Small Talk mit Anke Giesen, einzige Vorständin der Fraport AG

Mit Mut und Neu­gier nach ganz oben

von Pauline Dietrich, LL.M.Lesedauer: 5 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Anke Giesen, die derzeit einzige Frau im Vorstand der Fraport AG, über ihren Weg abseits der klassischen Juraberufe und den Mut, den es dafür braucht.

LTO: Frau Giesen, was machen Sie beruflich?

Anke Giesen: Ich bin eine von fünf Personen im Vorstand der Fraport AG, eines der international führenden Unternehmen im Flughafen-Business. Dort bin ich verantwortlich für das Retailgeschäft, die Immobilienentwicklung und die IT, aber auch für den Bereich Recht, Compliance und Datenschutz. Außerdem bin ich für die Betreuung und Entwicklung unserer obersten Führungskräfte, dem Topmanagement, zuständig.

Mein Arbeitsalltag ist geprägt von vielen regelmäßig stattfindenden Meetings mit den Mitgliedern der Bereiche, für die ich zuständig bin. Dort diskutieren wir, bereiten Entscheidungen vor und stimmen uns ab. Hinzu kommen das wöchentliche Vorstandstreffen und inzwischen auch wieder einige externe Termine und Kundengespräche.  Ich bin inzwischen seit fast zehn Jahren bei Fraport und kein Tag gleicht dem anderen – es macht sehr viel Freude. 

Anke Giesen…

Ist die aktuell einzige Frau im Vorstand der Fraport AG, einem Konzern mit Milliardenumsätzen und Zehntausenden Beschäftigten

Hat in Bonn Jura studiert

Würde nicht mit einem Job im "sicheren" Staatsdienst tauschen

Freut sich über Bewerber, die Fehler eingestehen können

Nach Ihrem Jurastudium sind Sie direkt in ein Unternehmen, die Mannesmann AG, gegangen. Das ist an sich als Jurist:in nichts Ungewöhnliches – aber Sie waren dort nicht als Juristin tätig, sondern als Referentin für Personal und Führungskräfte im Bereich Maschinenbau und Elektrotechnik. Klingt nach wenig Jura. Wie kam es dazu?

Ich habe während meines Referendariats begleitend in einer kleinen Kanzlei gearbeitet, die sich mit allen Themengebieten beschäftigt hat: Vom Familienrecht über das Steuerrecht bis zum Immobilienrecht.  Das hat mir die Gelegenheit gegeben, viele Rechtsbereiche kennenzulernen – was im Ergebnis dazu geführt hat, dass ich mich gar nicht für ein Rechtsgebiet entscheiden konnte und lieber in einem internationalen Unternehmen arbeiten wollte.

Dort hatte ich im Personalmanagement natürlich auch mit arbeitsrechtlichen Themen zu tun. Was ich aber hauptsächlich aus der Zeit mitgenommen habe, sind Erfahrungen im Bereich Menschenführung und Organisationentwicklung. Wie ticken eigentlich große Konzerne? Wie sind die Entscheidungsstrukturen aufgebaut? Das hat wenig mit einer rein juristischen Tätigkeit zu tun, aber die juristische Kompetenz war mir jederzeit sehr hilfreich.

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"Lieber nicht zu früh spezialisieren"

Erwarten potenzielle Arbeitgeber nicht eher, dass man in solchen Positionen BWL studiert hat, beispielsweise mit dem Schwerpunkt Personalmanagement?

Früher, in meinem Fall Anfang der 90-er Jahre, gab es weniger von diesen Spezialisten, sondern mehr Generalisten. Im Personalbereich arbeiteten viele Juristen, die eben auch ein sehr umfassendes Studium absolviert haben - und das war ihr großer Vorteil und der Grund, warum sie im sehr breit angelegten Personalbereich eingesetzt wurden.

Auch heute, wo es personalspezifische Studiengänge wie BWL mit dem Schwerpunkt Personalmanagement gibt, ist es immer noch sehr wertvoll jemanden einzustellen, der breiter aufgestellt ist. Sie finden heute nach wie vor Juristen, Politologen und andere Wissenschaftler in diesen Berufen.

