Nachteilsausgleich wegen der Pandemie

Was tun die Bun­des­länder für die Corona-Refe­ren­dare?

von Pauline DietrichLesedauer: 4 Minuten

In den vergangenen Monaten hatten Referendare in vielen Belangen eine andere Ausbildung als alle Jahrgänge vor ihnen. Pauline Dietrich hat nachgefragt, ob und wie dadurch erlittene Nachteile ausgeglichen werden sollen.

Dank digitaler Angebote und Hygienemaßnahmen konnte auch in den ersten Monaten der Corona-Pandemie in der Justiz gearbeitet werden – wenn auch deutlich eingeschränkt. Daher sahen sich diejenigen Juristinnen und Juristen, die in den vergangenen rund 18 Monaten ihr Referendariat absolvierten, einer in vielen Bereichen grundlegend anderen Art von Ausbildung gegenüber als ihre Vorgänger:innen. Ob die Justizministerien der Länder dies im Blick haben und mögliche Nachteile ausgleichen möchten, haben einige von ihnen auf Nachfrage von LTO kundgetan.

Alle angefragten Bundesländer (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Berlin) betonen dabei, dass auch unter Pandemiebedingungen weiterhin eine hochwertige Ausbildung stattgefunden habe. Anpassungen an die Pandemielage seien in verschiedenen Formen erfolgt. Prüfungen und Einstellungen sind - in den meisten Ländern  - weiterhin möglich gewesen, wenn auch teilweise das Examen verschoben wurde.

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Hessen bietet Crash-Kurse an

Während Hessen in der Hochzeit der Pandemie nach eigenen Angaben mit einer "Technologieoffensive" inklusive bereitgestellter Notebooks die Referendar:innen sowie die AG-Leitenden unterstützte, werden den "Corona-Jahrgängen" unter den Referendar:innen nun Crashkurse zur Examensvorbereitung angeboten. Laut Justizministerin Eva Kühne-Hörmann soll dadurch ein Ausgleich für etwaige Nachteile geschaffen werden. Das Angebot richtet sich an alle Referendar:innen, deren schriftliche Examenstermine zwischen November 2021 und Juli 2022 liegen. Ausbildungsziel ist laut Ministeriumsmitteilung die komprimierte Wiederholung und Vertiefung examensrelevanter praktischer Fertigkeiten. Weil beispielsweise im Zivilprozess viele Verfahren aus dem Homeoffice geführt worden seien, hätten die Referendar:innen in der Zivilstation eine andere Praxis als üblich erlebt. Das sollen die Crashkurse wettmachen, sagt Kühne-Hörmann.

Auch Nordrhein-Westfalen (NRW) baut nach Anfrage von LTO auf ein erweitertes Angebot, um mögliche Nachteile der von der Pandemie besonders betroffenen Referendar:innen auszugleichen. So werde ein zusätzlicher digitaler Klausurenkurs angeboten. In einigen Ausbildungsbezirken und in Kürze auch landesweit bestehe zudem die Möglichkeit, Aktenvorträge in Präsenz unter Prüfungsbedingungen zu üben. Außerdem sei der Vorbereitungsdienst für sämtliche Referendar:innen um einen Monat verlängert worden, die sich zum 1. April 2020 im Vorbereitungsdienst befunden und noch nicht die Aufsichtsarbeiten angefertigt haben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass im April 2020 in NRW noch kein digitales Lehrangebot bestanden habe.

Bayern ist nach Angaben seines Justizministeriums möglichen Nachteilen in der Form entgegengetreten, dass eigentlich erst ab 2022 vorgesehene Entlastungen im Prüfungsstoff, unter anderem die Streichung des Unterhaltsrechts und des Wasserrechts, zeitlich vorgezogen wurden. Eine Sprecherin betonte gegenüber LTO jedoch besonders, dass sich die durchschnittlichen Examensergebnisse im Übrigen während der Pandemie im Vergleich zu den Examensergebnissen von vor der Pandemie nicht verschlechtert hätten. Dasselbe gilt für Niedersachsen, wie das dortige Justizministerium mitteilt. Dort gebe es dennoch - eingerichtet vom OLG Oldenburg - seit Dezember 2020 ein zivilrechtliches Kurzrepetitorium für Examenskandidat:innen. Dort könnten die niedersächsischen Referendar:innen etwa sechs bis acht Wochen vor den Klausuren ein kostenloses Klausur-Coaching mitmachen – auch aus anderen Bundesländern. Da die Ausbildung trotz der Pandemie in Niedersachsen unverändert und qualitativ hochwertig stattfinde, bestehe ansonsten keine Notwendigkeit für zusätzliche Ausgleichsmöglichkeiten. Dies werde jedoch fortlaufend überprüft.

BaWü: "Keine weiteren Angebote geplant"

In Thüringen derweil sieht das Justizministerium keine grundlegenden Defizite in der Stoffvermittlung. "Soweit die Präsenzausbildung an Gerichten und Staatsanwaltschaften eingeschränkt war, erfolgte dies im Wesentlichen zulasten solcher Ausbildungsinhalte, die kaum Gegenstand der drei Prüfungsteile des zweiten Examens sind", so ein Pressesprecher gegenüber LTO. So seien die aktive Dezernatsarbeit, Zeugenvernehmungen und Sitzungsvertretungen betroffen gewesen. Dies seien Kompetenzen, die wegen ihrer Bedeutung für die spätere Berufspraxis vermittelt werden und deren Erwerb dort sichergestellt sei.

Unter den nach der Thüringer Juristenausbildungs- und -prüfungsordnung (ThürJAPO) vorgesehenen Voraussetzungen sei in Einzelfällen die Verlängerung des juristischen Vorbereitungsdienstes bewilligt worden. Dies sei - bezogen auf die durch die Pandemiesituation allgemein eingeschränkten Lebensbedingungen - für Eltern ohne Betreuungsmöglichkeiten oder solche Kandidat:innen in Betracht gekommen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen.

Das Justizministerium in Baden-Württemberg sieht es ähnlich wie das in Thüringen. "Da in Baden-Württemberg während der Pandemie im Jahr 2020 sehr frühzeitig reagiert und auf ein Online-Modell umgestellt wurde, sind derzeit keine zusätzlichen Angebote geplant", so ein Pressesprecher des Justizministeriums.

Auch aus der Bundeshauptstadt ist dies zu vernehmen: "Berlin bietet den Referendar:innen bereits unabhängig von den Zeiten der Pandemie eine sehr gute und umfangreiche theoretische Ausbildung an, die den zur Verfügung stehenden Zeitraum vollständig ausschöpft und kaum Platz für weitere Angebote lässt", so ein Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Justiz auf Nachfrage der LTO. Qualitativ habe die Ausbildung durch die Pandemie keine Einbuße erlitten. "Während der Pandemie wurden die Arbeitsgemeinschaften auf Online-Veranstaltungen umgestellt und für die Referendar:innen eine Lernplattform eingerichtet, die eine gute Vernetzung gewährleistet", erläuterte der Pressesprecher. In Einzelfällen habe man auf Antrag bei besonders von der Pandemie betroffenen Referendar:innen individuell auf die Situation reagiert.

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