. Ein ebenfalls neues Format, das aktuell erprobt wird, sind interaktive Falllösungen, in denen sich Studierende Stück für Stück durch einen digitalen Fall arbeiten und regelmäßig Reflexionsfragen beantworten müssen.

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"Trotz Corona nicht allein vor der Aufgabe "Examen" stehen"

Wir bemühen uns aktiv, den Kontakt zu den Studierenden aufrecht zu erhalten – man sollte trotz geschlossener Bibliotheken und Abstandsregeln in der Examensvorbereitung nicht das Gefühl haben, allein vor der Aufgabe "Examen" zu stehen.

Auch der Examensklausurenkurs läuft seit Beginn der pandemiebedingten Einschränkungen digital. Die Studierenden scannen dazu ihre handschriftlichen Fallbearbeitungen ein, die Korrigierenden kommentieren und bewerten die Arbeit und das so bearbeitete Dokument wird den Studierenden über die Uni-Cloud individuell zur Verfügung gestellt. In diesem Semester haben wird außerdem zum ersten Mal die Videokorrektur erprobt, die nun zu einem festen Bestandteil unserer Examensvorbereitung wird.

Wie kommen solche neuen Live-Formate bei den Studierenden an?

Marion Schmidt-Wenzel: Wir wissen aus den Evaluationen, dass die Studierenden Live-Vorlesungen mit der Möglichkeit aktiver Beteiligung bei den Wiederholungs- und Fallbesprechungskurse besonders gut bewerten. So ein Live-Format lässt sich entweder durch eine Aufzeichnung im Vorlesungssaal mit Chatwall realisieren oder durch digitale Konferenz-Tools wie z.B. Zoom, MS Teams oder WebEx. Dadurch können Lehrende und Studierende live kommunizieren.

Allerdings bestehen bei einigen Studierenden Vorbehalte gegen die Aufzeichnung solcher digitalen interaktiven Vorlesungen, so dass aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht immer gewährleistet werden kann, dass die Vorlesungen langfristig abrufbar sind.

Die Korrektur eingescannter Klausuren wird auf Video aufgenommen

Manche Lehrende zeichnen ihre Fallbesprechung deshalb lieber ohne direkte Beteiligung der Studierenden auf. Fragen können die Studierenden dann aber über ein Moodle-Forum stellen. In der Evaluation gaben die Studierenden als Nachteil dieser Aufzeichnungen jedoch an, dass man im Vergleich zu Live-Formaten verleitet werden könne, das Lernen aufzuschieben. Feste Zeiten geben der Vorbereitung Struktur. Auch sei die Interaktion im Moodle-Forum nicht mit Live-Formaten vergleichbar.

Wie funktioniert die angesprochene Videokorrektur?

Anika Klafki: Bei einer Videokorrektur werden die eingescannten Klausurbearbeitungen der Studierenden von den Korrigierenden auf ihrem Bildschirm aufgerufen und Punkt für Punkt durchgesprochen, während ein Aufnahmeprogramm die Bewegungen auf dem Bildschirm und den Ton aufzeichnet. Die fertige Videodatei wird den Studierenden dann über ein Cloud-System individuell zur Verfügung gestellt. In der Evaluation bewerteten 97 Prozent der Studierenden das Format als "gut" (33 Prozent) oder "sehr gut" (64 Prozent), während die sonst übliche schriftliche Korrektur nur von 11 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden als "gut" und von niemandem als "sehr gut" bewertet wurde. In Zukunft wird in jeder Fachsäule – also dem Zivil-, Straf- und Öffentlichen Recht – eine Videokorrektur pro Semester im Examensklausurenkurs angeboten.

Haben Sie einen Überblick, wie andere Jura-Fakultäten in Deutschland ihre Angebote derzeit digitalisieren?

Anika Klafki: Einen kompletten Überblick habe ich nicht. Im Moment arbeiten so gut wie alle Universitäten mit Live-Vorlesungsformaten. Besonders interessant finde ich solche digitalen Angebote, die auch nach der Pandemie genutzt werden können, um die Präsenzlehre zu ergänzen.

