Normenkontrolle gegen den Berliner Mietendeckel: "Berlin ver­bietet, was der Bund erlaubt"

von Annelie Kaufmann

06.05.2020

Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP haben einen Normenkontrollantrag gegen den Berliner Mietendeckel beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das Land setze sich über den Bundesgesetzgeber hinweg.

Insgesamt 284 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP wollen – wie erwartet – den Berliner Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüfen lassen. In ihrem Normenkontrollantrag geht es ums Prinzip: Der Berliner Landesgesetzgeber habe sich erklärtermaßen über den Willen des Bundes hinweggesetzt. Die wesentlichen Vorschriften des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) seien verfassungswidrig und nichtig.

Der Berliner Mietendeckel sieht zum einen vor, Mieten für fünf Jahre weitgehend einzufrieren. Außerdem legt er strikte Obergrenzen für Mieten fest. In bestimmten Fällen können Mieten auch von der Senatsverwaltung abgesenkt werden. Das Gesetz war von Anfang an umstritten.

Eine zentrale Frage: Hat das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz? Von den Antragstellern gibt es dazu ein klares Nein: Der Mietendeckel sei schon deshalb verfassungswidrig und nichtig, weil dem Landesgesetzgeber die Kompetenz fehle.

Darüber hinaus habe Berlin gegen den in Art 31 Grundgesetz (GG) festgelegten Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" verstoßen. "Widersprüchliche Normbefehle zum Bundesrecht darf der Landesgesetzgeber, gleich auf welcher Kompetenzgrundlage, nicht erlassen", heißt es in dem Normenkontrollantrag.

Keine Gesetzgebungskompetenz: Mietrecht im BGB abschließend geregelt

Das Berliner Gesetz sei "schon deshalb nichtig, weil das Land Berlin für die wesentlichen Bestimmungen gemäß Art. 72 Abs. 1 GG keine Gesetzgebungskompetenz hatte", schreiben die Antragsteller. Das gelte für alle Vorschriften, die zwischen den Parteien der betroffenen Mietverträge wirken. Dabei handele es sich um bürgerliches Recht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.

Dabei komme es nicht darauf an, dass das Land Berlin dies anders sehe und die Bestimmungen etwa der Regelung des Wohnungswesens oder dem allgemeinen Preisrecht als Recht der Wirtschaft zuordne. Beides sei unzutreffend. Der Bund habe im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abschließende Regelungen getroffen, so dass kein Raum für weitergehende landesrechtliche Regelungen bleibe.

Zudem verstoße, so die Antragsteller, § 11 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Bln, in dem Bußgelder für überhöhte Mieten festgelegt werden, gegen Art 72 Abs 1 GG, weil der Bundesgesetzgeber in § 5 WiStG und § 291 StGB abschließend strafrechtlich geregelt haben, unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung einer überhöhten Miete eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat sei.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Dr. Jan-Marco Luczak, betonte in einem Pressegespräch am Mittwoch, das Vorgehen des Landes Berlin stelle die grundsätzlichen Entscheidungen des Bundesgesetzgebers zum Mietrecht in Frage: "Wenn wir als Bundesgesetzgeber einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern finden, kann es nicht angehen, dass ein einzelnes Land das aufgrund vermeintlicher Kompetenzen umgestaltet. Das führt für uns zu einer großen Unsicherheit."

Bewusster Widerspruch zum Bund

Der Mietendeckel sei aber selbst dann verfassungswidrig und nichtig, wenn man von einer Gesetzgebungskompetenz des Berliner Landesgesetzgebers ausginge, argumentieren die Antragsteller. Die Nichtigkeit folge jedenfalls aus dem in Art 31 GG geregelten Verfassungsgrundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht".

Der Berliner Landesgesetzgeber sei in keinem Fall zum Erlass von Vorschriften berechtigt, die denselben Sachverhalt betreffen wie die bundesrechtlichen Bestimmungen, aber mit dem Bundesrecht unvereinbare Rechtsfolgen vorsehen. Genau das aber habe Berlin gemacht: Das Landesrecht verbiete ein Verhalten, das nach dem Bundesrecht erlaubt ist.

So gewähre das BGB den Vermietern bestimme Rechte – sie dürfen demnach etwa bei Modernisierungsmaßnahmen in gewissem Maße die Miete erhöhen, bei Neuvermietungen die bisherige bzw. eine an örtlichen Vergleichsmieten orientierte Miete verlangen oder z.B. die Lage der Wohnung bei der Miethöhe berücksichtigen. Der Mietendeckel nehme den Vermietern diese Rechte und sehe teilweise sogar Bußgelder für ein vom Bund erlaubtes Verhalten vor. Der Berliner Landesgesetzgeber setze sich damit "bewusst in Widerspruch" zu den vom Bundesgesetzgeber getroffenen Regelungen und dem dahinterstehenden Regelungskonzept.

Die Antragsteller sehen außerdem Verstöße gegen den Schutz des Eigentums aus Art 14 GG und gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG, etwa weil der Mietenspiegel keine Rücksicht auf die Lage von Wohnungen nimmt, weil private Vermieter von gewerblichen nicht unterschieden werden und frei finanzierte Eigentümer schlechter gestellt würden als öffentlich geförderte. Darauf komme es aber letztlich nicht an, heißt es in dem Antrag, da der Mietendeckel ohnehin wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz und des Widerspruchs zum Bundesrecht verfassungswidrig sei.

Unklare Verhältnisse für rund 1,5 Millionen Haushalte

Luczak hofft nun auf eine schnelle Entscheidung aus Karlsruhe, womöglich sogar auf eine einstweilige Anordnung, mit der das Bundesverfassungsgericht den Vollzug des Gesetzes aussetzen könnte. Die Hürden dafür sind allerdings hoch. Prof. Dr. Wolfgang Spoerr von der Berliner Kanzlei Hengeler Mueller, der die Antragsteller vertritt, sagte dazu am Mittwoch, er sehe eine Gefährdung des Gemeinwohls: Immerhin seien rund 1,5 Millionen Mietverhältnisse in Berlin betroffen. Nun herrsche massive Rechtsunsicherheit. Die Mietverhältnisse würden durch Streitigkeiten belastet, zudem drohten Bußgelder. Die Berliner Justiz könne das allein nicht stemmen: "Die Berliner Gerichte sind ohnehin notorisch überlastet."

Luczak betonte, falls die Karlsruher Richter den Mietendeckel kippen sollten, könnten auch Rückzahlungen auf die Mieter zukommen, die viele womöglich wirtschaftlich nicht leisten könnten. Auch deshalb müsse schnell Rechtssicherheit geschaffen werden.

Eine schnelle Klärung dürfte tatsächlich im Interesse aller Beteiligten sein. Die zuständige Berliner Senatorin Katrin Lompscher sagte am Mittwoch, man habe die gerichtliche Überprüfung erwartet und "begrüße die notwendige Klärung, um die bestehende Unsicherheit bei Mieterinnen und Mietern zu beenden". In der aktuellen Krise zeige sich, wie schnell eine hohe Mietbelastung zur existentiellen Bedrohung werden kann. "Viele Menschen haben aktuell Angst, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren. Damit muss Schluss sein."

Zitiervorschlag

Annelie Kaufmann, Normenkontrolle gegen den Berliner Mietendeckel: "Berlin verbietet, was der Bund erlaubt" . In: Legal Tribune Online, 06.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41535/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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