Die juristische Presseschau vom 28. April 2017: Anwalt Sommer siegt in Straßburg / Eine Mil­lion für Helmut Kohl / Nack­t­reiter stellt sich

28.04.2017

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schützt die Privatsphäre von Anwälten. Außerdem in der Presseschau: Der Altkanzler bekommt Schmerzensgeld vom treulosen Ghostwriter und der Solinger Nacktreiter muss nicht mit Strafe rechnen.

Thema des Tages

EGMR zu Privatsphäre von Anwalt: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Deutschland verurteilt, weil die Bochumer Staatsanwaltschaft die Privatsphäre des Kölner Strafverteidigers Ulrich Sommer verletzt hat. Die Freundin eines Mandanten hatte Sommer 1.500 Euro Honorar überwiesen. Weil die Staatsanwaltschaft Geldwäsche witterte, ließ sie sich von Sommers Bank alle Kontoauszüge der zurückliegenden zwei Jahre aushändigen und nahm sie zur Akte – sichtbar also auch für alle anderen am Verfahren beteiligten Anwälte. Nach Ansicht des EGMR war dies nicht gerechtfertigt, weil gegen Sommer selbst kein Verdacht vorlag. Über das Urteil berichtet lawblog.de (Udo Vetter), der von einer "gewaltigen Klatsche" für die deutsche Justiz spricht, die das Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet hatte.

Rechtspolitik

Sicherheitsgesetze: Der Bundestag hat drei Gesetze mit kriminalpolitischer Bedeutung beschlossen. Erstens wurde das BKA-Gesetz novelliert. Dabei wurden vor allem die IT-Strukturen im Bundeskriminalamt modernisiert und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Zudem wurde eine Rechtsgrundlage für die Überwachung von Gefährdern mit einer elektronischen Fußfessel geschaffen. Zweitens beschloss der Bundestag in Umsetzung einer EU-Richtlinie die anlasslose fünfjährige Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten auf internationalen Flügen. Drittens wurde die Strafdrohung für Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte verschärft. lto.de gibt einen Überblick.

BKA-Gesetz: community.beck.de (Dennis-Kenji Kipker) beleuchtet sehr ausführlich die Novellierung des BKA-Gesetzes. Fazit: Der gute Wille, ein nunmehr verfassungskonformes Gesetz zu schaffen, sei zwar vorhanden, trete aber noch nicht deutlich genug zutage.

Steuerflucht: Mit zwei jetzt beschlossenen Gesetzen will der Bundestag die Flucht in Steuer-Oasen erschweren, schildert die FAZ (Manfred Schäfers). Erstens soll das Steuerumgehungsvermeidungsgesetz den Finanzbehörden mehr Einblick in mögliche Briefkastengesellschaften in Drittländern bringen. Zweitens wird die Gewinnverlagerung mit Hilfe von Rechtezahlungen an das Ausland (sogenannte Lizenzboxen) begrenzt.

Datenschutz: Am heutigen Freitag will der Bundestag das Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz beschließen, das von netzpolitik.org (Ingo Dachwitz) vorgestellt und kritisiert wird. Der Gesetzgeber nutze dabei Freiräume, die ihm die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung einräumt. Teilweise behaupte er aber auch Freiräume, die nach der Verordnung gar nicht bestehen.

Homosexualität: Ebenfalls am heutigen Freitag will sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur strafrechtlichen Rehabilitierung verurteilter Homosexueller beschäftigen. Die taz (Jan Feddersen) schildert deshalb das Schicksal eines Mannes, der in den 1960er-Jahren als 15-Jähriger einen Liebesbrief an einen anderen Mann geschrieben hat und dafür mit Jugendarrest sanktioniert wurde. Außerdem verlor er seinen Ausbildungsplatz.

NetzDG: Marc Liesching (community.beck.de) bewertet im Stil eines Kurzgutachtens das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur besseren Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken. Er kommt zum Schluss, dass das geplante Gesetz die Meinungsfreiheit verletze, weil eine "Übererfüllung" von Löschpflichten drohe. Außerdem sei das Gleichbehandlungsgebot verletzt, weil das Gesetz erst bei Netzwerken mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern greife.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. April 2017: Anwalt Sommer siegt in Straßburg / Eine Million für Helmut Kohl / Nacktreiter stellt sich . In: Legal Tribune Online, 28.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22773/ (abgerufen am: 19.05.2024 )

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