BGH zu fehlender Belehrung bei Erfolgshonorar

Schweigen ist definitiv nicht Gold

von Prof. Dr. Volker RömermannLesedauer: 6 Minuten
Dass man als Anwalt über Geld nicht zu sprechen habe, ist ein romantisches Ideal vergangener Tage. Wird aber ein Erfolgshonorar vereinbart, darf der Hinweis auf die gesetzlichen Gebühren nicht fehlen. "Vergisst" der Anwalt diesen, so macht er sich nach einer Entscheidung des BGH wegen Betruges strafbar. Eine verfehlte Kriminalisierung berufsrechtlicher Pflichten, findet Volker Römermann.

In früherer - manche würden sagen "guter alter" – Zeit, sprachen Anwälte nie über Geld. Das galt als unschicklich. Vielleicht fürchteten die Standesgenossen, allein die Erwähnung des Themas würde ihnen den Nimbus des finanziell desinteressierten, allein am Recht orientierten Vertreters nehmen. Ob es diesen Nimbus auch aus Mandantensicht jemals gab, sei dahingestellt – jedenfalls glaubten einige Rechtsanwälte daran und zuweilen glauben sie es noch heute. In jedem Fall führte die Intransparenz hinsichtlich der Vergütung oft zu unliebsamen Überraschungen der Mandanten und barg daher Konfliktstoff. Verbraucherschutz war gefragt. Seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kämpft der Gesetzgeber verstärkt gegen die vorherrschende Gebühren-Intransparenz und setzt an verschiedenen Stellen Hebel ein, um die Anwälte zu größerer Klarheit und aktiver Gebührenvereinbarung zu bewegen. So gibt es seit 2006 den § 34 RVG, wonach Rechtsanwälte in Beratungsangelegenheiten "auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken" sollen. Kommt sie nicht zustande, sollen die "Vorschriften des bürgerlichen Rechts" gelten – bei näherer Betrachtung ein Verweis in das gebührenrechtliche Nirwana. Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, so hat der Rechtsanwalt nach § 49b Abs. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen. Fehlt es an einem solchen Hinweis, dann erleidet der Rechtsanwalt eine Einbuße und kann beispielsweise nur die gesetzliche Gebühr fordern. In Einzelfällen kann dies auch berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. In manchen Fällen, etwa für § 49b Abs. 5 BRAO, ist unklar und daher umstritten, welche Konsequenzen Verstöße haben. Erwartungsgemäß sind die juristischen Kommentatoren schon auf manche Variante gekommen und vieles wird vertreten. Eines aber nicht: Die Strafbarkeit des Unterlassens solcher Belehrungen. Doch genau dies entschied nun der 4. Strafsenat Bundesgerichtshofs (BGH) erstmalig.

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Debiler Mandant trifft Pleite-Anwalt

Dem Urteil des BGH vom 25. September 2014 (Az. 4 StR 586/13) liegt der Fall einer umstrittenen Erbschaft zugrunde. Der Anwalt und spätere Angeklagte hatte seinem Mandanten zwei Vergütungsvarianten angeboten: Einen Stundensatz von 400 Euro oder ein Erfolgshonorar, das im Misserfolgsfall "Null" betragen sollte, bei Erfolg aber eine gestaffelte Vergütung zwischen 20 und 30 Prozent der Erbschaft. Er belehrte den Mandanten hingegen nicht über die gesetzlichen Gebühren, die gerade einmal etwa 4.000 Euro ausgemacht hätten. Von der maximalen Forderung in Höhe von 800.000 Euro konnte der Anwalt immerhin etwa 500.000 Euro erstreiten und entnahm dem bei ihm eingegangenen Fremdgeld etwa 80.000 Euro. Der Kontext sprach ohnehin gegen den betroffenen Anwalt: Sein Mandant war nahezu debil, der Anwalt verlor nach Annahme des Mandates wegen Insolvenz die Zulassung und arbeitete fortan in einer rechtlichen Grauzone im Hinterzimmer einer Kanzlei. Aus Geldnot bat der Ex-Anwalt den Mandanten später auch noch um ein Darlehen, welches dieser gewährte und nie zurück bekam. Das alles weckt zunächst wenig Sympathie für den Anwalt, es riecht nach Verkommenheit und Ausnutzung der – tatsächlichen – Dummheit seines Mandanten. Bei genauerem Blick relativiert sich das Urteil jedoch: Die Insolvenz allein ist kein Zeichen für Charakterschwäche oder mangelnde Eignung, sondern kann vielfältige Ursachen haben. In der Praxis überwiegen verfehlte "Steuersparmodelle" und kostenintensive Scheidungen, berufliche Anlässe trifft man hingegen kaum. Dass Rechtsanwälte in Deutschland ihre Zulassung einbüßen, wenn sie insolvent werden, ist ein Reflex einzelner (inzwischen nicht mehr aller) Kammern und einer ebenso unnachgiebigen wie unbegründeten Rechtsprechung, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hat. Auch der intellektuelle Zustand des Opfers relativiert sich, zumindest wenn man es juristisch genau nimmt: Zwar hatte der Betroffene die Sonderschule ohne Abschluss verlassen, wie der BGH mitteilt. Aber eine Betreuung war gerade nicht angeordnet, obwohl es darüber ein gerichtliches Verfahren gegeben hatte. Der Mann war also minderbegabt, aber geschäftsfähig und in der Lage, Verträge ohne fremde Unterstützung abzuschließen.