Die Ludwig-Maximilians-Universität in München bietet zum Beispiel bei Studierenden sehr beliebte juristische Podcasts an. Das hat mich im letzten Semester inspiriert, mit Studierenden der Universität Jena gemeinsam einen öffentlichen Podcast namens "fLAWless" zu produzieren, in dem Studierende in Zweierteams examensrelevante höchstrichterliche Entscheidungen für andere Jurastudierende in kurzen Hörbeiträgen aufbereiten.

Auch die Bucerius Law School bemüht sich sehr um die digitale Hochschullehre. Die Videokorrektur wurde dort erstmals erprobt und wird nun auch in Jena mit Erfolg durchgeführt. Auch wurde dort schon vor einigen Jahren ein eigenes Programm für ein Digitales Fallbuch entwickelt. Während der Pandemie steht das Angebot allen Interessierten zur Verfügung (Nutzername: gast Passwort: bucerius). Wir versuchen nun, mittels der open source-Software von h5p.org ebenfalls solche interaktiven Fallbearbeitungsangebote in Jena bereitzustellen. Ein Beispiel aus dem Baurechts-Examensrepetitorium in Jena findet sich hier. In Jena wird h5p derzeit in Moodle implementiert, um eine datenschutzrechtskonforme Anwendung der Software gewährleisten zu können. Die Ruhr-Universität Bochum hat h5p bereits erfolgreich bei Moodle implementiert.

Was glauben Sie, inwiefern wird die notgedrungene Digitalisierung die Zukunft der juristischen Ausbildung verändern?

Marion Schmidt-Wenzel: Zwar freuen sich Studierende und Lehrende gleichermaßen auf die Rückkehr zur Präsenzlehre. Für die Hochschullehre kann diese plötzliche "Zwangsdigitalisierung" aber eine große Chance sein. Während sich in prä-pandemischen Zeiten nur Wenige mit der Produktion digitaler Lehrmaterialien beschäftigt haben, ist das jetzt Teil des Hochschulalltags geworden. Wir Lehrenden gewinnen wertvolle Praxiserfahrung im e-learning.

An der Universität Jena wollen wir insbesondere die universitäre Examensvorbereitung mit Hilfe von digitalen Angeboten nachhaltig ergänzen und stetig verbessern. Im laufenden Online-Semester haben wir gelernt, dass für Studierende mit langsamer Internetverbindung oder fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten langfristig abrufbare digitale Lehrangebote wichtig sind. Da aber auch im regulären Lehrbetrieb zeitliche Konfliktsituationen auftreten können – etwa durch noch zu absolvierende Praktika oder zu schreibende Hausarbeiten –, werden nun Teile des Lehrangebots des Examensvorbereitungsprogramms als jederzeitiges Zusatzangebot digitalisiert. Dabei sollen Präsentations- oder Vorlesungsvideos, Lernstandstests und interaktive kleine Fallbeispiele entstehen. Die Erfahrungen und technischen Anschaffungen, die im laufenden Online-Semester gemacht wurden und werden, beschleunigen die Umsetzung dieser Ideen deutlich.

Die derzeitige Situation bringt insbesondere für Studierende zum Teil große wirtschaftliche und psychische Schwierigkeiten mit sich, die nicht durchweg von den Hochschulen abgefedert werden können. Immerhin für die juristische Hochschullehre in Jena – und sicher auch an vielen anderen Universitäten – wird die gegenwärtige Krise dennoch einen Gewinn für die Zukunft bedeuten.

Dr. Anika Klafki ist Juniorprofessorin (tenure track) für Öffentliches Recht, insbesondere transnationales Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und engagiert sich dort für digitale Lehrangebote.

Dr. Marion Schmidt-Wenzel ist Lektorin für das Examensrepetitorium im Zivilrecht und Öffentlichen Recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie ist neben ihren Lehrveranstaltungen für die Koordination des JUR-Examensvorbereitungsprogramms verantwortlich und zugleich zentrale Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Examensvorbereitung.

Die Fragen wurden schriftlich gestellt und die Antworten schriftlich gegeben.

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