Berliner Mietendeckel: Noch kein Gesetz, aber sowieso ver­fas­sungs­widrig?

von Annelie Kaufmann

22.06.2019

Vermieter laufen Sturm, die FDP hat eine Normenkontrolle angekündigt – der Berliner Mietendeckel ist hoch umstritten. Worum geht es? Und lassen sich die Eckpunkte überhaupt zu einem verfassungsgemäßen Gesetz formen?

Es gibt zwar noch kein Gesetz, aber der geplante Berliner Mietendeckel wird jetzt schon scharf angegriffen. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke) darf sich darauf gefasst machen, dass die Regelungen auf Herz und Nieren geprüft werden. Und tatsächlich hat sie nun einige verfassungsrechtliche Klippen vor sich, die nicht leicht zu umschiffen sind.

Die Berliner FDP-Fraktion hat den Gang zum Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin schon angekündigt: "Sollte sich nach allen Prüfungen dieses Gesetz als verfassungswidrig erweisen, kann sich der Senat bereits auf ein Normenkontrollverfahren einstellen", sagte Fraktionschef Sebastian Czaja. Erforderlich ist dafür ein Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Abgeordnetenhauses, Czaja zeigte sich zuversichtlich, dass diese Anzahl zusammenkommen würde.

Kai Wegner, Vorsitzende der Berliner CDU und baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, zeigte sich etwas zurückhaltender. Man werde "Maßnahmen diskutieren", sagte er dem Magazin Cicero. "Wahrscheinlich werden andere den Gerichtsweg beschreiten, vielleicht sogar die Genossenschaften oder der ganz normale, einzelne Privatvermieter und nicht die großen Immobilienkonzerne." 

Die Immobilienbranche kocht

Die Immobilienbranche, ob groß oder klein, kocht jedenfalls. Der rot-rot-grüne Senat hatte sich Anfang der Woche auf Eckpunkte zum Mietendeckel geeinigt. Vorgesehen ist unter anderem ein Mietenstopp für fünf Jahre für alle bestehenden Mietverhältnisse. Außerdem sollen Vermieter, wenn eine Wohnung frei wird, höchstens die zuletzt vereinbarte Miete nehmen dürfen. Zudem will der Senat Mietobergrenzen festlegen, auf die bereits sehr hohe Mieten auf Antrag abgesenkt werden können. Der Wohnungsneubau wird von dem Gesetz ausgenommen. 

"Schreiend verfassungswidrig", seien die Pläne des Senats, so der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund Kai Warnecke im Spiegel. Schon bevor die Eckpunkte beschlossen waren, kündigte er eine Klage an. 

Auch beim Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU), der auch landeseigene Wohnungsunternehmen vertritt, hält man das Mietenmoratorium "in der vorliegenden Form für unzulässig", so Vorstand Maren Kern. Der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen (BFW) geht ebenfalls davon aus, dass das Gesetz verfassungswidrig wäre. 

Für eine "Mietpreisbremse plus" keine Gesetzgebungskompetenz?

Umstritten sind vor allem zwei Punkte: Ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz hat und ob der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Vermieter verhältnismäßig ist.

Der Berliner Gesetzgeber könnte sich auf seine Zuständigkeit für das Wohnungswesen stützen. Diese Kompetenz gehörte bis 2006 zur konkurrierenden Gesetzgebung, wurde im Zuge der Föderalismusreform jedoch aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG entfernt und fällt deshalb nun gemäß Art. 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Ob sich darauf ein so weitgehendes Gesetz wie der Berliner Mietendeckel – samt Regelungen zur Miethöhe – stützen lässt, ist jedoch nicht klar. 

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bezweifelte schon im Februar, dass die Länder auf Grund dieser Kompetenz Gesetze zur Mietpreisregulierung erlassen dürften. Das Wohnungswesen umfasse zwar öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und Wohnraumnutzung, etwa sozialen Wohnungsbau, Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen oder das Zweckentfremdungsverbot.

Gesetze zur Mietpreisregulierung seien dagegen grundsätzlich Teil des sozialen Mietrechts, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. Mit der Mietpreisbremse hat der Bundesgesetzgeber jedoch bereits eine (ihrerseits umstrittene) Regelung getroffen. Für schärfere Gesetze in der gleichen Sache bleibt für die Länder deshalb kein Raum. 

"Ein Mietendeckel ist in der Sache nichts anderes – die Stadtentwicklungssenatorin selbst hat ihn 'Mietpreisbremse plus' genannt, sagt Benjamin Schirmer, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland gegenüber LTO. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und berät schwerpunktmäßig im Umwelt- und Planungsrecht sowie im Baurecht. "Dem Gesetzesvorschlag liegt zugrunde, dass das Land die Mietpreise öffentlich-rechtlich regeln könne. Die Regulierung für Mietpreise in einen privatrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Teil aufzuspalten, ist aber nicht so recht nachvollziehbar. Denn in beiden Fällen wird unmittelbar in dasselbe zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter eingegriffen."

Schirmer hält eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Eckpunkte aber auch schon deshalb für "kaum möglich", weil sie in das Eigentumsgrundrecht der Vermieter eingreifen. "Das ist nur zulässig, wenn der Eingriff auch verhältnismäßig ist. Wie das der Fall sein soll, wenn im Ergebnis der Regelungen der Wert des Eigentums nicht mehr gewährleistet wird, oder ein Vermieter sogar damit rechnen muss, nur noch Verluste einzufahren, erschließt sich nicht."

Rufe nach dem Bundesgesetzgeber

Heiko Sauer, Professor für Verfassungs- udn Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, zeigt sich dagegen in einem Beitrag für den Verfassungsblog zuversichtlich, dass der Berliner Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Risiken "durchaus in den Griff bekommen kann". Die Frage der Gesetzgebungskompetenz sei "keineswegs eindeutig". So wirke die Mietpreisbremse relativ moderat und führe "für sich genommen kaum zur Beruhigung angespannter Märkte", könne aber die Situation der einzelnen Mieter verbessern. Ein generelles Einfrieren aller Mieten für einen bestimmten Zeitraum könne dagegen "der wirksameren Durchsetzung von Gemeinwohlzielen dienen, die sich unter das Wohnungswesen fassen lassen – also der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen". 

Auch für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Eigentum komme es auf die genaue Ausgestaltung des Gesetzes an, schreibt Sauer. "Ein 'Mietenstopp' schränkt die wirtschaftliche Nutzung des Eigentums zwar ein, kann angesichts der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG für eine begrenzte Dauer auch von mehreren Jahren aber grundsätzlich zulässig sein."

Angesichts der vielen Tücken der Berliner Gesetzgebung werden nun Rufe nach dem Bundesgesetzgeber laut. Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel forderte im Tagesspiegel einen bundesweiten Mietendeckel. 

Dagegen erklärte Haus & Grund Präsident Warnecke: "Die Bundesregierung ist dringend gefordert, klare Signale zu setzen: Ein Mietendeckel ist keine Lösung für die Probleme auf dem Wohnungsmarkt."

Die Bundesregierung will sich aber offenbar erstmal bedeckt halten. Wie der Tagesspiegel meldet, antwortete das Bundesjustizministerium auf eine parlamentarische Anfrage der FDP, ob es die geplante Berliner Regelung für verfassungsgemäß halte, lediglich, zu Fragen, die Vorhaben der Länder betreffen, nehme die Bundesregierung nicht Stellung. 

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Berliner Mietendeckel: Noch kein Gesetz, aber sowieso verfassungswidrig? . In: Legal Tribune Online, 22.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36041/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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