Karriere an der Uni

Wie wird man eigentlich Professor, Herr Professor?

von Ludwig HogrebeLesedauer: 5 Minuten
Die eigene Arbeit können sie sich aussuchen, einen Chef haben sie nicht und langweilige Aufgaben erledigt ein Mitarbeiterstab. Die Arbeitsbedingungen deutscher Juraprofessoren hören sich für viele geradezu traumhaft an. Aber was mussten die Hochschullehrer für ihre akademische Freiheit leisten? Die LTO hat nachgefragt und einige handfeste Hinweise erhalten.

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Wer in Deutschland Hochschullehrer werden möchte, riskiert den Absturz aus luftigen akademischen Höhen bis in den gähnenden Schlund der Arbeitslosigkeit. Examen, Promotion, Habilitation – bis Ende Dreißig kann es schon dauern, all die wissenschaftlichen Meriten anzusammeln, die einen keineswegs zum Professor, sondern zunächst lediglich zum Privatdozenten machen. Bevor man sich das weitaus würdevoller klingende "Prof." vor den Namen setzen darf, fehlt nämlich noch ein weiterer – durchaus gewichtiger – Schritt auf der Karriereleiter: Der Ruf an einen freien Lehrstuhl. In einem Alter, in dem die ehemaligen Kommilitonen bereits um die dritte Beförderung und die vierte Gehaltserhöhung kämpfen, ist der Professor in spe der Gunst der Universitäten des Landes auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das ist ein erhebliches Risiko, denn eine andere Karriere an der Universität ist für die meisten Privatdozenten nicht möglich und für Stellen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs ist ein Bewerber nach der Habilitation überqualifiziert.
Von diesen Unsicherheiten lassen sich viele Jungakademiker abschrecken. Die Professorin Remmert von der Universität Tübingen versichert jedoch, dass sich auch eine Karriere an der Universität planen lasse. Man müsse allerdings wissen, worauf es ankomme.

Zeitfenster von fünf Jahren nach der Habilitation

Eine juristische Fakultät sucht sich ihre Mitglieder aus wie jeder andere Arbeitgeber. Freie Stellen werden etwa in der Wochenzeitung Die Zeit oder über den Verteiler des deutschen Hochschulverbandes ausgeschrieben, und Bewerber mit guten Unterlagen zu einem Vorstellungsgespräch und einer Probevorlesung, dem sogenannten "Vorsingen", geladen. Dort müssen sie eine Berufungskommission überzeugen, in der neben den zukünftigen Kollegen des eigenen Fachgebiets auch Studenten und Vertreter aus dem akademischen Mittelbau sitzen. Erfolgreiche Bewerber kommen auf eine Liste und werden der Reihe nach kontaktiert, ob sie den Lehrstuhl tatsächlich übernehmen wollen. Die erste Hürde liegt jedoch schon darin, dass überhaupt eine geeignete Stelle frei werden muss. Wer sich auf abgelegene Materien wie das Weltraumrecht oder byzantinische Rechtsgeschichte spezialisiert, für den kommen in ganz Deutschland nur eine Handvoll Lehrstühle in Betracht. Wenn in der entscheidenden Phase nach der Habilitation keiner davon frei wird, ist die Karriere an der Universität oft zu Ende, bevor sie wirklich angefangen hat. Zwar ist es auch mit Fünfzig noch möglich, sich auf einen Lehrstuhl zu bewerben, aber Privatdozentin Kett-Straub aus Erlangen bestätigt, dass während eines Zeitfensters von vier bis fünf Jahren nach der Habilitation die besten Chancen auf eine Berufung bestehen.

Geschickte Wahl der Spezialgebiete

Professor Verse von der Universität Mainz berichtet von Kollegen, die daher schon als wissenschaftliche Assistenten recherchiert haben, wie alt die Lehrstuhlinhaber ihrer Fachgebiete sind und wann sie voraussichtlich emeritiert werden. Für nötig hält er das nicht, aber er rät dazu, sich nicht zu eng auf ein Fachgebiet zu konzentrieren, sondern in verschiedenen Themenbereichen zu publizieren, um für mehrere Stellen in Betracht zu kommen. Umgekehrt kann in der streng vorgegebenen Ausrichtung der Lehrstühle jedoch auch eine Chance liegen. Die verschiedenen Fakultäten versuchen, sich durch die Benennung der Institute ein bestimmtes Profil zu bilden, erläutert Kett-Straub. Sucht die Universität eine ungewöhnliche Fächerkombination, kann das die Chancen geeigneter Bewerber drastisch erhöhen. Nach der Erfahrung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg können sich auf einen zivilrechtlichen Lehrstuhl durchaus ein Dutzend oder mehr Privatdozenten bewerben. Bei spezielleren Fächerkombinationen verdichtet sich das Bewerberfeld allerdings beispielsweise auf fünf Kandidaten, von denen letztlich nur einer eingeladen wird, der in allen gesuchten Bereichen gute Beiträge publiziert hat.

