Vorbereitung für das 2. Examen nach der Pandemie

"Ein Repe­ti­to­rium ist keine Net­flix Serie"

von Katharina UharekLesedauer: 5 Minuten

Während der Pandemie haben viele Repetitorien gezwungenermaßen auf Online-Lehre umgestellt. Alpmann-Schmidt, Kaiser und Hemmer bieten fast alle Kurse für das Assessorexamen nur noch im Online-Format an. Das hat nicht nur Vorteile.

Nach dem Tag in der Kanzlei bequem von zuhause aus die Unterschiede zwischen Aufrechnung und Widerklage wiederholen - ein online Repetitorium macht es möglich. Für viele Referendar:innen ist der Umstieg auf Online-Lehre eine große Erleichterung. Durch die Teilnahme an den Kursen von zuhause aus, fallen vor allem lästige Fahrtwege und feste Zeiten weg. 

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Alpmann-Schmidt, Hemmer und Kaiser setzen auf Online-Formate

Wer ein Repetitorium bei Alpmann-Schmidt, Hemmer oder Kaiser besucht, wird auch zukünftig an einem Online-Kurs teilnehmen. Nur bei den Kaiser-Inhouse-Seminaren für Kanzleien sind nach Wunsch noch Präsenzkurse vorgesehen. Der Regelfall, zumindest für das zweite Examen ist das Online-Format, berichtet auch Christian Sommer, Geschäftsführer bei Alpmann-Schmidt.  

"Wir waren auf einen reinen Online-Kurs vor der Pandemie zwar nicht eingestellt, hatten aber den Vorteil, dass wir den Teilnehmenden alle Kursunterlagen schon vorher digital zur Verfügung gestellt haben. Der Schritt zur Digitalisierung der Kurse hat uns somit nur ungefähr eine Woche gekostet", berichtet Sommer. Während der Pandemie habe er die Erfahrung gemacht, dass sich ein Online-Kurs deutlich besser in den Alltag einpassen lasse.  

Live oder als Aufzeichnung

Bei Alpmann-Schmidt und Hemmer gibt es aufgrund der positiven Rückmeldungen zukünftig weiterhin einen wöchentlichen Live-Stream. Bei Alpmann-Schmidt wird dieser gleichzeitig aufgezeichnet, um den Referendar:innen die Wahl zu überlassen, an dem Live-Stream teilzunehmen, oder sich innerhalb von 72 Stunden die Aufzeichnung anzusehen. Beim für seine "Methode" bekannten Repetitorium Hemmer gibt es die zusätzliche Möglichkeit, sich mit einem Kurzvideo auf die kommende Veranstaltung vorzubereiten. So soll ein Ausgleich für das unterschiedliche Vorwissen geschaffen werden.

Auch das nach LTO-Umfrage marktführende Repetitorium für das 2. Staatsexamen, die Kaiserseminare, bieten seit Frühjahr 2020 Wochenendkurse ausschließlich online per Zoom an. Die Präsenzkurse seien seitdem komplett eingestellt, berichtet Jan Kaiser, geschäftsführender Gesellschafter der Kaiserseminare GbR. 

Für einige stellt die Anonymität der Online-Kurse einen Vor- und für andere einen Nachteil dar. So entfällt zu Hause der Druck ständig aufzupassen, die Ablenkungsgefahr ist höher. Könnte hier eine Kamerapflicht Abhilfe schaffen?

Beim schon seit dem Jahre 1956 tätigen Traditionsrepetitorium Alpmann-Schmidt gibt es keine Kamerapflicht. "Den Teilnehmenden ist es freigestellt, ob sie sich zeigen möchten oder nicht. Dass ein Repetitorium keine Netflix Serie ist, bei der man sich mal eben eine halbe Folge anschaut, versteht sich von selbst. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es sich hier um den Bereich der Erwachsenenbildung handelt. Ich sehe unsere Rolle nicht in der Lehrerschaft", meint Sommer. 

Dass Repetitoren sich nicht mit der Lehrerschaft identifizieren, zeigt sich auch an den geringeren Erwartungen, die sie an Interaktionen im Kurs stellen. Die grundsätzliche Beteiligung an den Lehrveranstaltungen ist ohnehin anders als im ersten Examen, in dem es sowohl in der Klausur und entsprechend in der Vorbereitung mehr um Meinungsstreitigkeiten geht, die einer Diskussion bedürfen. 

