Die Letzte Generation ist keine kriminelle Vereinigung. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Berliner Justizsenatorin in Auftrag gegebene Prüfung zur Einstufung der Aktivistengruppe. Mehrere Länder sehen das allerdings anders.
Die Mitglieder der Letzten Generation verabreden sich regelmäßig dazu, Straßen durch Sitzblockaden zu versperren, um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Erst vor kurzem haben die Aktivisten mitten in der Urlaubszeit die Rollfelder der Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf blockiert. Dass diese Aktionen regelmäßig den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllen, haben Gerichte in der Vergangenheit mehrfach bestätigt. Auch eine mögliche Rechtfertigung der Aktivisten wird ganz überwiegend verneint. Eine organisierte Gruppe also, die wiederholt Straftaten begeht – ist das eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 Strafgesetzbuch (StGB)?
Im Mai bat Felor Badenberg, die gerade frisch ihr Amt als Justizsenatorin in Berlin angetreten war, um eine rechtliche Prüfung dieser umstrittenen Frage. Zuvor hatten die Berliner Strafverfolgungsbehörden den Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung abgelehnt. Die nun vorliegende Prüfung ergab, dass diese Einschätzung nicht zu beanstanden gewesen sei, so ein Sprecher der Justizverwaltung. Eine nähere Begründung zum Ausgang der Prüfung unterblieb zunächst.
Andere Bundesländer, andere Einschätzungen
Im benachbarten Brandenburg ist man anderer Meinung. Die dort aktuell laufenden Ermittlungen gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gaben den Anlass für die Prüfung in Berlin. Auch das Landgericht Potsdam hatte einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Diese Entscheidung aus Brandenburg sei aber nur bedingt auf die Situation in Berlin anwendbar, hieß es nun von der Justizverwaltung in Berlin. Eine andere Bewertung sei nicht ausgeschlossen.
Auch im Süden Deutschlands geht man von dem Vorliegen einer kriminellen Vereinigung aus. Auf Grundlage des Anfangsverdachts hatte das Amtsgericht München vor etwa zwei Monaten bundesweite Razzien angeordnet, bei denen auch die Webseite der Aktivistengruppe beschlagnahmt wurde. In einem vorverurteilenden Warnhinweis, der kurze Zeit später wieder entfernt wurde, machte die Generalstaatsanwaltschaft München deutlich, dass die Letzte Generation ihrer Ansicht nach eine kriminelle Vereinigung darstelle. Auch in Berlin wurden Objekte der Aktivisten damals durchsucht.
Auch Rechtswissenschaftler uneins
Thomas Fischer vertritt in seiner LTO-Kolumne eine differenzierte Auffassung. Der Gesamtzusammenschluss der Aktivistengruppe stelle demnach wohl keine kriminelle Vereinigung dar, für Teile der Klimagruppe könne aber etwas anderes gelten, so der ehemalige BGH-Richter. In einem Streitgespräch mit Fischer positionierte sich Prof. Matthias Jahn, Universitätsprofessor in Frankfurt am Main und Herausgeber der Zeitschrift "Strafverteidiger" gegen die Einordnung der Letzte Generation als kriminelle Vereinigung.
Die Staatsanwaltschaft Berlin dürfte aber in Folge der Prüfung zunächst nicht aufgrund des Anfangsverdachts wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Letzte Generation ermitteln. Allerdings hatte sie in der Vergangenheit auch selbst betont, dass die rechtliche Einschätzung der Klimagruppe einer "permanenten Neubewertung" unterliege. Eine finale Klärung stellt das Ergebnis der von Badenberg initiierten Prüfung demnach wohl nicht dar.
dpa/lmb/LTO-Redaaktion
Klimagruppe auf dem Prüfstand: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52284 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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