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Ein Computerprogramm gegen die Notenungerechtigkeit
Kaum etwas killt die Motivation so sehr wie die Notenungerechtigkeit. Jeder, der Jura macht oder gemacht hat, kennt diese Momente: Man gibt eine Hausarbeit mit gutem Gefühl ab und fällt unerwartet durch. Ein anderes Mal hat man eine wesentlich schlechtere Note als der Kommilitone, obwohl der einen sehr ähnlichen Lösungsweg eingeschlagen hat.
Egal ob Hausarbeit oder Klausur: Die Notengebung im Jurastudium ist nicht immer objektiv. Felix Kaiser möchte daran etwas ändern. Er ist Jurastudent im achten Semester und Fachschaftsvorsitzender in Bayreuth. In zehn Monaten hat er ein Computerprogramm entwickelt, das Ungerechtigkeiten bei der Bewertung von Hausarbeiten aufdeckt – bevor diese an die Studierenden herausgegeben werden.
Im Sommersemester 2025 lief das Pilotprojekt. In der großen Übung im Zivilrecht filterte seine Software aus 107 abgegebenen Hausarbeiten elf heraus, weil deren Bewertungen signifikant herausstachen. Es kam zur Überprüfung, von der gleich drei Kandidaten profitierten: "Zwei Prüflinge haben sich von jeweils zwei auf vier beziehungsweise fünf Punkte verbessert, einer sogar von vier auf neun Punkte", freut sich Kaiser im Gespräch mit LTO.
Software verteilt Hausarbeiten und prüft Abweichungen
Sein Computerprogramm funktioniert nach dem sogenannten Clustering. Das ist eine Methode im Data Mining, bei der alle Datensätze, die sich irgendwie ähneln, gemeinsam in ein Cluster (Bündel) sortiert werden. Ob und wie sehr sich eine oder mehrere Hausarbeiten ähneln, prüft das Skript, das Kaiser in der Programmiersprache Python geschrieben hat.
Sobald die eingereichten Hausarbeiten in ihre Cluster eingeteilt sind, passieren zwei Dinge.
Erstens: Die Software teilt die Hausarbeiten aus den Clustern den Korrektoren zu. Sie bestimmt ganz konkret, wer von den (im Testlauf waren es sieben) Korrektoren welche Hausarbeit zur Bewertung auf seinen Stapel bekommt. Die Idee dahinter: Wenn jeder Korrektor Hausarbeiten aus verschiedenen Clustern auf den Tisch bekommt, steigt laut Kaiser die Chance, "dass jeder Korrektor die volle Bandbreite aus dem Leistungsspektrum zu sehen kriegt." Das verhindere zum Beispiel, dass eine eher schwache Hausarbeit besonders negativ bewertet wird, nur weil sie zufällig in einen Korrekturstapel mit besonders vielen guten Hausarbeiten gerutscht ist.
Zweitens: Nach der Korrektur vergleicht das Programm, ob es signifikante Bewertungsunterschiede bei Hausarbeiten gibt, die sich ähneln. Hat die Software eine Auffälligkeit entdeckt, prüfen Lehrstuhlmitarbeiter noch einmal nach. In der großen Übung in Bayreuth war das bei elf von den 107 Hausarbeiten der Fall.
"Es geht nicht um Misstrauen den Korrektoren gegenüber"
Kaiser ist wichtig, eine Sache ganz deutlich zu betonen: "Es geht nicht um Misstrauen den Korrektoren gegenüber." Ganz im Gegenteil: Die Arbeit als Korrektor sei extrem wichtig. "Hier in Bayreuth machen die Korrektoren einen tollen Job", ist Kaiser überzeugt. Sein Programm solle vielmehr als Unterstützung dienen, um für mehr Notengerechtigkeit zu sorgen.
Dabei kann er auf den Rückhalt der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zählen: "Unser Studiendekan Professor Krönke war von Anfang an von der Idee überzeugt. Vielleicht können wir in Zukunft Fördertöpfe anzapfen, um das Programm breiter auszurollen."
Stattgefunden hat das Pilotprojekt am Lehrstuhl von Juniorprofessorin Veronica Hoch-Loy, die bei der Überprüfung der elf aussortierten Hausarbeiten sogar selbst mit angepackt hat, um den Testlauf zu evaluieren.
Auch andere Universitäten sollen profitieren
Das Programmieren beigebracht hat sich Kaiser übrigens selbst, nämlich per Eigenstudium und mittels dem DigiZ-Zusatzkurs für technikinteressierte Jurastudierende, den die Uni Bayreuth seit 2019 anbietet. LTO berichtete.
Seine Vision: "Sehr schön wäre es, wenn an der finalen Version auch andere Universitäten Interesse hätten, um so auch insgesamt einen Beitrag zu mehr Notengerechtigkeit im Jurastudium leisten zu können." Konkret meint er, dass es in einem nächsten Schritt eine intuitive Benutzeroberfläche zu entwickeln gilt, damit auch Anwender ohne Programmierkenntnisse das Python-Skript nutzen können. "Bisher muss ich bei manchen Schritten noch manuell nachhelfen, etwa in Einzelfällen die Gutachten in den Hausarbeiten von Anhängen, Deckblättern und Inhaltsverzeichnissen trennen, damit das Clustering nicht verfälscht wird." Das soll auf absehbare Zeit alles automatisch passieren.
Das heißt aber nicht, dass Kaisers Programm bis dahin verstaubt. Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt soll der Einsatz der Software jedenfalls in Bayreuth weiter etabliert werden. Andere juristische Lehrstühle an der Fakultät haben bereits Interesse bekundet.
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