VGH bestätigt Verbot

Kopf­tuch sät Zweifel an Neu­tra­lität der Justiz

Lesedauer: 3 Minuten
Eine Rechtsreferendarin darf keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen wird. Dies hat der Hessische VGH entschieden und eine Entscheidung des VG aufgehoben.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat entschieden, dass eine Rechtsreferendarin islamischen Glaubens, die während ihrer Ausbildung ein Kopftuch tragen wollte, keine anfallenden Tätigkeiten ausüben darf, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden könnte (Beschl. v. 24.05.2017, Az. 1 B 1056/17). Damit hat das Gericht der Beschwerde des Landes Hessen gegen einen Beschluss des Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt stattgegeben, durch den die Referendarin mit ihrem entsprechenden Eilantrag noch gegen das Land obsiegte. Die Frau trat im Januar 2017 den juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht (LG) Frankfurt an. Dabei trug sie ein Kopftuch, das ihre Haare und den Hals bedeckt. Schon vor Aufnahme des Referendardienstes wurde sie vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt mit einem "Hinweisblatt" über die Konsequenzen aufgeklärt, die das Tragen eines Kopftuch mit sich bringe. Unter anderem dürfe sie danach bei Verhandlungen im Gerichtssaal nicht auf der Richterbank sitzen, sondern müsse die Sitzung vom Zuschauerraum aus verfolgen. Zudem dürfe sie keine Sitzungsleitung oder Beweisaufnahmen durchführen, keine Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft übernehmen und könne während der Verwaltungsstation keine Anhörungsausschusssitzungen leiten.

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VG: Keine gesetzliche Grundlage für Verbot

Die Frau sah sich dadurch eingeschränkt und diskriminiert. Das Tragen des Kopftuches stelle für sie ein religiöses Gebot dar und die Nichtbeachtung dieses Gebots stürze sie in einen schwerwiegenden Gewissenskonflikt. Zudem werde sie durch den Hinweis gegenüber anderen Rechtsreferendarinnen benachteiligt. Das VG entschied im April, dass es für die der Referendarin auferlegten Einschränkungen keine gesetzliche Grundlage gebe. Der VGH sah das nun anders, eine hinreichende gesetzliche Grundlage sei für die Anordnung eines solchen Kopftuchverbots sehr wohl gegeben: Der Landesgesetzgeber sei unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ermächtigt, Regelungen zur Sicherung der staatlichen Neutralität zu schaffen. Die Ausübung des Vorbereitungsdienstes mit der Übernahme staatlicher Funktionen und der Repräsentation nach außen mit religiös konnotierter Bekleidung verstoße dabei gegen das Neutralitätsgebot in der Justiz. So könnten sich insbesondere Verfahrensbeteiligte durch eine Referendarin, die die staatliche Autorität repräsentiert und zugleich ein solches Kopftuch trage, beeinträchtigt fühlen oder aber Zweifel an der Neutralität dieser Person und damit eventuell auch an der Justiz haben.

Neutralitätsgebot im Kernbereich betroffen

Es sei auch kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher Neutralität durch ihre Repräsentanten so bedeutsam sei wie vor Gericht, wo die Verfahrensbeteiligten eine in jeder Hinsicht unabhängige Entscheidung frei von weltanschaulichen, politischen oder religiösen Grundeinstellungen erwarteten, führt der VGH an. Würden durch das Erscheinungsbild der Repräsentanten der Rechtsprechungsgewalt Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz begründet, sei das staatliche Neutralitätsgebot in seinem Kernbereich betroffen. Dort, wo Rechtsreferendare nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Repräsentanten der Justiz wahrgenommen würden, sei die hierdurch begründete abstrakte Gefahr für eine Beschädigung des Vertrauens bei den Verfahrensbeteiligten in die Neutralität des Gerichts und Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung ausreichend, um das Tragen religiöser Kleidungsstücke in diesen Situationen zu untersagen. acr/LTO-Redaktion

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