Die juristische Presseschau vom 15. - 17. Februar 2014: "Kontaktschuld" von Sebastian Edathy – Hans-Jürgen Papier beim ADAC – Existenz der Erde bedroht

17.02.2014

Die Edathy-Affäre ist inzwischen auch eine Friedrich- und eine Oppermann-Affäre. Es bleibt aber die Frage, ob die Hannoveraner Staatsanwaltschaft überreagierte? Außerdem in der Presseschau: BVerfG-Beschluss zur Zweitwohnungssteuer, Justizreform in der Türkei, Hans-Jürgen Papier will Glaubwürdigkeit des ADAC retten und erneut bedroht ein Teilchenbeschleuniger die Erde.

Thema des Tages

StA Hannover - Kinderporno-Ermittlungen gegen Edathy: Am Freitag hat die Staatsanwaltschaft Hannover erstmals öffentlich bestätigt, dass sie seit dem 28. Januar ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy (SPD) wegen Besitzes von Kinderpornographie führt. Dabei schilderten die Staatsanwälte, dass Edathy sich von 2005 bis 2010 in konspirativer Weise Bilder und Videos von nackten oder halbnackten Jungs im Grenzbereich zur Kinderpornographie beschafft habe. Wie andere Staatsanwaltschaften auch, habe man daraus einen Anfangsverdacht auf den Besitz von strafbarer Kinderpornographie abgeleitet. Es berichtet die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Tanjev Schultz).

Heribert Prantl (Samstags-SZ) kritisiert das Vorgehen der Staatsanwaltschaft: "Man hat keine festen Anhaltspunkte für eine Straftat, durchsucht aber, um feste Anhaltspunkte zu finden – und dann damit die vorherige Durchsuchung zu begründen. Und wenn man sie nicht findet, wird gesagt, dass wohl Beweise vernichtet worden seien." Eine solche "Beweisermittlungsdurchsuchung" verstoße gegen jede Verhältnismäßigkeit und liege daher "hart an der Grenze zur Verfolgung Unschuldiger (§ 344 des Strafgesetzbuches)".

Sebastian Edathy kritisiert im Interview mit dem Spiegel (Veit Medick, Zusammenfassung) das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als ungeheuerlich. "Sie wirft mir ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor, was sie aber nicht davon abhält, Details eines legalen Verhaltens zum Gegenstand einer Pressekonferenz zu machen." Inzwischen hat Edathy auch Dienstaufsichtbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft erhoben, berichtet spiegel.de.

Der Spiegel (Dietmar Hipp) bespricht mit Strafrechtsexperten die Grenzen der Strafbarkeit von Posing-Photos. Entscheidend sei die objektiv pornographische Qualität der Bilder, auf die Empfindung eines pädophilen Betrachters komme es nicht an. lto.de (Constantin von Lijnden) interviewt den Medienrechtler Marco Gercke. Dieser hält die Materialien, die Edathy bestellt hatte, für legal. "Nacktbilder in natürlichen Posen unterfallen grundsätzlich nicht dem Pornographiebegriff." Eine Hausdurchsuchung sei aber mit Blick auf möglicherweise strafbares Material dennoch zulässig gewesen. Die Montags-taz (Christian Rath) sieht das Problem weniger im Verhalten der Staatsanwaltschaft als in der Strafnorm, die einen großen Graubereich zwischen legalem und illegalem Verhalten geschaffen habe. Heribert Prantl (Montags-SZ) sieht Edathy trotz der vermeintlich rechtswidrigen Ermittlung politisch zurecht im Aus und konstatiert eine moralische "Kontaktschuld". Edathy habe sich in ein "höchst fragwürdiges Milieu" begeben.

Minister Friedrich - Geheimnisverrat? Am Freitagnachmittag trat der ehemalige Innen- und spätere Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurück. Er hatte im Oktober SPD-Chef Gabriel von den Verwicklungen Edathys unterrichtet. Ihm war daraufhin ein strafbarer Geheimnisverrat vorgeworfen worden. Die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) skizzierte die Rechtslage: "Politische Fürsorge ist kein Rechtfertigungsgrund für die Verletzung eines Dienstgeheimnisses. Ein Anfangsverdacht dürfte nicht leicht zu verneinen sein. Allerdings wird die Verletzung des Dienstgeheimnisses nur mit Ermächtigung verfolgt." Christian Rath (Samstags-taz) hält das Verhalten Friedrichs zwar für rechtfertigbar, es habe aber gute andere Gründe für einen Rücktritt gegeben, insbesondere die dilletantische Art der Informationsweitergabe und die jetzige "jämmerliche" Verteidigung Friedrichs.

SPD-Spitze - Strafvereitelung? Nach Friedrichs Rücktritt greifen vor allem CSU-Politiker die SPD-Spitze an. Diese solle auch über personelle Konsequenzen nachdenken, weil sie im Verdacht steht, Edathy gewarnt zu haben. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bestritt dies und verteidigte auch seine Nachforschungen bei BKA-Chef Ziercke, wie spiegel.de meldet. Die Montags-taz (Christian Rath) schildert, was für und was gegen die These spricht, die SPD-Spitze habe den Abgeordneten gewarnt. Im Interview mit zeit.de (Zacharias Zacharakis) weist der Strafrechtler Nikolaos Gazeas darauf hin, dass eine Strafvereitelung nur bei vorsätzlichem Handeln der SPD-Spitzenpolitiker in Frage komme. Falls Edathy keine Straftaten nachgewiesen werden können, gehe es eventuell sogar nur um versuchte Strafvereitelung.

Rechtspolitik

Abgeordnetenbestechung - OLG-Zuständigkeit: Der CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn schlägt vor, dass nur Oberlandesgerichte über die Bestechung von Abgeordneten entscheiden sollen. Für die Ermittlungen sollen die Staatsanwaltschaften am jeweiligen Oberlandesgericht zuständig sein, berichtet der Spiegel. Anlass der Überlegung: Die Koalition plant, die Strafbarkeit der Abgeordneten-Bestechung stark auszuweiten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. - 17. Februar 2014: "Kontaktschuld" von Sebastian Edathy – Hans-Jürgen Papier beim ADAC – Existenz der Erde bedroht . In: Legal Tribune Online, 17.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11016/ (abgerufen am: 16.05.2024 )

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