War es nicht auch angsteinflößend, mit dem Jurastudium in eine Karriere zu starten, die auf den ersten Blick so gar nichts mit Juristerei zu tun hat?

Sachverhalte zu analysieren und dann strukturiert an die Fragestellungen heranzugehen und abzuarbeiten – das hilft bei jeder Aufgabe, nicht nur bei Rechtsfragen. Deswegen hat mir am Ende auch da meine generalistische Juristenausbildung geholfen.

Aber ja, es braucht Mut und auch die erforderliche Selbstkritik, um sich Aufgaben zu stellen, die man vermeintlich nicht hundert Prozent beherrschen kann. Außerdem wächst man in die Aufgaben rein. Man muss sich nur diesen Aufgaben bewusst sein und entsprechend achtsam damit umgehen. Das und die Offenheit für neue Themen empfehle ich auch jungen Menschen. Man sollte sich lieber nicht zu früh spezialisieren, sondern auch mal ein Angebot, das vielleicht nicht so naheliegend ist, prüfen. So kann man sich selbst möglichst breit aufzustellen. Das erhöht die eigene Marktfähigkeit – und hält die Neugierde wach.

Wenn ich mir beispielsweise Bewerbungen anschaue, begrüße ich es ausdrücklich, wenn jemand offen und aufgeschlossen ist und bereit, auch mal ein Risiko einzugehen oder sogar einen Fehler zuzugeben. Ich sehe es absolut positiv, wenn Bewerber das daraus Gelernte einbringen und eine neue Herausforderung annehmen.

Wie sind Sie dann zur Fraport AG gekommen?

Nachdem ich viele Jahre lang meine Erfahrungen in verschiedenen Branchen und Funktionen vertiefen konnte, bin ich angesprochen worden, ob ich mir die Tätigkeit im Vorstand der Fraport AG vorstellen kann. Bis dahin war ich vor allem im Personalbereich zuständig oder als Mitgeschäftsführerin in kleineren Gesellschaften. Dann die Chance ergreifen zu können, so ein großes Unternehmen mitzugestalten, war und ist für mich die schönste und spannendste Herausforderung, die ich gerne angenommen habe – sie ist bis heute mein persönliches Karrierehighlight.

Würden Sie im Nachhinein irgendwas anders machen – vermissen sie etwa ab und zu einen Job im "sicheren" Staatsdienst?

Nicht wirklich. Da bereue ich nichts. Ich bin kein Mensch, der jahrelang die gleichen Aufgaben wahrnehmen will. Mir macht es außerdem sehr viel Spaß, mit Menschen zusammen zu arbeiten und die Organisation und Geschäftsfelder zu entwickeln.

"Das Genderthema hat für mich niemals eine Rolle gespielt"

Sie sind aktuell die einzige Frau im Vorstand der Fraport AG. Wie ist das so?

Ich bin aktuell die einzige Frau, bekomme aber demnächst Verstärkung, worüber ich mich sehr freue. Das Genderthema hat für mich jedoch niemals eine Rolle gespielt. Ich bin von meinen Vorstandskollegen auf Augenhöhe und mit offenen Armen empfangen worden und das hat sich auch in den zehn Jahren immer so verhalten.

Auch für die Mitarbeitenden unter meiner Verantwortung ist am Ende des Tages immer die Kompetenz entscheidend -  und nicht das Geschlecht. Auch wir besetzen die Stellen nur mit der besten Person – also die Person, die am besten in diese Position passt. Es geht deshalb eher darum, Frauen frühzeitig stark und erfolgreich zu machen, damit sie dann, im Fall einer Ausschreibung, auch als Kandidatin in Frage kommen.

Haben Sie dazu noch Empfehlungen besonders für junge Frauen?

Ich glaube mittlerweile gibt es in der Wirtschaft so viele gute Beispiele, dass es Frauen gelingt, genauso erfolgreich zu sein wie ihre männlichen Kollegen. Was ich jungen Frauen insbesondere noch mit auf den Weg geben möchte: Nicht zu bescheiden sein, sondern an die eigene Kraft und die eigene Leistung glauben – dann wächst man auch mit den Anforderungen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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