Refugee Law Clinics helfen Geflüchteten bei rechtlichen Belangen. Foto: picture alliance/dpa | Michael Matthey
"Praxiserfahrung für berufliche Zukunft wertvoller als ein Prädikat"
"Mein Mandant war so dankbar, dass ich ihm geholfen habe, ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu bekommen", erinnert sich Nils Wolters. "Wenn man einmal hautnah erlebt hat, in welch schwieriger Lage sich viele Geflüchtete befinden, ist es schwer, sich nicht mehr zu engagieren." Der 27-Jährige arbeitete bereits im Jurastudium für die Refugee Law Clinic Cologne e. V. (RLCC), einen studentischen Verein an der Universität zu Köln, der für Geflüchtete kostenfreie Rechtsberatung anbietet. Seit Studienende 2024 ist er der 1. Vorsitzende des Vereins und überbrückt damit die Zeit bis zum Referendariat. Mit der ehrenamtlichen Arbeit hat Nils Wolters nach der Zwischenprüfung begonnen. "Die Beratung von Geflüchteten setzt Einiges an Wissen aus dem Grundstudium voraus, daher war das ein guter Zeitpunkt", erklärt er. Da Migrationsrecht als solches im Studium nicht vorkommt, durchlaufen alle RLCC-Mitglieder, die in der Beratung arbeiten wollen, eine Ausbildung inklusive Abschlussklausur. "Erst durch die ehrenamtliche Arbeit habe ich gemerkt, was Jura in der Praxis wirklich bedeutet und dass mir Rechtsberatung Spaß macht. Ohne den Kontakt zur RLCC hätte ich mein Jurastudium vielleicht abgebrochen", sagt Nils Wolters rückblickend. Dass sein Examen nicht ganz so gut verlief wie erwartet, nimmt er gelassen hin: "Die Praxiserfahrung aus der ehrenamtlichen Tätigkeit ist langfristig für die berufliche Zukunft wertvoller als ein Prädikat im ersten Examen", ist er überzeugt.
"Das Ehrenamt hat meinem Studium nicht geschadet"
Auch Nadine Hirth schätzt am Ehrenamt den hohen Praxisbezug, der im Jurastudium in der Regel zu kurz kommt. Die 23-Jährige engagiert sich bereits seit Ende des ersten Semesters bei der European Law Students’ Association ELSA, einer internationalen Organisation von Jurastudierenden für Jurastudierende. Aktuell pausiert die Kieler Studentin zwei Studiensemester, um als Präsidentin des Bundesvorstands von ELSA Deutschland in Heidelberg zu arbeiten. "Ich habe im Studium Mootcourts, Studienfahrten und Veranstaltungen mit juristischem Bezug organisiert, moderiert und dafür Marketing gemacht", berichtet die Jurastudentin. "Dabei habe ich gelernt, im Team zu arbeiten und Aufgaben zu delegieren." Im Bundesvorstand kommen nun Führungsaufgaben sowie Krisen- und Stressmanagement hinzu. "Das Ehrenamt hat meinem Studium nicht geschadet", betont Nadine Hirth. "Ganz im Gegenteil: Ich habe mich auch mal mit anderen Themen beschäftigt, was für mich ein guter Ausgleich zum Studium und dem vielen Lernen war." Darüber hinaus freut es die Studentin, dass sie während ihrer ehrenamtlichen Arbeit viele Gleichgesinnte trifft und sich ein großes Netzwerk aufbaut: mit Professoren, Kanzleien und anderen Studierenden, von denen viele in der Zwischenzeit zu Freunden geworden sind. Gerade zu Studienbeginn, der bei Nadine Hirth mitten in die Corona-Pandemie gefallen ist, bot das Ehrenamt ihr Gelegenheit, trotzdem Leute an der Universität kennenzulernen.
"Das Ehrenamt zählt für mich auch zur Lernzeit"
Das Netzwerk, das er bei seiner ehrenamtlichen Arbeit für die Climate Clinic, einer studentischen Rechtsberatung für Klimarecht, aufgebaut hat, möchte auch Felix Mühlmann nicht missen. Seit zwei Jahren klärt der Berliner Jurastudent im Rahmen der Climate Clinic Kinder und Jugendliche über das Klimarecht auf. Er hält Vorträge und organisiert Veranstaltungen, oft auch zusammen mit Umweltorganisationen oder Vereinigungen wie Lawyers for Future. Hinzu kommen Kurzgutachten zu Fragen rund um das Thema Klimarecht. "Durch das Ehrenamt habe ich den Gutachtenstil, der ja für unser Studium sehr wichtig ist, erst so richtig verstanden", erzählt Felix Mühlmann. Erfahrene Studierende, mit denen er zusammenarbeitet, haben ihm hilfreiches Feedback auf seine Gutachten gegeben. "Es herrscht bei uns eine sehr unterstützende Atmosphäre, was als Ausgleich zum recht kompetitiven Jurastudium sehr angenehm ist", sagt der 20-Jährige. Seine Motivation für das Ehrenamt: "Ich sitze nicht gern zehn Stunden am Stück in der Bibliothek und brauchte einen Ausgleich. Das Ehrenamt zählt für mich auch zur Lernzeit, weil ich inhaltlich viel mitnehmen kann." Außerdem erhöht die Arbeit für die Climate Clinic seine Freude am Studium: "Ich lerne viele verschiedene Menschen kennen, die mir von ihren Berufswegen erzählen. Das hilft mir dabei herauszufinden, was ich später mal machen will."
"Ein Ehrenamt bereitet einen auf das Leben vor"
Die Aufgaben bei der Climate Clinic sind meist projektbasiert, was Felix Mühlmann entgegenkommt: "Als Jurastudent hat man ja immer das Gefühl, niemals fertig zu sein mit dem Lernen, es gibt immer was zu tun. Daher ist es schön, im Ehrenamt mal ein Projekt abzuschließen und ein Erfolgserlebnis zu haben." Wie viel Zeit er für sein Engagement aufbringt, ist ihm selbst überlassen: Am Semesteranfang ist es oft mehr, zu Prüfungszeiten dann weniger. Im Schnitt sind es bei ihm rund vier Stunden pro Woche. "Das Studium steht auf jeden Fall weiter im Vordergrund", betont der Berliner Student. Auch Nadine Hirth konnte die ehrenamtliche Arbeit immer gut ins Studium integrieren: Das ELSA-Büro der Kieler Universität befindet sich im juristischen Seminar, so dass sie zwischen zwei Vorlesungen immer mal vorbeischauen konnte. Fünf bis acht Stunden pro Woche, schätzt Nadine Hirth, hat sie für ihr Ehrenamt aufgewandt, bevor sie Vollzeit als Präsidentin des Bundesvorstands von ELSA Deutschland einstieg. Bei Nils Wolters waren es auch mal bis zu 20 Stunden, da er mehrere Mandate gleichzeitig betreut hat und es oft bei mehr als einem zugleich Handlungsbedarf gab. "Selbst kurz vor den Examensklausuren musste ich mal einspringen – ich konnte den Mandanten in seiner Notsituation doch nicht hängenlassen." Zeitmanagement sei auf jeden Fall etwas, das er im Ehrenamt gelernt hat, sagt Nils Wolters. Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, eine Erweiterung des Horizonts und Orientierung auf dem Weg ins Berufsleben sind weitere Vorteile, die das Engagement für andere mit sich bringt, sind sich die Studierenden einig. "Ein Ehrenamt bereitet einen auf das Leben vor", fasst Nadine Hirth zusammen.
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