Internationaler Frauentag: Frau­en­rechte leiden deut­lich unter den Krisen

08.03.2022

Ob die Machtübernahme der Taliban, die Pandemie oder jetzt der Krieg in der Ukraine: Die Rechte von Frauen und Mädchen leiden besonders. Zu dem Ergebnis kommt Amnesty International anlässlich des Weltfrauentags.

Die Rechte von Frauen und Mädchen haben nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Einschnitte erlitten. "Die Krisen der Welt haben keine gleichmäßigen oder gerechten Auswirkungen", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, am Dienstag, dem internationalen Frauentag, einer Mitteilung zufolge. "Die überproportionalen Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und Mädchen sind gut belegt, auch wenn sie noch immer vernachlässigt oder sogar ignoriert werden."

Als besonders einschneidendes Beispiel nennt die Organisation die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, wo Frauen und Mädchen trotz mutiger Proteste im ganzen Land nun als "Bürgerinnen zweiter Klasse" behandelt würden, denen etwa das Recht auf Bildung entzogen werde.

Auch die Corona-Pandemie habe sich negativ ausgewirkt: So seien die Fälle von häuslicher Gewalt angestiegen und die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt habe Frauen überdurchschnittlich betroffen. Weitere Verschlechterungen habe es in den USA gegeben, wo es 2021 mehr Restriktionen bei Abtreibungsrechten gegeben habe als in jedem anderen Jahr zuvor. Auch der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen habe die Rechte von Frauen und Mädchen in der Türkei verschlechtert.

"Keine Entschuldigung dafür, keine gerechte Politik zu machen"

Bereits in den vergangenen Jahren habe Amnesty International in den Konfliktgebieten in der Ostukraine dokumentiert, dass es vermehrt Fälle von Gewalt gegen Frauen gegeben habe, hieß es. Man rechne damit, dass sich dieses Muster angesichts des Krieges nun auf das gesamte Land ausweiten werde.

"Keine Gesellschaft kann es sich leisten oder es tolerieren, dass die Würde von mehr als der Hälfte der Bevölkerung beschnitten wird", sagte Callamard. "Es kann keine Entschuldigung dafür geben, keine gerechte und faire Politik für Frauen und Mädchen zu machen".

Der Internationale Frauentag steht in diesem Jahr in Berlin im Zeichen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Politik und Organisationen erinnerten am Dienstag insbesondere an das Leid geflüchteter Frauen und riefen zur Solidarität auf. Die ukrainischen Frauen zeigten "aktuell eine unfassbare Stärke" und meisterten die Last dieses Krieges auf besondere Art und Weise, twitterte etwa Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD). "Ihnen zu helfen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht nur am heutigen Weltfrauentag." Ähnlich äußerte sich Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD).

Partnerschaftliche Verteilung von Sorgearbeit geplant

Auch die Familien- und Frauenministerin Anne Spiegel ruft anlässlich des internationalen Frauentags dazu auf, nicht nachzulassen im Kampf gegen Sexismus und für die Gleichstellung der Geschlechter. Sexismus sei ein alltägliches Phänomen, das viele Frauen betreffe, gerade am Arbeitsplatz. "Ich bin seit über 20 Jahren in der Politik und habe dort leider auch Sexismus erfahren", sagte die Grünen-Politikerin der Funke-Mediengruppe (Dienstag).

Letztlich sei Sexismus Ausdruck ungleicher Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern, sagte die 41-Jährige. "Und er ist auch deshalb so gefährlich, weil Sexismus ein Nährboden für Gewalt gegen Frauen ist. Wenn wir es schaffen, Sexismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, dann bekämpfen wir auch Gewalt gegen Frauen und Mädchen."

In Sachen Gleichstellung sei die Gesellschaft noch nicht am Ziel, wie sich unter anderem an der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern zeige. Es gelte daher, entschlossen zu handeln. "Erstens: Wir entwickeln das Entgelttransparenzgesetz weiter, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Zweitens stärken wir Frauen den Rücken, indem wir ihre Erwerbsarbeit fördern." Wer sich phasenweise um sich, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmere, dürfe im Erwerbsleben nicht benachteiligt oder von Armut bedroht sein, sagte sie. Außerdem unterstütze ihre Regierung eine partnerschaftliche Verteilung von familiärer Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. "Dafür verbessern wir beispielsweise das Elterngeld und den Kündigungsschutz nach Elternzeit, treiben den Ausbau der Ganztagsbetreuung voran und setzen uns entschieden für mehr Frauen in Führungspositionen ein."

Der Internationale Frauentag ist in fast 30 Staaten gesetzlicher Feiertag. 1977 haben die Vereinten Nationen den 8. März zum Weltfrauentag erklärt.

dpa/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Internationaler Frauentag: Frauenrechte leiden deutlich unter den Krisen . In: Legal Tribune Online, 08.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47761/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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