Jurist und Bundesliga-Schiedsrichter

"Nie­mals Jura am Spieltag"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Robin Braun ist Referendar und Schiri in der Zweiten Fußball-Bundesliga. Er erzählt, wie er beides unter einen Hut bringt – und was er aus seiner Schiedsrichtertätigkeit für seine berufliche Karriere mitnimmt. 

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LTO: Herr Dr. Braun, bald startet die Saison in der Zweiten Bundesliga. Was macht ein Schiedsrichter eigentlich in der Sommerpause? 

Dr. Robin Braun: Nach der Saison muss man sich schon erstmal erholen. Lang ist die Sommerpause allerdings nicht. Wir Schiedsrichter hatten jetzt schon unser Trainingslager und ich habe auch wieder mit meinem Sportprogramm angefangen. Man konzentriert sich also schon früh wieder auf den Saisonstart.   

Wie kann man sich denn ein Trainingslager für Schiris vorstellen? 

Wir bereiten uns dort mit unterschiedlichen Inhalten auf die Saison vor. Es gibt einen sportlichen Teil, das heißt wir trainieren zusammen. Daneben haben wir Videoschulungen und tauschen uns mit (externen) Experten über taktische Dinge, aber auch die Spielregeln aus. Juristisch ausgedrückt geht es um Regelanwendung und -auslegung. 

Sie pfeifen regelmäßig Spiele der Zweiten Bundesliga, in der Ersten Bundesliga sind Sie oft Vierter Offizieller. Im April durften Sie bei der Begegnung 1.FC Köln gegen TSG Hoffenheim spontan als Schiedsrichter einspringen, weil der angesetzte Kollege krank geworden war. Wie war das für Sie? 

Das war schon ein besonderer Tag für mich. Ich wurde aufgrund der Situation ziemlich kurzfristig ins kalte Wasser geschmissen. Aber ich habe das erstmal gar nicht so realisiert, weil ich mich nur auf das Spiel konzentriert habe. Ich war so fokussiert, dass ich das ausblenden konnte. Aber wenn man dann danach das Ganze sacken lassen kann, merkt man schon, was da eigentlich los war. 

Wie fielen die Reaktionen aus? 

Durchweg positiv. Viele Leute haben sich bei mir gemeldet. Frühere Mannschaftskameraden, Freunde, ehemalige Lehrer und Referendarkollegen. Das haben einfach viele mitbekommen und über die Resonanz habe ich mich sehr gefreut. 

"Ich bin fast täglich auf dem Fußballplatz" 

 

Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Schiedsrichter zu werden? 

Ich habe im Jahr 2009, also mit 13 Jahren, die Schiedsrichterausbildung absolviert. Drei Mitspieler aus meinem Fußballverein wollten Schiedsrichter werden und ich habe mich ihnen angeschlossen. Ich wollte das einfach mal ausprobieren – im Nachhinein ein glücklicher Zufall. Mit 14 habe ich dann mein erstes Spiel gepfiffen, meine erste Begegnung in der Zweiten Bundesliga hatte ich 2021, das war Hannover 96 gegen den 1. FC Heidenheim.  

Wie oft in der Woche sieht man Sie auf dem Fußballplatz? 

Fast täglich. Ich spiele zwar nicht mehr aktiv Fußball, trainiere aber auf dem Platz. Als Schiedsrichter bekommt man Trainingsempfehlungen, trainiert dann aber individuell. Manchmal treffen wir uns auch zu mehreren, aber feste Trainingszeiten mit den Kollegen gibt es nicht. Das wäre aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte auch gar nicht möglich. Und ich pfeife durchschnittlich ein Spiel pro Woche. 

Vor kurzem haben Sie die Klausuren im Zweiten Staatsexamen geschrieben. Wie schaffen Sie das alles zeitlich, wenn Sie am Wochenende Spiele in Kiel, Magdeburg oder Nürnberg pfeifen? 

Man muss sich auf jeden Fall gut organisieren. Bei mir funktioniert das aber ganz gut, vor allem jetzt im Referendariat. Natürlich habe ich Arbeitsgemeinschaften, an denen ich teilnehmen muss und Termine mit den Ausbildern. Den größten Teil macht aber immer noch das Selbststudium aus, also lernen und sich auf die Klausuren vorbereiten. Da bin ich dann nicht orts- oder zeitgebunden, sondern sehr flexibel, deshalb konnte ich das bislang immer gut vereinbaren.  

"Nicht im Referendariat das aufgeben, was am meisten Spaß macht" 

Wenn Sie zu einem Spielort hunderte Kilometer angereist sind: Hatten Sie dann die Jura-Karteikarten dabei?  

Meistens habe ich das vermieden. Die oberste Regel für mich war immer: Wenn man beides macht, muss man beides auch professionell betreiben. Heißt: Am Spieltag muss ich mich voll und ganz auf das Spiel vorbereiten und kann nicht lernen. Meistens war die Anreise zum Spiel für mich deshalb ein Cut und ich habe mir gesagt, dass ich Jura jetzt zur Seite lege und mich ausschließlich auf Fußball konzentriere. Wenn ich aber schon donnerstags anreise und das Spiel erst Freitagabend ist, dann kommt es auch vor, dass ich im Zug noch lerne. 

