Themenwoche Jobmarkt Jura

Im Zweifel für den Zweifel

von Markus SehlLesedauer: 4 Minuten
Juristen machen gerne Pläne. Noch nie gab es so viele Karriereführer, Perspektiventage und Uni- und Arbeitgeber-Rankings. Aber wie ist das wirklich, plötzlich auf dem Jobmarkt zu sein? Drei Juristen schauen zurück auf Zufälle, Irrtümer und Rückschläge. Hat das Studium sie darauf vorbereitet? Woran erkennt man seinen Traumjob? Und wann muss man vielleicht noch einmal alles aufs Spiel setzen?

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"So ein Weg ist nicht immer eine bewusste Entscheidung", sagt Nicolas Stötzel. Diese Erkenntnis kam dem Kölner Jurist schon unmittelbar nach dem Studium. Weil er seine Wahlstation unbedingt in China verbringen wollte, tippte der Kölner Jurist bei Google "Referendariat China" ein. Der erste Treffer war das Rechtsreformvorhaben der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die heute Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) heißt. "Ich wusste damals noch gar nicht, was das ist", gibt Stötzel zu. Seine Wahlstation verbringt er dann tatsächlich dort in China.

Anwalt – GIZ – EU-Kommission

Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete er erst als Anwalt in Köln, kehrte dann aber schon bald in die Rechtsabteilung der GIZ nach Eschborn zurück. "Als Anwalt arbeitet man immer für Mandanten. Mal sind das gute Sachen, mal Sachen, hinter denen man nicht steht." Stötzel zweifelte immer mehr daran, ob der Anwaltsjob die richtige Wahl für ihn war. "Ich wollte mich mehr mit einer konstanten Sache identifizieren." Für die GIZ prüfte er unter anderem Projektverträge und beriet Länderbüros in Westafrika bei Rechtstreitigkeiten. Trotzdem ließ ihn eine Idee nicht los: der Sprung nach Brüssel. Wer EU-Beamter werden will, muss ein mehrstufiges Elite-Auswahlverfahren überstehen, den Concours der Europäischen Kommission. Jedes Jahr gibt es dafür nicht weniger als 50.000 Bewerber – am Ende erreichen ein paar Hundert ihr Ziel. Stötzel lernte wieder und meldete sich 2010 zu den Tests an. "Ich wollte es einfach mal probieren." Die Absage kam in der Endrunde. "Das gehört dazu. Man muss auch mal ein Scheitern einstecken." 2013 klappte es dann im zweiten Anlauf. Obwohl er mit seiner Familie in Frankfurt gerade ein Haus gekauft hatte, sind sie Anfang dieses Jahres nach Brüssel gezogen. Zusammen mit 25 Kollegen aus elf verschiedenen Ländern betreut Stötzel jetzt Projektförderungen der EU in Entwicklungsländern. Er rät, immer mit offenen Augen unterwegs zu sein. "Immer schauen, was es sonst noch gibt." Gerade wenn man abseits der klassischen juristischen Berufe wie Anwalt oder Richter arbeiten möchte. Dabei biete vor allem das Referendariat viele Möglichkeiten. "Das Studium selbst hat mich darauf nicht vorbereitet."

LG Bonn – Deutschlandradio – Bayerischer Rundfunk

Für Stefan Frank war die juristische Ausbildung zum Generalisten im Nachhinein eine perfekte Vorbereitung für seine Karriere – auch wenn er zunächst auf den falschen Weg geschickt worden ist. "Schon im Studium hatte ich einen Traumberuf: Richter." Wenn das juristische Studium mich auf etwas vorbereitet, dann wohl auf diesen Job, dachte er. Frank reizte das selbständige Arbeiten und die Verantwortung, Fälle zu entscheiden. Nach Promotion und Examen begann er als Richter auf Probe am Landgericht (LG) Bonn. Schon bald bekam sein Bild vom Richterberuf aber feine Risse. "Die Kehrseite der Selbständigkeit ist das Einzelkämpfertum." Richterarbeit sei keine Teamarbeit. Auch habe der Beruf viel weniger mit Menschen zu tun, als man auf den ersten Blick vielleicht annehme. "Menschen trifft man vor allem in der mündlichen Verhandlung, aber das ist ja keine gewöhnliche soziale Interaktion", so Frank. Schließlich wollten da beide Seiten etwas von einem. Das Bearbeiten von Fällen habe er am Ende auch nur noch als Fließbandarbeit empfunden. "Es geht darum, wie man Akten vom Eingangsstapel auf den Ausgangsstapel umschichten kann." Und so entschloss sich Frank nach gut zwei Jahren, dem Richteramt den Rücken zu kehren. "Das ist natürlich eine harte Entscheidung, so eine Richterstelle wieder aufzugeben." Dann wurde er auf eine Annonce aufmerksam: Die Rechtsabteilung beim Deutschlandradio suchte einen Volljuristen. Den Sender kannte Frank noch aus der Wahlstation im Referendariat und bewarb sich. "Das war ein bisschen wie in einem Gemischtwarenladen." Dort gab es kaum ein Rechtsgebiet, das ihn nicht beschäftigt hätte. Baurecht, Urheberrecht, Arbeitsrecht, Datenschutz. "Hier liegt aber auch der große Vorteil des Studiums, man ist auf vieles vorbereitet und in neue Gebiete steigt man schnell ein." Den Medien ist Frank treu geblieben. Heute arbeitet er in der Rechtsabteilung des Bayerischen Rundfunks.

US-Kanzlei – DAX-Unternehmen

"Im Studium habe ich es bedauert, dass man mit Jura doch im Wesentlichen auf ein Land festgelegt ist", sagt Georg Terhorst. Nach dem Examen ging der Bonner Jurist deshalb erstmal für einen LL.M. in die USA und spezialisierte sich im Kartellrecht. "Das ist eines der internationalsten Rechtsgebiete, das hat mir gefallen." Für fünf Jahre arbeitete er in diesem Bereich für eine amerikanische Kanzlei in Brüssel und beriet Unternehmen auch in Verfahren vor der Europäischen Kommission. Schließlich war er bereits zum Counsel aufgestiegen und auf lange Sicht damit auf dem Weg zum heiß begehrten Partner-Status. Trotzdem beschäftigte ihn immer wieder die Frage: "Wann ist die beste Zeit für den Wechsel?" Für Terhorst war es wichtig, "die Kontrolle über die nächsten Karriereschritte zu behalten." Er wollte nicht darauf hoffen, dass er irgendwann Partner wird – oder eben leer ausgeht. "Man weiß, worauf man sich einlässt." Das sei in diesem Job allen bewusst. Zufällig gerate da niemand hinein. Terhorst wechselte und wurde Inhouse-Jurist im DAX-Unternehmen Linde. Die Entscheidung war vor allem auch eine Entscheidung für seine Familie. "Es ist nicht unbedingt viel weniger Arbeit, aber sie ist planbarer." Berufseinsteigern empfiehlt er, nicht direkt in der Rechtsabteilung eines Unternehmens anzufangen. Dort gebe es wenig Gelegenheit für ein learning on the job. Wichtige Erfahrungen könne man vor allem als junger Anwalt in einer Kanzlei sammeln. Das Studium bereite nur eingeschränkt auf die späteren Herausforderungen vor, findet Terhorst.

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