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2/2: Voraussetzungen zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars fast unerfüllbar

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der damalige Anwalt vor Übernahme des Mandats die Vorschriften zum Erfolgshonorar nicht eingehalten, da er nicht über die gesetzlichen Gebühren belehrt hatte. In § 4a RVG heißt es, anzugeben sei "die voraussichtliche gesetzliche Vergütung und gegebenenfalls die erfolgsunabhängige vertragliche Vergütung, zu der der Rechtsanwalt bereit wäre, den Auftrag zu übernehmen". In der Vereinbarung sind nach dieser Norm außerdem die wesentlichen Gründe anzugeben, welche für die Bemessung des Erfolgshonorars ausschlaggebend sind. Überhaupt darf ein Erfolgshonorar nur für den Einzelfall und nur dann vereinbart werden, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Es muss also ein Bedürftiger sein, aber ohne Anspruch auf Prozesskosten- oder Beratungshilfe, da dies in der Regel die Bedürftigkeit wieder beseitigt. Andere Abmachungen darüber sind unzulässig, § 49b Abs. 2 BRAO. Die Regelungen aus dem Jahre 2008 hat der Gesetzgeber nicht freiwillig ins RVG eingefügt, sondern erzwungen durch eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Dieses hatte Ende 2006 das strenge Totalverbot erfolgsbezogener Vergütung für verfassungswidrig erklärt (Beschl. v. 12.12.2006, Az. 1 BvR 2576/04). Der Gesetzgeber regelte aber nur so viel, wie er musste. Er achtete darauf, es so zu tun, dass möglichst kein Anwalt von der neu gewonnenen Freiheit Gebrauch machen würde. Die Voraussetzungen, die § 4a RVG an das Erfolgshonorar stellt, sind fast unerfüllbar und eröffnen diese Vergütungsvariante nur in seltenen Ausnahmekonstellationen.

BGH: Betrug durch Unterlassen bei fehlendem Hinweis auf RVG-Gebühren

Der 4. Strafsenat des BGH leitet aus der unterlassenen Belehrung über die hypothetischen gesetzlichen Gebühren nun einen strafbaren Betrug durch Unterlassen her, §§ 263, 13 Strafgesetzbuch (StGB). Die Vorschrift des § 4a RVG führe zu einer "Garantenstellung" des Anwalts. Den Umstand, dass das RVG selbst die Voraussetzungen des § 4a RVG zur bloßen Obliegenheit erklärt (§ 4b RVG), hält der BGH strafrechtlich für irrelevant. Wer nicht belehre, täusche den Mandanten. Wenn dieser dann den Mandatsvertrag abschließe, liege darin bereits die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" und der Tatbestand des § 263 StGB sei erfüllt. Auf die spätere Zahlung des Honorars kommt es bei dieser Betrachtung gar nicht mehr an, denn der Vermögenswert des Opfers sei schon so konkret gefährdet, dass nach wirtschaftlicher Betrachtung bereits eine Verschlechterung seiner finanziellen Lage eingetreten sei. Eine berufsrechtliche Obliegenheit wird damit kriminalisiert. Soll das künftig auch für sonstige Belehrungspflichten gelten? Was ist etwa mit § 49b Abs. 5 BRAO? Kaum ein Anwalt erteilt in den einschlägigen Fällen den dort gebotenen Hinweis, dass sich Gebühren nach dem Streitwert richten. Begründet das wieder eine Garantenstellung, und reicht bei Eingehung des Mandats die allein daraus resultierende "Vermögensgefährdung" zur Strafbarkeit aus? Das BVerfG hat die Rechtsprechung zur "Gefährdung" als "Schaden" zwar gebilligt, aber nicht grenzenlos (BVerfG, Beschl. v. 10.03.2009, Az. 2 BvR 1980/07). Das oberste Strafgericht würde gut daran tun, mit derartigen Gefährdungslagen restriktiv umzugehen, und nicht aus jedem Normverstoß eine Straftat zu machen. Der Autor Prof. Dr. Volker Römermann ist Rechtsanwalt mit einem Schwerpunkt im anwaltlichen Berufsrecht. Die Entscheidung des BVerfG zum Erfolgshonorar hat er im BB 2007, 617 kommentiert und sich mehrfach zu den berufsrechtlichen Folgen des Vermögensverfalls geäußert, etwa in AnwBl. 2005, 178; 2006, 237; 2010, 418.

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