Arbeiten im Homeoffice – Neuer Anlauf für gesetzliche Regelung

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Gastbeitrag von Dr. Björn Otto und Dr. Ricarda MüllerLesedauer: 5 Minuten

Für die Arbeit im Homeoffice sind gleich zwei Entwürfe in der Mache. Björn Otto und Ricarda Müller erklären, worauf sich Arbeitgeber einstellen müssen, wenn aus den bisherigen Vorschlägen und Ideen verbindliches Gesetzesrecht werden sollte.

Die Thematik ist nicht neu. Bereits im Rahmen des Koalitionsvertrags bekräftigte die Regierung, "mobile Arbeit fördern und erleichtern" und hierzu einen "rechtlichen Rahmen schaffen" zu wollen. Nachdem Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium (BMAS), ein gesetzliches Recht auf Homeoffice-Arbeit bereits Anfang 2019 angekündigt hatte, kamen die konkreten Vorbereitungen jedoch erst ein gutes Jahr später in Gang.

Ein erster Referentenentwurf aus dem BMAS (Mobile Arbeit-Gesetz – MAG), der einen Homeoffice-Anspruch im Umfang von 24 Tagen im Jahr vorsah, wurde allerdings durch das Bundeskanzleramt verworfen und stieß auf scharfe Kritik

Das BMAS hat mittlerweile nachgebessert und im November 2020 eine überarbeitete Fassung fertiggestellt. Doch damit nicht genug: Gleichzeitig arbeitet auch der sogenannte "Arbeitskreis der Zukunft" der CDU / CSU Bundestagsfraktion an einem Gesetz zur Erleichterung der mobilen Arbeit (EMAG). 

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Im Fokus: Regelmäßiges mobiles Arbeiten

Beide Gesetzesvorhaben haben sich zum Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer festzulegen, die regelmäßig mobil – das heißt von zu Hause oder einem anderen Ort aus – arbeiten möchten. Die anlassbezogene mobile Arbeit ist nicht Gegenstand der Entwürfe und der dort geregelten Vorgaben. Sie soll aufgrund Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien weiterhin möglich sein.

Während der Entwurf des BMAS bereits konkrete Formulierungsvorschläge enthält, die größtenteils in der Gewerbeordnung verortet werden sollen, erschöpft sich der EMAG-Entwurf noch in einer Auflistung von Eckpunkten für eine gesetzliche Regelung. Aber auch inhaltlich gehen die Entwürfe unterschiedliche Wege:

Anders als sein Vorgänger, sieht der neue Entwurf des BMAS keine Mindestanzahl an Tagen vor, die der Arbeitnehmer mobil arbeiten darf. Vorgesehen ist Folgendes: Mindestens drei Monate vor Start der gewünschten mobilen Arbeit hat der Mitarbeiter seinen Arbeitgeber in Textform (z. B. per E-Mail) über deren Beginn, Dauer, Verteilung und Umfang zu informieren. Im Idealfall treffen die Parteien dann eine entsprechende Vereinbarung. 

Maximal Anspruch auf Erörterung 

Lehnt der Arbeitgeber den Wunsch des Arbeitnehmers ohne Begründung ab oder äußert sich überhaupt nicht, soll eine gesetzliche Fiktion greifen: Die mobile Arbeit gilt dann für den Zeitraum von sechs Monaten entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt. 

De facto soll der Arbeitnehmer damit keinen festen Anspruch auf Homeoffice-Arbeit erlangen, sondern lediglich ein Auskunfts- und Erörterungsrecht. Ein solcher Mechanismus ist aus den Niederlanden bekannt. Dort besteht mit Art. 2 des "Wet flexibel werken" seit dem 1. Januar 2016 eine ähnliche Regelung. Der deutsche Arbeitsrechtler fühlt sich an § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz erinnert, an den die Regelung weitgehend angelehnt ist. Danach wird die Arbeitszeit von Beschäftigten entsprechend ihrer Wünsche fingiert, wenn der Arbeitgeber auf den frühzeitig gestellten Antrag nicht reagiert hat. 

Inwiefern der EMAG-Entwurf ein solches Auskunfts- und Erörterungsrecht enthalten soll, ist noch offen. Den bislang vorliegenden Materialien ist jedoch zu entnehmen, dass ein "Erörterungsanspruch" dort als "unnötig" angesehen wird, aber – sofern doch erforderlich – möglichst "unbürokratisch ausgestaltet" werden solle.

Sicherstellung von Arbeitsschutz

Einigkeit herrscht bei beiden Gesetzesvorhaben darüber, dass der Arbeitsschutz bei der mobilen Arbeit gewährleistet sein muss. Hierzu gehört insbesondere, dass der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung nach Maßgabe der Arbeitsstättenverordnung vorzunehmen, Arbeitsschutzmaßnahmen festzulegen und dies zu dokumentieren hat. 

