Umfrage zu psychischem Druck im Jurastudium

Wenn andere gute Noten haben, können sich viele nicht freuen

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Die Bundesfachschaft hat angehende Juristen gefragt, wie viel psychischen Druck sie im Jurastudium spüren. Die wenig überraschende Antwort: ziemlich viel. Grund dafür sind aber nicht nur die Klausuren, sondern auch die Kommilitonen.

Es ist das zweite Mal, dass der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF) Jurastudierende zu diesem Thema befragt hat: Von September 2020 bis März 2021 schilderten 1.178 Umfrageteilnehmerinnen und –teilnehmer, was sie während des Jurastudiums belastet und was ihnen sogar Angst macht.

Die Ergebnisse der laut BRF repräsentativen Studie, die LTO exklusiv vorab vorliegen, decken sich im Wesentlichen mit denen aus der ersten Umfrage: Der Druck im Jurastudium ist enorm. Die zweite Auflage der Umfrage nutzte der BRF aber auch, um detailliertere Fragen zu stellen, insbesondere zu den Ursachen für die psychische Belastung. Danach spielen nicht nur die Prüfungen und Versagensangst eine große Rolle, sondern auch die Mitstudierenden, wie die aktuellen Ergebnisse zeigen.

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Stress als Dauerfaktor – und nur wenig bekannte Gegenmaßnahmen

Gefragt, ob sie das Jurastudium mit Blick auf den psychischen Druck und die mentale Belastung im Studium weiterempfehlen würden, verneinten satte zwei Drittel der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer dies. Über 20 Prozent von ihnen gaben sogar an, dass sie das Studium auf keinen Fall weiterempfehlen würden.

Der permanente Stress ist einer der Hauptgründe dafür: 31 Prozent der Befragten gaben an, dass sie kaum Zeit zum Entspannen finden, acht Prozent sagen sogar, dass dafür nie Zeit bleibt. Das ist laut BRF-Ergebnissen unter anderem damit zu erklären, dass sich nur knapp ein Viertel der Befragten aktiv mit dem Thema Stressausgleich beschäftigt hat.

Auch universitäre Angebote rund um psychische Gesundheit und Stressmanagement sind demnach nicht einmal der Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekannt. Dabei würden sich zwei Drittel der Studierenden mehr Angebote rund ums Stressmanagement und mehr Informationen zu entsprechenden universitären Angeboten wünschen.

Wenn andere gute Noten haben, freut sich längst nicht jeder

Auch die Ellenbogenmentalität des Jurastudiums und der herrschende Konkurrenzdruck werden in der zweiten Auflage der Umfrage angesprochen: Knapp über die Hälfte der Befragten fühlt sich von ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen unter Druck gesetzt, ebenfalls knapp mehr als die Hälfte kann sich für ihre Mitstudierenden nicht freuen, wenn die in einer Prüfung eine gute Noten erhalten haben – und das, obwohl sich mit 77 Prozent der Befragten das Gros sogar sehr für die Noten seiner Mitstudierenden interessiert. 36 Prozent fühlen sich sogar schlecht, wenn sie an die ihnen bekannten Noten ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen denken.

Prüfungen sind insgesamt ein Stressfaktor: Bereits im Vorfeld von Klausuren – und zwar nicht nur denen fürs Examen – fühlt sich die überwiegende Mehrheit (knapp 70 Prozent) "schlecht" oder "sehr schlecht". Weniger als zehn Prozent der Befragten gaben dagegen an, sich mit Blick auf die Klausuren gut zu fühlen. Ein schlechtes Gefühl stellt sich dabei nicht nur am Prüfungstag ein: Über zwei Drittel stehen während der Zeit vor den Klausuren unter "hohem" oder "sehr hohem Druck", wie die Umfrage zeigt

Wer durchgefallen ist, wird mutlos

Ist eine Prüfung nicht bestanden, haben 72 Prozent der Befragten Angst davor, auch beim nächsten Mal nicht zu bestehen. Fast die Hälfte zweifelt in diesem Fall an, ob das Jurastudium überhaupt das richtige für sie ist.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kritisieren zudem fehlende Transparenz bei der Notenvergabe: Nur vier Prozent von ihnen halten die Notenvergabe ihrer Prüfungen für "eher nachvollziehbar", 37 Prozent dagegen für "eher nicht nachvollziehbar". In diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig: Die Korrekturen halten nur 29 Prozent der Befragten für "sehr hilfreich" (sechs Prozent) bzw. "eher hilfreich" (23 Prozent) für ihren weiteren Lernprozess.

Studium unter Pandemiebedingungen fällt nicht so sehr ins Gewicht

Der BRF hat in der Umfrage auch die Erfahrungen der Jurastudierenden mit dem Studium unter Pandemiebedingungen abgefragt. Den Ergebnissen zufolge haben sich die Sorgen und der Druck, der aufgrund des Studiums auf den Studierenden lastet, durch die Corona-Pandemie nicht noch weiter verstärkt. Allerdings sind ein Viertel der Befragten besorgt, dass sich ihr Studium ungewollt verlängern wird oder sie in Prüfungen schlechter abschneiden werden.

Das BRF-Fazit: "Wir wünschen uns, dass das Thema psychischer Druck im Jurastudium endlich von den Universitäten in Angriff genommen wird. Die einhergehende psychische Belastung kann nicht mehr verneint werden, trotzdem wird das Thema in der Lehre totgeschwiegen und findet selbst auf ministerialer Ebene keine Erwähnung", so Kira Kock, die Vorsitzende des BRF.

"Mit expliziten Angeboten der Fakultäten zum Umgang mit dem psychischen Druck im Jurastudium könnte man dem aktuellen Trend entgegensteuern. Außerdem ist es an der Zeit, dass etablierte Jurist:innen die Realität des Studiums und den Druck im Studium anerkennen", ergänzt Antonia Baumeister, stellvertretende Vorsitzende und Vorständin für Öffentlichkeitsarbeit. Weiter sagt sie: "Immerhin: Die Erkenntnis, dass man mit seinen Versagensängsten nicht allein ist, ist für viele ein großer Trost."

Der BFR will die vollständigen Umfrageergebnisse in den kommenden Tagen auf seiner Homepage öffentlich machen.

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