Bis zu 1.000 Euro Nachzahlung?

"Referendare, holt euch, was euch zusteht"

von Markus SehlLesedauer: 4 Minuten
Am Ende sind es keine zehn Zeilen, die Lucas Brost in den Händen hält. Doch das knappe Schreiben seiner Krankenversicherung ist wohl bisher einmalig und macht den ehemaligen Referendar auf einen Schlag um 1.000 Euro reicher. Das Beste daran: Schon bald könnten viele Juristen nach dem Referendariat in den Genuss dieser unverhofften Auszahlung kommen.

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Im Oktober 2013 berichtete LTO über Nils Neumann, der gegen seine Krankenversicherung vor dem Sozialgericht Berlin klagt. Er hatte wie viele Referendare während der Anwalts- oder Wahlstation von seinen Ausbildern eine zusätzliche Vergütung erhalten. Bei großen Kanzleien kommen während einer Station so schnell bis zu 10.000 Euro zusammen. Gestritten wird nun darüber, ob hierfür Beiträge in den Topf der Rentenversicherung fließen müssen. Die monatliche Unterhaltsbeihilfe für Referendare ist nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) VI grundsätzlich nicht rentenversicherungspflichtig. Viele Kanzleien sehen ihre Referendare aber als normale Arbeitnehmer an und führen für die zusätzliche Vergütung Sozialabgaben ab, darunter auch ca. zehn Prozent Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung. Neumann argumentiert dagegen, dass er trotz zusätzlicher Vergütung in der Kanzlei nicht angestellt gewesen sei, sondern sich während der Station in der Ausbildung befunden habe. Die Versicherung müsse ihm deshalb die zu Unrecht abgeführten Beiträge zurückzahlen. Lucas Brost machte die Probe aufs Exempel. Nachdem seine Krankenversicherung Securvita eine Rückzahlung zunächst abgelehnt hatte, ließ er nicht locker und legte Widerspruch ein. "Dabei sollte man sich schon Mühe geben, aber der Zeitaufwand ist überschaubar", meint der Ex-Referendar. "Länger als einen Vormittag hat das nicht gedauert. Auch das Kostenrisiko ist begrenzt, wenn es dann doch zu einem Verfahren kommt." Nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fallen in Verfahren vor den Sozialgerichten für die Versicherten zumindest keine Gerichtskosten an. "Also Referendare, holt euch, was euch zusteht."

Kanzleireferendariat – harte Ausbildung oder harte Arbeit?

Lucas Brost"Die Arbeit während der Anwaltsstation findet komplett im Rahmen der Ausbildung statt", begründete Brost seinen Widerspruch. Von einer sonstigen Arbeitnehmertätigkeit, die rentenversicherungspflichtig wäre, könne also keine Rede sein. Ganz im Gegenteil habe sich die Arbeit in der Anwaltsstation immer am Ausbildungsprogramm zu orientieren. Klausuren oder AG-Termine gingen stets vor. Auch die Zuordnung zu einem Ausbilder in der Kanzlei, der die Arbeit des Referendars korrigiere und schließlich auch mit einem Zeugnis bewerte, mache deutlich, dass es sich um eine Ausbildung handle. Die Arbeit in der Kanzlei sei eben nicht vergleichbar mit einem rentenversicherungspflichtigen Nebenjob in der Gastronomie. "Genauso wäre es, wenn Referendare die Autos der Partner putzen müssten", meint Neumann. "Das hätte dann offensichtlich nichts mit der Ausbildung zu tun." Auch Urlaub und Krankheit meldeten Referendare direkt an das ausbildende Gericht und nicht an die Kanzlei. Das spreche eindeutig gegen ein Arbeitsverhältnis. Aber warum spielen die Kanzleien weiter mit und führen die Abgaben ab? Schließlich könnten sie ihren eigenen Arbeitgeberanteil von knapp zehn Prozent ebenfalls sparen. Neumann vermutet, dass sie nicht das Risiko tragen wollen, letztendlich selbst auf der vollen Beitragspflicht sitzen zu bleiben – sollte doch einmal ein Gericht die Versicherungspflicht feststellen. Der Arbeitnehmeranteil könne nämlich nur direkt vom Lohn abgezogen werden, und das nur bis zu drei Monate in die Vergangenheit nachgeholt werden. Bei Referendaren, die schon Monate oder Jahre ihre Station abgeschlossen haben, wäre dann nichts mehr zu holen. Wer seine abgeführten Beiträge zurückverlangen möchte, muss sich an seine Krankenversicherung wenden. Diese zieht die Beiträge nämlich für die Träger der Rentenversicherung ein (§ 28h Abs. 1 SGB IV). Mit seinem Erfolg ist Brost bislang alleine. Die Rechtsabteilung der Securvita wollte sich auf Nachfrage von LTO nicht weiter zu dem Fall äußern. "Zwei Referendare haben mir geschrieben, dass sie Zahlungen von anderen Kassen erhalten, aber keine Bescheide bekommen haben", erzählt Neumann. "Die Versicherungen wollen hier wohl keine Rechtspflicht zu erkennen geben." Das könnte sich bald ändern. Neumanns Verfahren vor dem SG Berlin steht kurz vor der mündlichen Verhandlung.

Rückenwind vom BSG?

Gleichzeitig ist beim Bundessozialgericht (BSG) ein Verfahren zu der Frage anhängig, ob die Bundesländer als Ausbildungsträger für ihre Referendare auch Sozialversicherungsbeiträge auf die zusätzlichen Vergütungen in Anwalts- bzw. Wahlstation zahlen müssen (Az. B 12 R 1/13 R). Dabei müssten die Kasseler Richter auch darüber entscheiden, ob sich Referendare in diesen Stationen in einer Ausbildung oder einem Arbeitsverhältnis befinden. Einige Ausbildungsbezirke wie Hamburg oder Stuttgart reagieren auf die ungeklärte Situation, indem sie versuchen, eine versicherungsfreie Zusatzvergütung auszuschließen. Eine andere Lösung sieht Neumann in einer klaren Begrenzung der Arbeitstage in Kanzleien. "Vorstellbar sind zum Beispiel zwei Ausbildungstage die Woche. Alles was darüber hinausgeht, muss die Kanzlei als sonstige Arbeitsleistung mit den Referendaren vereinbaren und entsprechend sozialversichern." Eine weitere gute Nachricht nicht nur für die derzeit über 15.000 Referendare in Deutschland: Nach § 27 Abs. 2 SGB IV bleiben ehemaligen Referendaren für die Rückforderung bis zu vier Jahre Zeit. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge abgeführt wurden.

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