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2/2: Publish or Perish

Überhaupt, die Veröffentlichungen: Gestandene Professoren stellen auf ihre Lehrstuhlseiten oft eindrucksvolle Auflistungen zahlloser wissenschaftlicher Aufsätze. Für angehende Rechtswissenschaftler gelte hingegen das Prinzip Klasse statt Masse, betont Verse. Denn die Beiträge werden von einzelnen Mitgliedern der Berufungskommission, die ihre Aufgabe zumeist sehr ernst nehmen, eingehend gelesen und vorgestellt. Wenn der Bewerber einmal eine gewisse Mindestzahl von etwa einem Dutzend Veröffentlichungen zusammen hat, kommt es vor allem darauf an, wo diese im Einzelnen erschienen sind. Für Rechtswissenschaftler sind dabei insbesondere die so genannten "Archivaufsätze" von hoher Bedeutung, erläutert Professor Kindl von der Universität Münster. Das sind Beiträge in einigen besonders renommierten Publikationen, wie etwa der "Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht". Einen Artikel im "Archiv für civilistische Praxis" platziert zu haben, gehört unter Zivilrechtlern Verse zu Folge ebenfalls zum guten Ton. Auch eine Handvoll Publikationen in Ausbildungszeitschriften hält Remmert für vorteilhaft, hier sei jedoch das rechte Maß zu wahren: Machen sie den Großteil der Veröffentlichungen aus, so kann der Verfasser schnell in den Ruf eines wissenschaftlichen Leichtgewichts geraten.

Doktorarbeit wichtiger als Habilitation

Vielen angehenden Rechtswissenschaftlern bereitet vor allem ihre Habilitation Kopfzerbrechen. Für die Berufung kann die Doktorarbeit aber sogar das wichtigere der "beiden Bücher" sein, wie Kindl erläutert. Denn die Habilitation ist bei der Erstberufung oft gerade erst fertig gestellt, während die Dissertation schon in Fachzeitschriften rezensiert oder mit wichtigen Preisen bedacht worden ist. Daneben spielen natürlich auch die Noten eine Rolle, aber eine geringere, als man zunächst vermuten würde. Am Gerücht, man müsse in der Doktorarbeit unbedingt ein "summa" erreicht haben, sei nichts dran, erklärt Verse; auch ein "magna" könne ausreichen. Bei den Examensnoten existiere keine vergleichbare Mindestgrenze. Es gäbe zumeist einige Mitbewerber mit herausragenden – das heißt "sehr guten" oder hohen "guten" – Examina. Wer hier einen Rückstand habe, könne ihn jedoch an anderer Stelle wieder ausgleichen. Weniger als ein "vollbefriedigend" sollte es aber dennoch nicht sein.

Frauen haben es schwerer – und leichter

Ein beliebtes Gerücht ist, dass bei den Berufungen auf Netzwerke und den sogenannten "Stallgeruch" Wert gelegt werde, also auf das Renommee der Lehrstühle, an denen Doktorarbeit und Habilitationsschrift verfasst wurden. Große Bedeutung will Remmert dem heute aber nicht mehr beimessen, allenfalls in der ersten Sichtungsrunde könne es von Vorteil sein, wenn die Berufungskommission den Bewerber oder seinen akademischen Vater kenne. Nach Kindl kann man derartige Kontakte erwerben, indem man beispielsweise Vorträge auf den Tagungen der Gesellschaft junger Zivilrechtswissenschaftler halte, die nach einigen Jahren selbst in Berufungskommissionen sitzen. Der einzige nichtakademische Vorteil, den Kett-Straub anerkennen will, ist das Geschlecht. Es gebe nach wie vor so wenige Frauen an den Fakultäten, dass die Universitäten in wachsende Begründungsnot gerieten. Gerade Rechtwissenschaftlerinnen hätten es aber auch besonders schwer, weil eine akademische Karriere zwingend einen Ortswechsel vorschreibt: Wegen des Verbots der "Hausberufungen" darf eine angehende Professorin sich nach ihrer Habilitation nur an anderen Universitäten bewerben. Laut Remmert leiden Frauen häufig an der beruflichen Ungewissheit in einem Alter, in dem viele von ihnen Kinder zu betreuen haben. Alles in allem hält sie den vorgeschriebenen Karriereweg jedoch für richtig, schon um die Habilitationsschrift als Wissenschaftsgattung zu erhalten. "Man hat bereits ein höheres wissenschaftliches Niveau erreicht als bei der Doktorarbeit und viel mehr Zeit für die Forschung als jemals sonst." Auch Verse kritisiert zwar, dass das Verfahren immer noch unendlich lange dauere. Aber wenn er auf den Auswahlprozess zurücksehe, habe er doch das Gefühl: "Im Großen und Ganzen geht es mit rechten Dingen zu."

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