Die juristische Presseschau vom 10. Februar 2017: Elb­ver­tie­fung ver­zö­gert / Ver­fas­sungs­feind­lich­keit geahndet / Kopf­tuch­verbot pau­scha­l

10.02.2017

Justiz

EGMR zu Stichtagsregelung: Eine erbrechtliche Stichtagsregelung, nach der vor 1949 nichtehelich geborene Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen werden, ist nach einer Entscheidung der kleinen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diskriminierend und verletzt das Grundrecht auf Schutz des Familienlebens. Für die beklagte Bundesrepublik prüfe derzeit das Justizministerium, Rechtsmittel einzulegen, so der Tsp (Jost Müller-Neuhof).

BGH zu Beihilferecht: Nationale Gerichte, bei denen Konkurrentenklagen wegen verbotener staatlicher Beihilfen anhängig sind, müssen grundsätzlich von der Rechtswidrigkeit der Beihilfen ausgehen, wenn die Europäische Kommission ein förmliches beihilferechtliches Prüfverfahren eröffnet hat. Dies entschied im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Bundesgerichtshof. Entscheidende Ausnahmen von dieser Bindungswirkung und dem zugrunde liegenden Streitfall – staatliche Vergünstigungen für Billigflieger und die von ihnen frequentierten Regionalflughäfen – stellt Rechtsanwalt Ulrich Soltesz auf lto.de vor.

BGH zu Aktenveröffentlichung: Mittlerweile vor dem Bundesgerichtshof geht das Bundesverteidigungsministerium gegen die Komplettveröffentlichung von Lageberichten über Auslandseinsätze der Bundeswehr durch die WAZ vor. Die ungewöhnliche Begründung der Klage könnte dabei durchaus deren Erfolg sichern, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch) im Medien-Teil. So berufe sich das Ministerium nicht auf verletzten Geheimnisschutz, vielmehr auf eine Verletzung des Urheberrechts der Autoren. Die für den 1. Juni terminierte Urteilsverkündung deute auf "grundsätzliche Aussagen" des Gerichts hin. Nach dem Bericht der taz (Christian Rath) zeichnete sich nach der Verhandlung ab, dass das Gericht den Urheberrechtsschutz von Regierungsberichten anerkenne.

BGH zu Freshfields-Durchsuchung: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex-Deals die begehrte Durchsuchung von Geschäftsräumen der Großkanzlei Freshfields zu verweigern, ist nun auch Thema eines Beitrags der SZ (Klaus Ott/Katja Riedel).

OLG München – NSU: Ein von den "Altverteidigern" Beate Zschäpes gestellter Befangenheitsantrag gegen das Oberlandesgericht München scheiterte am Widerstand der Angeklagten. Nach dem Bericht von zeit.de (Tom Sundermann) bewiesen die Anwälte in der andauernden Befragung des psychiatrischen Gutachters Henning Saß "zumindest ihr eigenes Existenzrecht im Verfahren".

LAG Berlin-Brandenburg zu Kopftuchverbot: Einer muslimischen Lehrerin, der eine Anstellung als Grundschullehrerin wegen der von ihr geäußerten Absicht, ihr Kopftuch auch während des Unterrichts tragen zu wollen, verweigert worden war, muss das Land Berlin eine Entschädigung zahlen. Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg habe das Verbot nicht pauschal, ohne Prüfung und Darlegung einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens zur Anwendung kommen dürfen, schreibt die SZ (Jens Schneider).

Hoffnungen, dass durch die Entscheidung auch das Berliner Neutralitätsgesetz als Rechtsgrundlage der verweigerten Einstellung sein baldiges Ende finde, erteilt Jost Müller-Neuhof (Tsp) in seinem Kommentar eine Absage. Die SPD befinde sich in ihrer "politisch vielfältig begründeten Abneigung" gegen Menschen mit Kopftüchern "im Einklang mit vielen Lehrern und Bürgern". Jene müssten sich aber fragen lassen, "wie sie es mit dem Respekt vor den höchsten demokratischen Werten halten". Die Verfassung begründe sich eher auf Freiheit denn auf Neutralität.

LG Potsdam zu Brandanschlag: Wegen des Brandanschlags auf eine Notunterkunft für Flüchtlinge in Nauen hat das Landgericht Potsdam zwei Angeklagte zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die übrigen vier Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen, berichtet die FAZ (Mechthild Küpper). Zur Aufklärung des Tathergangs hätten auch umfängliche Einlassungen der Verurteilten beigetragen. Der ursprünglich erhobene Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die Gruppe wurde jedoch während des Verfahrens fallengelassen. In einem Kommentar benennt Konrad Litschko (taz) weitere Urteile zu Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und folgert daraus, dass Strafverfolgungsbehörden "auf dem rechten Auge wachsam" seien.

LG Nürnberg – Karl-Heinz Hoffmann: Vor dem Landgericht Nürnberg begehrt der Gründer der 1980 verbotenen "Wehrsportgruppe Hoffmann", der 80-jährige Karl-Heinz Hoffmann, von zwei Journalisten die Unterlassung von Behauptungen, die nach seiner Ansicht wahrheitswidrig nahelegten, er sei Waffenhändler und Drahtzieher des Anschlags auf das Münchner Oktoberfest gewesen. Die SZ berichtet.

LG Hamburg – Schmähgedicht: bild.de macht darauf aufmerksam, dass das Landgericht Hamburg am heutigen Freitag seine Hauptsacheentscheidung zur Unterlassungsklage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen den Satiriker Jan Böhmermann verkünden wird.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Februar 2017: Elbvertiefung vergert / Verfassungsfeindlichkeit geahndet / Kopftuchverbot pauschal . In: Legal Tribune Online, 10.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22058/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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