EuGH folgt nicht dem Generalanwalt: "Wilder Streik" ist kein außergewöhnlicher Umstand

(c) Leszek Czerwonka-stock.adobe.com
Die massenhafte Krankmeldung der Belegschaft einer Tuifly stellt keinen "außergewöhnlichen Umstand" dar, der die Fluggesellschaft von der Haftung befreit, entschied der EuGH - und zwar entgegen der Ansicht des Generalanwalts.
Reisende, die von den Verspätungen und Annullierungen aufgrund der Massenkrankmeldungen bei Tuifly im Herbst 2016 betroffen waren, können aufatmen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Dienstag (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-195/17 u.a.), dass sich die Fluggesellschaft in diesem Fall nicht auf Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung (Fluggastrechte-VO) berufen kann. Danach kann bei Vorliegen von "außergewöhnlichen Umständen" eine Entschädigungszahlung, die Fluggästen bei Verspätungen und Annulierungen aus Art. 7 der Fluggastrechte-VO zusteht, verweigert werden.
Tuifly hatte in mehreren Entschädigungsprozessen vor dem Amtsgericht (AG) Hannover und dem AG Düsseldorf argumentiert, dass die massenhafte Krankmeldung der Belegschaft einen solchen Umstand darstelle. Die Frage, ob dies der Fall ist, legten die Gerichte daraufhin dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vor.
EuGH: Massenkrankschreibung keine ungewöhnliche Reaktion
Die Richter in Luxemburg verneinten nun diese Frage. Zwar könnten Streiks regelmäßig einen außergewöhnlichen Umstand begründen. Die Massenkrankmeldung, die auf die Ankündigung einer unternehmerischen Umstrukturierung der Tuifly folgte, sei jedoch keine ungewöhnliche Reaktion. Eine solche brauche es für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes aber.
Der EuGH betonte, dass ein entsprechendes Vorkommnis seiner Natur nach kein Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit einer Fluggesellschaft sein und der Umstand von der Fluggesellschaft auch nicht beherrschbar sein dürfe. Die massenhafte Krankmeldung war jedoch nach Auffassung der Luxemburger Richter eine unmittelbare Folge einer unternehmerischen Entscheidung der Tuifly und damit von der Fluggesellschaft beherrschbar.
Mit seinem Urteil entschied sich der EuGH entgegen der Schlussanträge des Generalanwaltes Tanchev. Dieser hatte in dem sogenannten wilden Streik oder auch "go sick" einen ungewöhnlichen Umstand gesehen. Nach seiner Einschätzung hätten die Folgen der Massenkrankmeldung, die 89 Prozent der Belegschaft umfasste, nicht durch zumutbare Maßnahmen der Tuifly verhindert werden können. Reisende werden die gegenteilige Auffassung des EuGH indes begrüßen.
tik/LTO-Redaktion
Man kann über die Rechtsprechung des EuGH nur noch den Kopf schütteln.
RA Nicolas Auf diesen Kommentar antwortenIn der Sache ist das Urteil korrekt. Das Verhalten der eigenen Angestellten ist IMMER eine interne Sache im Kompetenzbereich der Fluggesellschaft. Das wäre es selbst bei einem wilden Streik (also Arbeitsverweigerung ohne „gelben Zettel“)!
Mein Glaube an das Recht kehrt zurück.
Wolf-Dieter Busch Auf diesen Kommentar antwortenAch ja? Das ist erfreulich ... hoffentlich funktioniert das auch beim jetzt wieder freigesetzten 300fachen Kindesmissbrauchstäter ...
"Die Massenkrankmeldung, die auf die Ankündigung einer unternehmerischen Umstrukturierung der Tuifly folgte, sei jedoch keine ungewöhnliche Reaktion."
Rufus Auf diesen Kommentar antwortenDies sagt einiges über unsere Gesellschaft aus. Heut zu Tage ist es gewöhnlich, wenn Arbeitnehmer vereint gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und dabei ggf. Straftaten begehen (Betrug zu Lasten des Arbeitgebers durch Täuschung über Krankheit).
Trefflicher kann man es kaum formulieren ... !
Ist ja auch der Sinn des Streikrechts: Druck auf den Arbeitgeber machen, damit dieser nicht der Einzige ist, der seine Interessen durchdrücken kann. Und auch die Fluggäste haben was davon. Bravo!
Anton Auf diesen Kommentar antworten@Rufus
Ina Dom Auf diesen Kommentar antwortenTrefflicher kann man es kaum ausdrücken!