Umstrittene Justizreform: Polen ver­tei­digt Pläne in Brüssel

08.03.2018

Seit 2016 versucht die EU-Kommission, die nationalkonservative Regierung Polens vom umstrittenen Umbau der Justiz abzubringen. Lange wirkte Warschau wortlos und stur. Jetzt wirbt der Ministerpräsident um Verständnis.

Polen hat den umstrittenen Umbau seiner Justiz noch einmal ausführlich gegen die Kritik der EU-Kommission verteidigt. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki übergab Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Brüssel ein sogenanntes Weißbuch, das die Reformen als Fortschritt für die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung beschreibt. Juncker will dies nun prüfen, wie sein Sprecher Margaritis Schinas sagte.

Die nationalkonservative Regierung in Warschau hatte seit ihrem Amtsantritt 2015 mit etlichen Gesetzen die polnische Justiz umgebaut. Kritiker monieren, damit gewinne die Regierungspartei PiS Einfluss auf die Gerichte. Die EU-Kommission hatte deshalb nach jahrelangen Beschwichtigungsversuchen im Dezember erstmals in der Geschichte der EU ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags (EUV) eingeleitet, aber eine Drei-Monats-Frist für eine Kurskorrektur gestellt. Diese läuft bis 20. März.

Das "Weißbuch" deutet nicht auf ein Einlenken hin. Darin heißt es, die Justizreformen seien nötig, weil die Gerichte ineffizient seien und nur jeder Vierte Pole in ihre Unabhängigkeit vertraue. Fast 30 Jahre nach Ende der kommunistischen Herrschaft säßen immer noch Richter von damals in den Gerichten. Bislang habe es eine Schieflage zwischen Exekutive und Judikative gegeben, da Richter niemandem Rechenschaft schuldeten. Unabhängigkeit und ein Gleichgewicht der Gewalten würden jetzt erst hergestellt.

Warschau: Sanktionsverfahren fördert Anti-EU-Stimmung

Polen führe Elemente ein, die in anderen EU-Ländern üblich seien, heißt es weiter. Fälle würden in Gerichten künftig weniger willkürlich verteilt, Richter weniger willkürlich von Gerichtspräsidenten versetzt. Deshalb sei es auch keine Bedrohung für den Rechtsstaat, dass der Justizminister jetzt Gerichtspräsidenten benennen und entlassen könne. Das Artikel-7-Verfahren gegen Polen sei nicht gerechtfertigt und könnte eine "anti-europäische Stimmung" und "populistische politische Kräfte" fördern, warnt Warschau. Weiterer Dialog werde sicher alle Streitigkeiten aufklären.

Die EU-Kommission stützte sich bei ihrer Kritik an der polnischen Justiz unter anderem auf unabhängige Rechtsexperten der Venedig-Kommission des Europarats, die im Dezember zu einem ganz anderen Schluss kamen: "Die Venedig-Kommission betont, dass die Kombination der Veränderungen [...] die negative Wirkung jeder einzelnen von ihnen verstärkt, so dass sie die Unabhängigkeit aller Teile der Justiz in Polen in ernste Gefahr bringt."

Sollte der Konflikt zwischen Brüssel und Warschau innerhalb der Drei-Monats-Frist nicht beigelegt werden, wären die 27 übrigen EU-Mitgliedsländer am Zug. Sie könnten zunächst mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Deutschland und Frankreich hatten zuletzt den Druck erhöht und sich eindeutig auf die Seite der Kommission gestellt.

dpa/acr/LTO-Redaktion

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Umstrittene Justizreform: Polen verteidigt Pläne in Brüssel . In: Legal Tribune Online, 08.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27421/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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