Mehr Fragen wegen des Schutzes der Anonymität

Einen Nachteil der Online-Kurse sieht Sommer für die Personen, die sich auch in den Präsenzkursen in der letzten Reihe verkrochen hätten. "Die, die Online-Kurse nur passiv konsumieren, können sich hier noch besser verstecken. Früher sind wir mal durch die Reihen gegangen und haben einfach jemanden dran genommen oder ihn nach seiner Meinung gefragt", sagt Sommer.

Bei Hemmer werden in Online-Formaten eher mehr Fragen gestellt, berichtet Ingo Gold, Verantwortlicher Leiter der Assessorkurse bei Hemmer. Die Anonymität des Chats reduziere offenbar psychische Hürden, vor allem auch bei schwächeren Teilnehmer:innen. Es würden teilweise Fragen gestellt, die früher in den Präsenzkursen, nie gestellt wurden und deren Antworten man sonst vermutlich für allgemein bekannt gehalten hätte, schildert Gold.

Einen anderen Interaktionsansatz verfolgt Kaiser. Während der Kaiser-Wochenendseminare sei aufgrund des gewissen Speeds und der hohen Stoffdichte zumeist während der laufenden Veranstaltung kein Raum für ausschweifende Einzelfragen, berichtet Kaiser. Diese könnten in den Pausen oder am Ende des Kurses gesammelt gestellt werden, wie es für Crashkurs-Konzepte üblich sei.

Qualitätssteigerung durch Online-Lehre

Insgesamt überwiegen nach Ansicht der Repetitorien die Vorteile des Online-Formats deutlich, berichtet auch Ingo Gold. "Wir haben im Herbst 2020 unter den Teilnehmern, die zuvor in den Präsenzkursen dabei waren, eine Evaluierung durchgeführt. Rund 90 Prozent fanden die Online-Angebote besser."

Der Umstieg auf das Online-Format wirke sich auch positiv auf den Verdrängungswettbewerb unter den Kursleiter:innen aus, sagt Gold. Weil theoretisch jeder überall unterrichten kann, profitierten Teilnehmer:innen vom gestiegenen Niveau der Kursangebote. 

Die Teilnehmer:innen schätzten die Möglichkeit, Online-Seminare auch bei einem Dozenten zu hören, zu dessen Standort sie vor Corona nicht angereist wären, sagt auch Kaiser. "Dazu kommt die Freiheit, jederzeit während des Online-Meetings die Füße hoch zu legen oder sich einen Kaffee zu drücken. Auch familiäre Aspekte, wie etwa die leichtere Kinderbetreuung, spielen eine Rolle."

Für die instabile Examens-Psyche nicht besonders förderlich

Neben höheren Lernerfolgen und flexibler Zeitgestaltung können Online-Repetitorien einem Punkt wohl nicht gerecht werden. Gerade in Zeiten der Examensvorbereitung befällt viele Referendar:innen das Gefühl, diese Aufgabe alleine bewältigen zu müssen. 

Allein die physische Anwesenheit in einem Raum kann dabei helfen, diese Annahme aufzulösen. Eine Online-Massenveranstaltung mit 120 schwarzen Kacheln hat nicht annähernd denselben Effekt. Ein Repetitorium in Präsenz schafft Raum und Möglichkeiten für einen kurzen Austausch in der Pause und fördert neue Kontakte.

Für die instabile Examenspsyche ist es durchaus hilfreich, sich mit anderen gemeinsam darüber beschweren zu können, dass ein ganzes Sommerwochenende geopfert werden muss, um in die Tiefen der Zivilprozessordnung einzutauchen. Geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid.

Dennoch bietet ein Repetitorium im Online-Format den Referendar:innen mehr Vor- als Nachteile. Während des Vorbereitungsdienstes sind die Assessorkandidat:innen in unterschiedlichem Umfang in den Stationen eingespannt. Da Lern- und Vorbereitungszeit für die Examensprüfung nicht explizit vorgesehen sind, kann es mitunter schwierig werden, ein Repetitorium in Präsenz zu integrieren. Insoweit ist die Entwicklung zum Online-Repetitorium zeitgemäß und schafft neue Möglichkeiten.

Doch nach Ansicht aller drei Repetitorien wird ein Online-Angebot den Präsenzkurs auch in Zukunft vollständig ersetzen können. Anfragen, wieder zu Präsenzkursen zurück zu kehren, hätten absoluten Seltenheitswert, sagt Kaiser.

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