Die juristische Presseschau vom 22. Januar 2016: Zschäpe ant­wortet / Grüne Ver­fas­sungs­richter / Grau­zone Anti-Terror-Kampf

22.01.2016

Recht in der Welt

Polen – Rechtsstaatlichkeit: Die aktuellen Entwicklungen in Polen nimmt der wissenschaftliche Mitarbeiter Philip Weyand auf verfassungsblog.de zum Anlass einer dogmatischen Analyse des Verfahrens zur "nuklearen Option" einer Feststellung nach Art. 7 EU-Vertrag (EUV). Die Situation bietet nach Einschätzung des Autors die Chance, im Dialog zwischen Polen und der EU dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit als einem der in Art. 2 EUV genannten Grundwerte "definitorische Schärfe" zu verleihen.

Ein Kommentar von Florian Hassel (SZ) konstatiert dagegen, dass Europa derzeit nur bleibe, "Warschaus Rechtsbrüche zu dokumentieren und beim Namen zu nennen". Deren Leugnungen durch polnische Politiker seien dagegen vor allem an die Wählerschaft im eigenen Land gerichtet.

Großbritannien/Russland – Litwinenko: Die Vergiftung des Kreml-Kritikers und vormaligen Geheimdienstlers Alexander Litwinenko im Jahr 2006 erfolgte "wahrscheinlich" mit Billigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zu diesem Ergebnis kommt ein nun in London vorgestellter Untersuchungsbericht. Obwohl Litwinenko zum Zeitpunkt seines Todes die britische Staatsbürgerschaft besaß, wird die erst von seiner Witwe gerichtlich erzwungene Untersuchung keine juristischen Folgen haben, schreibt die SZ (Christian Zaschke). Zum gleichen Fazit gelangt spiegel.de (Jörg Diehl). Den Gründen der bemerkenswerten Zurückhaltung der britischen Regierung geht die FAZ (Jochen Buchsteiner) in einer großen Reportage nach.

Russland – Yukos: Ein im Dezember in Kraft getretenes russisches Gesetz überträgt dem Staatsgerichtshof des Landes die Kompetenz, auf Antrag der Regierung zu entscheiden, ob Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vollstreckt werden sollen oder nicht. Als Auslöser gilt die Yukos-Entscheidung des EGMR, durch die Russland wegen der Zerschlagung des Ölkonzerns zu einem Schadensersatz von knapp zwei Milliarden Dollar verurteilt wurde. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Felix Boor (juwiss.de) analysiert diese Entscheidung und stellt sie einer vergleichbaren durch den Ständigen Schiedshof in Den Haag gegenüber.

Ecuador/Schweden – Julian Assange: Die von der schwedischen Staatsanwaltschaft beantragte Befragung des nach wie vor in der Londoner ecuadorianischen Botschaft ausharrenden Julian Assange ist aus formalen Gründen abgelehnt worden, meldet die FAZ. Ecuadorianische Beamte sollten Assange nun aber "auf Grundlage der Fragen der schwedischen Behörden" selbst zu den Vergewaltigungsvorwürfen befragen.

Sonstiges

Vermögen von Flüchtlingen: Nach Berichten über die teils mit Durchsuchungen durchgesetzte Pflicht von Flüchtlingen, Bargeld und Wertsachen ab einer gering bemessenen Obergrenze abzugeben, legt zeit.de (Simone Gaul) dar, dass die Maßnahme auf Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beruht. Analog zu Hartz IV-Empfängern hätten sich Betroffene an den Kosten ihrer Unterbringung je nach Leistungsfähigkeit zu beteiligen. Die Praxis variiere jedoch stark zwischen einzelnen Bundesländern.

Zugang der Kündigung: Für die Welt erklärt Rechtsanwalt Philipp Byers, wie der fristenauslösende Zugang einer arbeitsrechtlichen Kündigung bewerkstelligt werden kann. Beim Einwurf in den Briefkasten des betroffenen Arbeitnehmers sei der Zugang dann bewirkt, wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, tatsächliche Kenntnisnahme ist demnach in diesem Fall nicht nötig.

Das Letzte zum Schluss

Unglück im Glück: Ein nur kurz währendes Glück war einem südkoreanischen Journalisten beschieden, dem vorgeworfen wurde, durch ein Abonnement des offiziellen nordkoreanischen Twitter-Accounts Propaganda des ideologisch so fernen Nachbarstaats zu verbreiten. Wie spiegel.de (Jörg Breithut) schreibt, war nach Ansicht des Gerichts im Folgen eines Accounts keine strafbare Handlung zu erkennen. Zum Verhängnis wurde dem Angeklagten jedoch ein Blogbeitrag aus dem Jahr 2009. In diesem habe er sich positiv über Nordkorea geäußert. Die Folge: ein Jahr Haft auf Bewährung.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Januar 2016: Zschäpe antwortet / Grüne Verfassungsrichter / Grauzone Anti-Terror-Kampf . In: Legal Tribune Online, 22.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18204/ (abgerufen am: 08.05.2024 )

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