Akademische Grade nach dem Ersten Staatsexamen

In Freiburg träumt man vom Titel

von Dr. Felix WinklerLesedauer: 5 Minuten
Während an fast allen deutschen Universitäten nach Bestehen der Ersten juristischen Prüfung Grade wie etwa der "Diplom-Jurist" verliehen werden, bleiben sie Studenten an den Universitäten Freiburg und Heidelberg verwehrt. Ein Freiburger Student wollte den akademischen Titel vor dem Verwaltungsgericht einklagen. Warum er erfolglos blieb, erklärt Felix Winkler.

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In Deutschland schließen jährlich tausende Studenten das Studium der Rechtswissenschaft mit der Ersten juristischen Prüfung ab. Neben dem Zeugnis über das Bestehen bekommen anschließend fast alle, nach einem Antrag an die Universität, eine Urkunde mit einem akademischen Grad ausgehändigt – üblicherweise ist dies der "Diplom-Jurist" oder der "Magister Juris". Von den bundesweit 40 juristischen Fakultäten verzichten jedoch zwei, nämlich die in Freiburg und Heidelberg*, auf eine solche Verleihung. Für die dortigen Studenten ist das schwer nachvollziehbar. Sie fühlen sich gegenüber Studenten in anderen Studiengängen und an anderen juristischen Fakultäten benachteiligt. Ein Freiburger Student wollte sich damit nicht zufrieden geben und zog 2012 vor das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg. Das VG Freiburg musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Universität der Stadt rechtswidrig handelt, wenn sie keine Satzung erlässt, die für den erfolgreichen Abschluss der Ersten juristischen Prüfung einen akademischen Abschlussgrad vorsieht. Der klagende Student trug im Wesentlichen vor, dass die Verleihung des Titels nach der Ersten juristischen Prüfung der Empfehlung des Wissenschaftsrates und der Justizministerkonferenz entspreche. Bis auf die beiden genannten Universitäten (und die Universität Potsdam, die ihre Vergabepraxis jedoch inzwischen geändert hat) würden alle anderen entsprechende Grade verleihen. Das Zeugnis über die Erste juristische Prüfung sei aufgrund der Internationalisierung des Arbeitsmarktes nicht mehr ausreichend, da die Gleichwertigkeit der Ersten juristischen Prüfung mit dem universitären Abschluss Master oder Diplom nicht bekannt sei.

Akademischer Grad soll auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Rolle spielen

Die Universität Freiburg sah das anders. Einen Anspruch des Klägers auf Erlass einer entsprechenden Satzung wollte sie nicht anerkennen. Auch führe der fehlende akademische Grad zu keiner Benachteiligung bei Bewerbungen. Einem akademischen Grad nach der Ersten juristischen Prüfung komme wenig bis gar keine Bedeutung zu. Das VG Freiburg hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 19.06.2013, Az. I K 543/12). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Universität ein Satzungsermessen habe. Es läge kein Verstoß gegen Art. 3 und 12 Grundgesetz (GG) vor. Der "Einführung eines akademischen Abschlusstitels komme auf dem Arbeitsmarkt keine entscheidende Bedeutung zu". Das VG nimmt damit zu sogenannten "Neufällen", bei denen der Kläger sich noch in der juristischen Ausbildung befindet und keinen Beruf ausübt, Stellung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte bislang lediglich entschieden, dass bei sogenannten "Altfällen", bei denen der Kläger das erste Examen bereits seit einiger Zeit erfolgreich abgeschlossen hat und einen Beruf ausübt, kein Anspruch auf Verleihung eines akademischen Grads besteht (Urt. v. 22.02.2002, Az. 6 C 11/01; ebenso: VG Ansbach, Urt. v. 26.11.2012, Az. AN 2K 02.01348; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 06.08.2012, Az. 9 S 1904/11).

