Zugang zum Richteramt

Ver­gabe von Rich­t­er­s­tellen reform­be­dürftig

von Florian AlbrechtLesedauer: 4 Minuten
Die Vergabe von Richterstellen muss sich am Leistungsprinzip orientieren. Die aktuelle Praxis jedoch verletzt Bewerber in ihrem Anspruch auf Zugang zum richterlichen Dienst, meint Florian Albrecht.

Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) legt fest, dass jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amte gewährt werden muss. Das gilt auch für den Dienst als Richter. Was unter den genannten Auswahlkriterien zu verstehen ist, wird bspw. mit den die ständige Rechtsprechung abbildenden Regelungen des § 2 Abs. 2 bis Abs. 4 Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten (BLV) erläutert. So gehören zur Eignung etwa charakterliche Eigenschaften, zur Befähigung Fähigkeiten und Kenntnisse und zur fachlichen Leistung die Qualität und Quantität der bisherigen Arbeitsergebnisse. Das im Grundgesetz angelegte Leistungsprinzip soll insbesondere verhindern, dass öffentliche Stellen nach partei- oder verbandspolitischen Gesichtspunkten vergeben werden können. Eine sog. Ämterpatronage ist allerdings auch dann anzutreffen, wenn – so heißt es in der Kommentarliteratur - "Vertrauensleute der Regierung" systematisch bevorzugt werden, indem Richterstellen ausschließlich behördenintern vergeben werden, wie dies mitunter bei der Vergabe von Stellen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit praktiziert wird. So stellt das Land Bayern für die Verwaltung ein – eine gesonderte Bewerbung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nicht vorgesehen. Eine solche Praxis lässt erahnen, dass mittels langjähriger Sozialisation in der Verwaltung eine dem Staat geneigte Verwaltungsjudikatur befördert werden soll.

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Bestenauslese funktioniert so nicht

Verfassungswidrig ist es zudem, wenn von den drei in Art. 33 Abs. 2 GG gleichrangig nebeneinander stehenden Eignungskriterien nur eines als Auswahlkriterium für den Zugang zum Richterdienst herangezogen wird. Damit wird bspw. die Einstellung von Richtern unter alleiniger Berücksichtigung des Ergebnisses des Zweiten Staatexamens dem Erfordernis einer breit angelegten Bestenauslese nicht gerecht. Erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel zieht zudem auch die im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Staatministerium der Justiz anzutreffende Praxis bei der Vergabe von Richterstellen nach sich, wonach eine Bewerbung für den richterlichen Dienst grundsätzlich nicht mehr angenommen wird, wenn zum Zeitpunkt des Bewerbungseingangs der Tag der mündlichen Prüfung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung länger als drei Jahre zurückliegt. Gerade mit der Berücksichtigung von Bewerbungen berufserfahrener Juristen lässt sich die von § 33 Abs. 2 GG geforderte Bestenauslese in der Justiz gewährleisten.

Ausschreibung von Beförderungsämtern

Überdies ist zu beachten, dass sich der Anspruch der Stellenbewerber nicht nur auf das richterliche Eingangsamt, sondern auch auf die Beförderungsämter erstreckt. Dem Grundgesetz lässt sich zwar kein Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst, sondern vielmehr nur der sog. Bewerbungsverfahrensanspruch entnehmen, der sich auf die Einbeziehung in den Kreis der Bewerber sowie eine fehlerfreie Bewerberauswahl bezieht. Der Einbeziehung geht allerdings ein Bewerbungsanspruch voraus, der besagt, dass man durch eine heimliche Stellenbesetzung nicht von der Möglichkeit einer Bewerbung ausgeschlossen werden darf. Grundsätzlich anerkannt ist, dass daher Richterstellen im Eingangsamt öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Insoweit dürfte es den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch genügen, dass man sich bundesweit nicht für eine konkrete Stelle an einem konkreten Gericht, sondern nur für den richterlichen Dienst im Allgemeinen bewerben kann. Auch so dürfte es nämlich möglich sein, das ganze Feld der möglicherweise in Betracht kommenden Bewerber für den Richterberuf zu erfassen.

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2/2: Praxis wohl nicht verfassungskonform

Allerdings kann der Bewerbungsanspruch ebenfalls zur Folge haben, dass neben den Eingangsstellen auch die Beförderungsstellen im richterlichen Dienst öffentlich ausgeschrieben werden müssen (gegen eine allgemeine Ausschreibungspflicht BVerwG, Beschl. v. 13.10.1978, Az. 6 P 6/78). Ein Absehen von einer öffentlichen Ausschreibung ist nämlich nur dann zulässig, wenn aufgrund der Eigenart der Beförderungsstelle davon ausgegangen werden kann, dass nur eine behördeninterne Stellenbesetzung in Betracht kommt, bspw. weil es externen Bewerbern an der erforderlichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung mangelt. Hinsichtlich der Beförderungsstellen der Richter bringt § 10 Abs. 2 DRiG zum Ausdruck, dass u.a. Tätigkeiten im höheren Verwaltungsdienst oder als Rechtsanwalt und Notar dem richterlichen Dienst gleichgestellt werden können. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass der genannte Personenkreis nach der Intention des Gesetzgebers den berufserfahrenen Richtern in der Regel ebenbürtig ist. Demnach ist die bundesweit anzutreffende interne Ausschreibungspraxis für richterliche Beförderungsstellen mit erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln behaftet.

Rechtsschutz wird systematisch behindert

Aus der mittels Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzgarantie ergeben sich i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG die Pflichten des Dienstherrn, die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung über die Vergabe von Richterstellen zu dokumentieren und diese einem unterlegen Bewerber im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen. Unterlegene Stellenbewerber sollen hierdurch in die Lage versetzt werden, den Stellenbesetzungsvorgang zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob sie im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens gegen die beabsichtige Stellenbesetzung vorgehen. Zu einer ordnungsgemäßen Stellenbesetzung gehört auch, dass die nicht zum Zuge gekommenen Bewerber hierüber unter Darlegung der Gründe so rechtzeitig informiert werden, dass sie die für sie relevanten Stellenbesetzungen noch rechtzeitig im Wege des Eilrechtsschutzes verhindern können.
Die Praxis der Vergabe von Richterstellen genügt den Anforderungen an Transparenz und Rechtsschutz überwiegend nicht. Gleichwohl ist es für unterlegene Bewerber ratsam, dies nicht einfach hinzunehmen, sondern anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die zuständigen Ministerien werden aller Voraussicht nach bemüht sein, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, da für sie negative Entscheidungen die seit vielen Jahren praktizierte Vorgehensweise in Frage stellen können. Mit etwas Geschick lässt sich so auch nach einer Ablehnung noch der Zugang zum Richterberuf aushandeln. Der Autor Florian Albrecht M.A. ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl.

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