Die juristische Presseschau vom 20. September 2013: Entschädigung für Sicherungsverwahrte – Neue Zeugin im NSU-Prozess – Universaljustiz in Argentinien

20.09.2013

Der Wert eines Monats in rechtswidriger Unfreiheit bemisst sich nach Ansicht des BGH mit 500 Euro. Diese Entschädigung erhalten Sicherungsverwahrte. Außerdem in der Presseschau: kein Wahlrecht für Betreute, neue Zeugin gegen Zschäpe, Vier-Augen-Prinzip am BGH, Universaljustiz in Argentinien und ein auferstandener Messias.

Thema des Tages

Entschädigung für Sicherungsverwahrte: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs muss das Land Baden-Württemberg vier Straftätern Schadensersatz von mehreren 10.000 Euro wegen nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrungen leisten. Während der von den Klägern verbüßten Haftstrafen war die auf zehn Jahre begrenzte Höchstdauer der Sicherungsverwahrung aufgehoben worden. Die Betroffenen kamen daher erst im Jahre 2010 aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom vorherigen Jahr frei.

Die jetzige Entscheidung bestätigte unterinstanzliche Urteile, fraglich sei allein die Haftung des Landes gewesen. Das Land habe erfolglos argumentiert, dass die Anwendung damals geltenden Bundesrechts alternativlos gewesen sei, schreibt die FAZ (Helene Bubrowski). Die SZ (Wolfgang Janisch) erklärt in ihrer Meldung, dass nach Ansicht des BGH haften müsse, wer die Hoheitsgewalt für den rechtswidrigen Freiheitsentzug ausgeübt habe. Dies sei das Landgericht Freiburg gewesen. Die taz (Christian Rath) erläutert, dass die Entschädigungssumme 500 Euro pro Monat für jeden der Sicherungsverwahrten betrage und macht darauf aufmerksam, dass die jetzige Entscheidung bundesweit auf einige Dutzend ähnlich gelagerter Fälle übertragbar sei.

Heribert Prantl (SZ) hält die Haftung des Landes im Gegensatz zu jener des Bundes zwar für "seltsam", begrüßt aber den Tenor der Entscheidung. Niemand müsse verfassungswidriges Recht entschädigungslos erdulden, auch Strafgefangene nicht. Wegen des zugesprochenen Betrages hält Udo Vetter (lawblog.de) eine weitere "Ehrenrunde" am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für nicht ausgeschlossen.

Rechtspolitik

Wahlrechtsausschluss: Von der am kommenden Sonntag stattfindenden Bundestagswahl sind nach Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes Menschen ausgeschlossen, denen zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist. Mit den verfassungsrechtlichen Problemen dieser Regelung beschäftigt sich Rechtsprofessor Heinrich Lang auf lto.de.

Unseriöse Geschäftspraktiken: Nach Informationen der SZ (Daniela Kuhr) soll das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken am heutigen Freitag vom Bundesrat verabschiedet werden. Bis zuletzt sei unklar gewesen, ob die Länderkammer nicht doch den Vermittlungsausschuss anrufen würde. Nun sei mit einem baldigen Inkrafttreten der neuen verbraucherschützenden Regelungen zu unerwünschter Telefonwerbung, zweifelhaften Methoden von Inkasso-Unternehmen und überzogenen Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen im Internet zu rechnen.

Verfassungsschutz und Journalismus: Die niedersächsische Verfassungsschutzbehörde hat offenbar jahrelang Daten mehrerer Journalisten gesammelt und gespeichert und in einem Fall auf Nachfrage der Betroffenen über die Maßnahme gelogen sowie anschließend die Daten vernichtet. Die SZ (Hans Leyendecker/Tanjev Schultz) wirft einen Blick auf das "zu allen Zeiten komplizierte" Verhältnis von Sicherheitsbehörden und Journalismus. Tanjev Schultz (SZ) kommentiert, dass die Kontrolle der Geheimdienste nicht funktioniere. Eine Verfassungsschutzbehörde, die derart "dreist" lüge, zerstöre "den Glauben an den Rechtsstaat und irgendwann den Rechtsstaat selbst."

Unternehmensjuristen: Am heutigen Freitag soll auf der Tagung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) unter anderem über eine statusrechtliche Angleichung angestellter Unternehmensjuristen an freie Rechtsanwälte abgestimmt werden. Die Badische Zeitung (Christian Rath) interviewt den BRAK-Präsidenten Axel C. Filges zum Thema. Er spricht sich für eine ideologiefreie Debatte aus und macht darauf aufmerksam, dass viele der Unternehmensjuristen faktisch ohnehin anwaltlich tätig seien, im Vergleich zu ihren "freien" Kollegen aber oftmals benachteiligt würden, etwa durch fehlenden Schutz vor Beschlagnahmen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. September 2013: Entschädigung für Sicherungsverwahrte – Neue Zeugin im NSU-Prozess – Universaljustiz in Argentinien . In: Legal Tribune Online, 20.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9597/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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