Jura studieren ohne Abitur

Durch­starten mit Beruf­s­er­fah­rung

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Schule, Abitur, Studium, Examen: So verläuft für die meisten Jurastudierenden der Weg in die Juristerei. Doch auch ohne Abitur kann man Jurist werden. Sabine Olschner informiert über die Voraussetzungen.

Sascha Matowitsch verließ die Hauptschule mit der mittleren Reife und begann anschließend eine Ausbildung zum Rechtsanwaltsfachangestellten. Fünf Jahre lang arbeitete er in diesem Beruf. "Aber die Aussichten zu einem Aufstieg und zu ordentlichen Verdienstmöglichkeiten waren gering", erinnert sich der heute 32-Jährige. Anfang 2016 erkundigte er sich deshalb nach den Voraussetzungen für ein Jurastudium ohne Abitur, schon im Oktober desselben Jahres startete er sein erstes Semester an der Universität Bielefeld. 

"Es kommt zwar eher selten vor, dass Leute ohne Abitur sich für ein Jurastudium entscheiden, aber machbar ist es auf jeden Fall", berichtet Susanne Heinrich von der Allgemeinen Studienberatung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2021 hatten über 70.000 Studierende – das sind 2,4 Prozent aller Studierenden bundesweit – laut Angaben des Centrums für Hochschulentwicklung kein Abitur. Wie hoch ihr Anteil unter den Jurastudierenden ist, ist nicht separat erfasst.

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Zwei Optionen, beide setzen Berufserfahrung voraus

Möglich wird ein Studium ohne Abitur entweder über den sogenannten fachgebundenen Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte oder über die sogenannte allgemeine Hochschulzugangsberechtigung für Inhaber beruflicher Aufstiegsfortbildungen. 

Für den fachgebundenen Hochschulzugang müssen angehende Jurastudierende eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung sowie mindestens drei Jahre Erfahrung in einem Beruf vorweisen, bei dem ein fachlicher Bezug zwischen der Ausbildung und dem angestrebten Studiengang besteht. "Für ein Jurastudium sind das zum Beispiel die Berufe Rechtsanwaltsfachangestellte, Notarfachangestellte oder Justizfachangestellte", erklärt Heinrich. 

Berufliche Aufstiegsfortbildungen, die für die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung zählen und so zu einem Studium berechtigen, sind vor allem die Weiterbildungen zum Meister, Techniker oder Fachwirt. Der Unterschied zum fachgebundenen Hochschulzugang: Das Berufsfeld spielt in diesem Fall keine Rolle. Jede Weiterbildung zum Meister, Techniker oder IHK-Fachwirt ist in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Brandenburg – der allgemeinen schulischen Hochschulzugangsberechtigung, also dem Abitur, gleichgesetzt. Heinrich gibt dabei nur zu bedenken: "Ein Rechtsfachwirt wird allerdings in der Regel einfacher mit einem Jurastudium zurechtkommen als ein Meister in einem Handwerksberuf."

Manche Bundesländer setzen auch ein Beratungsgespräch voraus

Neben den formalen Voraussetzungen müssen Studieninteressierte in Erlangen vor der Bewerbung auf einen Jurastudienplatz zudem ein Beratungsgespräch mit der Studienberatung führen. Der Beratungsschein ist als Nachweis bei der Bewerbung vorzulegen. "Der Beratungsschein ist mit einem fachgebundenen Hochschulzugang an eine Universität gebunden", erklärt Heinrich. "Bewerber mit einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung können den Beratungsschein auch bei anderen Universitäten einsetzen."

Die Vorgaben unterscheiden sich je nach Bundesland im Detail. So ist das Beratungsgespräch in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz vorgeschrieben, woanders ist es nicht obligatorisch. In manchen Bundesländern wird der fachgebundene Hochschulzugang erst nach einem erfolgreich absolvierten Probestudium bescheinigt. Wiederum andere Bundesländer setzen dem Jurastudium ohne Abitur eine Eignungsprüfung oder Mindestnoten in der Ausbildung voraus. 

Matowitsch hatte dank seiner langjährigen Berufspraxis keine Probleme, einen Studienplatz in den Rechtswissenschaften zu bekommen. Nach dem Beratungsgespräch bei der Studienberatung konnte er sich direkt einschreiben. "Viel Zeit habe ich allerdings nicht an der Uni verbracht", berichtet Matowitsch. "Ich habe mir den Lernstoff weitgehend im Selbststudium angeeignet." Mit zwei Kindern und seiner Nebentätigkeit in einer Kanzlei blieb wenig Gelegenheit für das typische Studentenleben. "Das habe ich aber auch nicht vermisst", sagt der angehende Jurist, der mit seinen 24 Jahren zu Studienbeginn ohnehin um Einiges älter war als die meisten seiner Mitstudierenden.

"Motivationsvorteil für Berufserfahrene"

Welche Unterschiede gibt es sonst noch zwischen Studierenden, die frisch von der Schule kommen, und denen mit mehrjähriger Berufserfahrung? Christiane Fischer von der Studienfachberatung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat zwar persönlich noch keine Jurastudierenden ohne Abitur kennengelernt, ist sich aber sicher, "dass ihre Motivation hoch ist, weil sie genau wissen, mit welcher Materie sie sich im Studium beschäftigen werden und was sie später beruflich machen wollen". Menschen mit Berufserfahrung hätten zudem schon Selbstorganisation und Zeitmanagement gelernt, was für das Jurastudium unerlässlich ist

Fischer nennt ein weiteres Plus: "Sie bringen aufgrund ihres Berufes bereits Erfahrung mit juristischen Themen mit – etwas, was die meisten jungen Studierenden erst noch lernen müssen." Auch mit juristischen Fachtermini sind sie besser vertraut. Matowitsch konnte auf jeden Fall in vielen Bereichen des Studiums von seinen Vorkenntnissen profitieren. Dafür müssen sich Kandidatinnen und Kandidaten, die wie Matowitsch den Weg ins Jurastudium über den Berufsabschluss gehen, nach den vielen Praxisjahren womöglich erst wieder ans Lernen gewöhnen. Außerdem sagt er: "Das wissenschaftliche Arbeiten war neu für mich."

Die Dozierenden am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bielefeld wussten übrigens lange Zeit nicht, dass Matowitsch ohne Abitur studierte. "Erst als ich für einen Verbesserungsversuch im ersten Examen meinen Lebenslauf eingereicht habe, wurde ein Professor darauf aufmerksam", erzählt er. "Er und auch zwei Kommilitonen, denen ich es irgendwann erzählt hatte, hatten aber keinerlei Vorbehalte, sondern waren positiv überrascht." Aktuell befindet sich der Jura-Absolvent im Referendariat und promoviert an der Uni Bielefeld. Er plant, später als Rechtsanwalt oder als Richter zu arbeiten, wenn die Noten so gut bleiben wie bisher. "Ich habe meine Entscheidung auf keinen Fall bereut", fasst Matowitsch zusammen. "Ich wusste durch meine Ausbildung, worauf ich mich einlasse, und hatte ein klares Ziel vor Augen." Das hat er so manchen Studienanfängerinnen und -anfängern mit Sicherheit voraus.

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