Klingt ziemlich entspannt. Andere Referendare wirken gestresster. 

Das kann gut sein. Das Referendariat ist auf jeden Fall anstrengend und herausfordernd und nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich finde aber, dass man trotzdem noch die Möglichkeit hat, seiner Leidenschaft nachzugehen. Egal ob das Fußball, Handball oder Musik ist. Auch von Gerichtsseite wurden mir keine Steine in den Weg gelegt. Aber natürlich gibt es klare Regeln, an die man sich halten muss. Ich kann aber nur jeden ermutigen, in den zwei Jahren nicht das aufzugeben, was am meisten Spaß macht. 

Wie haben Kanzleien und andere Arbeitgeber im Referendariat auf Ihren Nebenjob reagiert? 

Sehr positiv. Ich habe aber natürlich auch vorher Gespräche geführt und mir die Stationen entsprechend ausgesucht. Meine bisherigen Arbeitgeber fanden meine Schiedsrichtertätigkeit interessant und haben mir den entsprechenden Freiraum gelassen.  

"Viele Parallelen zwischen Jura und Schiedsrichtertätigkeit" 

Als Schiedsrichter müssen Sie auf dem Platz Autorität ausstrahlen und sich zu behaupten wissen. Hat ihnen diese Qualität auch im Referendariat geholfen?  

Ja, absolut. Zum Beispiel bei den Sitzungsdiensten in der Staatsanwalts- oder in der Zivilstation, als ich gegen Ende der Ausbildung eine Sitzung leiten durfte.  

Als Schiedsrichter muss man sich gut durchsetzen können, und das ist im Gerichtssaal ja nicht anders. Wenn ich eine Sitzung leite, muss ich immer das Heft in der Hand haben. Und wenn ein Anwalt oder der Staatsanwalt versucht, diese Rolle zu übernehmen, muss man ihm dann auch mal die Grenzen aufzeigen. Die Kommunikation ist zwar etwas anders als auf dem Fußballplatz, aber es sind Parallelen erkennbar. Durch die Schiedsrichtertätigkeit erlangt man auch eine gute Menschenkenntnis. Ich muss immer schnell herausfinden, wie mein Gegenüber tickt – und das braucht man in der Juristentätigkeit ja auch.   

Was nehmen Sie aus Ihrer Schiedsrichterlaufbahn für Ihre juristische Karriere noch mit? 

Es gibt viele Parallelen zwischen der juristischen und der Schiedsrichtertätigkeit. Man bemüht sich auf dem Platz, immer die richtige oder bestmögliche Entscheidung zu treffen. Nur anders als in einem juristischen Job muss ich meine Entscheidungen als Schiri in Sekundenbruchteilen treffen. Juristen können sich bevor sie zu einer Entscheidung gelangen, Gedanken machen, den Sachverhalt ausloten und abwägen. Auf dem Platz nochmal zurückspulen und gucken, wie es war funktioniert nicht – außer in Zusammenarbeit mit dem Videoassistenten natürlich. 

"Videoassistent vermeidet Vielzahl von Fehlentscheidungen" 

Apropos Videobeweis. Unter Fußballfans ist der bekanntlich hochumstritten. "Ihr macht unseren Sport kaputt"…Sie kennen die Gesänge aus der Kurve, wenn man auf das Ergebnis aus dem Kölner Keller warten muss. Wie stehen Sie dazu? Macht er den Fußball gerechter?  

Davon bin ich überzeugt. Die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung seiner Wahrnehmung oder der Regelauslegung fördert bessere Entscheidungen. Durch den Videoassistenten können eine Vielzahl von Fehlentscheidungen vermieden werden. Auch hier liegt der Vergleich zu Jura auf der Hand. Mehrere Instanzen führen im Ergebnis zu mehr Gerechtigkeit.   

Wie geht Ihre juristische Karriere nun weiter? 

Was ich genau machen werde, wird sich noch zeigen. Nach dem Referendariat kann ich für mich eigentlich keine juristische Tätigkeit ausschließen. Eine Voraussetzung muss allerdings stimmen: Die Schiedsrichtertätigkeit steht derzeit im Fokus. In der Juristerei möchte ich dennoch weiter tätig sein. Dass es entsprechende Möglichkeiten gibt, wurde mir schon vielfach signalisiert. Aber jetzt heißt es ohnehin erst einmal abwarten, wie das Examen gelaufen ist.  

Freuen Sie sich, dass es am Wochenende wieder losgeht? 

Ja, sehr! Ich fiebere den kommenden Einsätzen in der neuen Spielzeit entgegen. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

Robin Braun (27) ist derzeit Referendar am Landgericht Wuppertal. Seit 2009 ist er Schiedsrichter beim Deutschen Fußballbund und kommt bislang auf 21 Einsätze in der Zweiten Bundesliga.  Gemeldet ist Braun beim SV 1910 Jägerhaus-Linde im Fußballkreis Wuppertal/Niederberg.  

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