Allerdings sind die Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers auf die Arbeitsplatzgestaltung außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte begrenzt. Um die Begutachtung und Gefährdungsbeurteilung zu erleichtern, bringt der EMAG-Entwurf u. a. eine App für das Smartphone ins Spiel, mit deren Hilfe der Arbeitsplatz aufgenommen und dessen unfallverhütende und belastungsmindernde Eigenschaften überprüft werden können. Durch Bereitstellung der App soll der Arbeitgeber seinen Begutachtungspflichten genüge getan haben. Inwiefern dies umgesetzt werden und die Arbeitsplatzanalyse per Smartphone die Begutachtung vor Ort ersetzen kann, bleibt abzuwarten.

BMAS: Detaillierte Dokumentation der Arbeitszeit

Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gelten auch bei mobiler Arbeit. Der BMAS-Entwurf geht aber über die dort geregelten Aufzeichnungspflichten hinaus. Während der mobilen Arbeit sollen nicht nur Überstunden, sondern Beginn, Ende und Dauer der gesamten Arbeitszeit dokumentiert werden. 

Damit würden erstmals die unionsrechtlichen Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung umgesetzt, die der EuGH in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2019 näher konkretisiert hat (Az. C-55/18). Eine besondere Form der Aufzeichnung schreibt der Entwurf nicht vor. Der Arbeitgeber darf also – unter Beachtung der einschlägigen Beteiligungsrechte des Betriebsrats – auch elektronische Zeiterfassungssysteme nutzen, muss es aber nicht. 

Verantwortlich für die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit ist stets der Arbeitgeber. Das gilt auch dann, wenn er die Dokumentationspflicht auf den Arbeitnehmer delegiert. Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu EUR 30.000 geahndet werden.

Abweichen von der Höchstarbeitszeit

Vergleichbare Regelungen enthalten die Überlegungen der CDU / CSU Fraktion bislang nicht. Interessant ist dafür ein anderer Aspekt: Während der Dauer der mobilen Arbeit sollen Arbeitnehmer die Sonderregelungen aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG für Forschung und Lehre nutzen dürfen. Danach kann insbesondere von der gesetzlichen Höchstarbeitszeit (zehn Stunden pro Tag) abgewichen werden. Das gilt aber nur, wenn die Arbeitszeit von 48 Wochenstunden im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschritten wird. 

Der Arbeitgeber soll diese Möglichkeit jedoch weder verlangen noch sich vertraglich zusichern lassen dürfen. Außerdem muss er im Gegenzug ein technisches System einrichten, das die Zeiten der Nichterreichbarkeit für jeden mobil Arbeitenden festlegt. Das System soll unter anderem die Weiterleitung von Anrufen oder E-Mails während der gesetzlichen Ruhezeit verhindern – eine Schutzmaßnahme, mit der vor ein paar Jahren bereits eine Reihe größerer Unternehmen Schlagzeilen machten.

Unfallschutz auch bei mobiler Arbeit

Schließlich haben sich beide Arbeitskreise vorgenommen, bestehende Lücken beim Unfallversicherungsschutz zu schließen. Der BMAS-Entwurf sieht dafür eine Ergänzung des Sozialgesetzbuches (SGB) VII vor, mit der klargestellt wird, dass der Versicherungsschutz bei mobiler Arbeit in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit in der Unternehmensstätte besteht.

Dass das Gesetzesvorhaben gerade in Zeiten von Corona an Fahrt aufnimmt, überrascht nicht. Dezentrales Arbeiten ist so populär wie selten zuvor. Arbeitgeber können die Arbeit aufrechterhalten, während Arbeitnehmer vor einem potenziellen Infektionsrisiko in den Betriebsräumlichkeiten sowie auf dem Arbeitsweg geschützt sind. Aber auch vor der Corona-Pandemie wünschten sich bereits rund 40 Prozent der Arbeitnehmer, die zuvor noch nicht im Homeoffice tätig sein durften, zumindest die Option, (gelegentlich) von zu Hause aus zu arbeiten. 

Mehr als Erörterung war nicht vorgesehen

Umso größer mag die Enttäuschung sein, dass die aktuellen Entwürfe keinen durchsetzbaren Anspruch auf Homeoffice-Arbeit etablieren, sondern dem Arbeitnehmer allenfalls ein Recht auf Auskunft und Erörterung bieten. Fakt ist: Mehr sieht der Koalitionsvertrag nicht vor – aber auch nicht weniger. Dass die CDU / CSU Fraktion in ihrem Entwurf erwägt, sogar gänzlich auf ein Erörterungsrecht zu verzichten, überrascht daher.

Ob das Gesetzesvorhaben angesichts der Differenzen zwischen den Arbeitsgruppen noch in dieser Legislaturperiode fertiggestellt wird, bleibt abzuwarten. Spätestens im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und der Implementierung der dortigen "flexiblen Arbeitsregelungen", kann jedoch mit einem neuen Anlauf gerechnet werden. 

Dr. Björn Otto ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Ricarda Müller ist Rechtsanwältin im Bereich Arbeitsrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland.

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