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2/2: Das Urteil des VG: (Hochschul)rechtlich sauber

Bildungsrecht ist Landesrecht. Der Gesetzgeber hat der Universität Freiburg in § 35 Abs. 2 Landeshochschulgesetz (LHG) das Ermessen eingeräumt, in einer Satzung eine Verleihung von akademischen Titeln festzulegen. Die Universität Freiburg hat sich als Satzungsgeber gegen eine solche Festlegung entschieden, was hochschulrechtlich nicht zu beanstanden ist. Sie folgt damit zwar nicht der Empfehlung der Justizministerkonferenz von 2001 und des Wissenschaftsrats von 2002, wonach Absolventen der Ersten juristischen Prüfung ein akademischer Grad verliehen werden soll. Doch schon aus dem Wort "Empfehlung" wird deutlich, dass diese keine Bindungswirkung für die Universitäten entfaltet. Um eine Änderung herbeizuführen, müsste vielmehr der Gesetzgeber tätig werden. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist ebenfalls abzulehnen, weil die Universität Freiburg im Rahmen ihres universitätsinternen Zuständigkeitsbereichs auch in anderen Studiengängen, in denen das Studium mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen wird, keinen akademischen Grad verleiht. Auf einen Vergleich zum Vorgehen anderer Universitäten kommt es nicht an, da Art. 3 GG nur Bindungswirkung für den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Universität entfaltet. Bleibt noch eine mögliche Verletzung von Art. 12 GG bestehen. Auch diese hat das VG jedoch im Ergebnis zutreffend verneint, denn der zusätzliche akademische Hochschulgrad stellt keine rechtliche Berufszugangsvoraussetzung dar. Zwar hat sich das juristische Berufsfeld mit der Zeit geändert. So nehmen nunmehr teilweise Absolventen der Fachhochschulen, die auf bestimmte Bereiche spezialisiert sind, die Aufgaben von Volljuristen wahr. Und in der nationalen und internationalen Gesellschaft und Wirtschaft besteht ein Bedürfnis nach Absolventen mit Schlüsselqualifikationen – dem kann das klassische juristische Studium derzeit nicht gerecht werden. Bedeutung für die Berufszugangssituation hat jedoch nicht die Graduierung, sondern die Qualität und Spezialität der Hochschulausbildung sowie die Note(n). Dem Akademischen Grad kommt bei der Bewerbungssituation für den Arbeitgeber daher keine (wesentliche) Bedeutung zu. Dies gilt für den nationalen und internationalen Arbeitsmarkt. Bestehen, zum Beispiel bei einem ausländischen Arbeitgeber, dennoch Zweifel bei der Beurteilung oder Anerkennung eines Abschlusses, so kann die Universität ein "diploma suplement" oder die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) Bescheinigungen für die berufliche Anerkennung im Ausland ausstellen. Des Weiteren kann eine Prüfung der Vergleichbarkeit von Abschlüssen durch die Verwendung der Datenbank "anabin" der ZAB und der Richtlinien der Kultusministerkonferenz erfolgen.

Die Rechtslage: Unbefriedigend

Unabhängig von alledem, ist die Lage für die Studenten der Universitäten Freiburg und Heidelberg unbefriedigend. Für sie ist naturgemäß schwer nachvollziehbar, warum beinahe alle anderen juristischen Fakultäten einen entsprechend Grad verleihen, nur die eigenen nicht. Da die dortigen Universitäten aber offenbar nicht vorhaben, dem Vorbild der übrigen Hochschulen Folge zu leisten, könnte hier nur eine bundesweit einheitliche Regelung für Abhilfe sorgen. Damit könnten auch Sorgen der Studenten hinsichtlich etwaiger Nachteile am Arbeitsmarkt zerstreut werden. Selbst wenn man den Diplom-Juristen und seine Äquivalente aus Arbeitgebersicht tatsächlich für bedeutungslos hält, so bleibt doch immer noch das Restrisiko, dass sich, bei späterer Ausübung des Anwaltsberufs, juristisch unbewanderte Kundschaft eher zu einem Anbieter hingezogen fühlt, der zusätzlich die (wenn auch letztlich nichtssagende) Bezeichnung "Dipl.- Jurist" führt. Bis zu einer solchen gesetzlichen Regelung bleibt Studenten allerdings nichts anderes übrig, als sich im Vorfeld gründlich zu informieren, wie die eigene Universität es mit der akademischen Auszeichnung nach der Ersten juristischen Prüfung hält – und danach ihre Entscheidung zu treffen. Der Autor Dr. Felix Winkler ist als Rechtsanwalt im Schul-, Hochschul- und Prüfungsrecht tätig. * Anm. d. Red., Änderung am 05.12.2013 um 12:58: Hier war zunächst noch die Universität Potsdam genannt. Diese verlieh zum Zeitpunkt der Klageerhebung (März 2012) ebenfalls keinen akademischen Grad nach dem 1. Staatsexamen, hat inzwischen jedoch den "Diplom-Juristen" eingeführt.

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