Die juristische Presseschau vom 10. Februar 2017: Elb­ver­tie­fung ver­zö­gert / Ver­fas­sungs­feind­lich­keit geahndet / Kopf­tuch­verbot pau­scha­l

10.02.2017

Das Bundesverwaltungsgericht fordert vor einer Elbvertiefung weitere planerische Maßnahmen. Außerdem in der Presseschau: Pläne zum Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung und Entschädigung für pauschales Kopftuchverbot.

 

 

Thema des Tages

BVerwG zu Elbvertiefung: Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil die geplante Elbvertiefung bei Hamburg zwar grundsätzlich gebilligt, gleichzeitig aber vor einem Baubeginn erhebliche Nachbesserungen eingefordert. Die gegenwärtige Rechtswidrigkeit der Planfeststellung resultiere bereits aus der Möglichkeit, dass die sich durch den Fahrrinnenausbau ergebenden nachteiligen Auswirkungen für eine Pflanzenart von der Feststellungsbehörde unterschätzt worden seien, schreibt Rechtsanwalt Hendrik Schilder auf lto.de in einer vertieften Darstellung des Urteils. Zudem seien auch die bereits vorgesehenen Kohärenzmaßnahmen für betroffene Gebiete derzeit nicht ausreichend. Weitere Berichte zur Entscheidung bringen SZ (Thomas Hahn), taz (Sven-Michael Veit) und das Hbl (Christoph Kapalschinski). Eine Reportage der FAZ (Frank Pergande) geht auch auf die jahrelange Auseinandersetzung und den behaupteten wirtschaftlichen Nutzen der Elbvertiefung ein.

Sven-Michael Veit (taz) begrüßt den "weisen" Richterspruch im Leitartikel, weil er rechtliche Leitlinien für die Planungen großer Infrastrukturprojekte definiere und damit "Freibriefe für planerische Skrupellosigkeit" verweigere. Im Gegensatz zu Planungsbehörden orientierten sich eher Naturschützer an "Geist" und "Buchstaben von Gesetzen". Christian Müßgens (FAZ) fordert im Wirtschafts-Teil der Zeitung, dass die Bundesrepublik dringend ihre Verfahrensregeln für "die zu komplexen Planungs- und Genehmigungsprozesse" vereinfachen müsse, um nicht auf lange Sicht den Standort Deutschland "ins Abseits" zu manövrieren. Im Leitartikel des Blatts behauptet Frank Pergande (FAZ), dass klagebefugte Verbände, die von Projekten nicht direkt betroffen seien, die Möglichkeit besäßen, "Vorhaben aus Prinzip zu verhindern". Sollte das Urteil dazu beitragen, künftig einfacher "zwischen wirtschaftlichen Erfordernissen und Natur- und Umweltschutz zu entscheiden oder gar zu vermitteln", wäre in ihm tatsächlich ein Meilenstein zu erkennen.

Rechtspolitik

Parteienfinanzierung: Der Bundesrat entscheidet am heutigen Freitag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf und zwei Entschließungsanträge mit dem Ziel, die NPD wegen Verfassungsfeindlichkeit von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) hält das Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen für problematisch. Der niedersächsische Entwurf weise diese Befugnis dem Bundestagspräsidenten zu, gegen dessen Entscheidung in erster und letzter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel eingelegt werden könnten. Damit verquicke er exekutive und legislative Entscheidungsgewalt und füge dem Demokratieprinzip irreparablen Schaden zu. Keine grundsätzlichen Bedenken hat Wolfgang Janisch (SZ): Der "Staat ist nicht gezwungen, kleine Verfassungsfeinde zu großen Verfassungsfeinden aufzupäppeln". Wenn nun aber ein "Zwei-Klassen-Parteienrecht" eingeführt würde, erfordere dies eine "sehr präzise" Definition der Verfassungsfeindlichkeit. Diese Arbeit könne dem Gesetzgeber auch das Bundesverfassungsgericht nicht abnehmen.

Abschiebungen: Bund und Länder haben sich nach dem Bericht von zeit.de auf Pläne zur schnelleren Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer geeinigt. Detaillierte Regelungen stünden noch aus. In einem Kommentar identifiziert Heribert Prantl (SZ) "Generalprävention" als das eigentliche Ziel der Verhandlungen. Flüchtlinge sollten "möglichst so beraten und behandelt werden, dass der Anreiz zum Hierbleiben schwindet". Diese Fokussierung auf Abschiebungen sei "fatal", weil Flüchtlingspolitik so am Ende "zur Abkehr vom Recht" werden könne.

Gebäudeenergiegesetz: In einem neuen Gebäudeenergiegesetz sollen nach dem Willen der Bundesregierung bislang in drei verschiedenen Gesetzen behandelte energetische Baustandards zusammengefasst werden. Dies meldet die SZ (Andreas Remien).

Wohnungseinbruchdiebstahl: Die in der Regierungskoalition diskutierte Verschärfung der Strafandrohung für Wohnungseinbruchdiebstahl wird nach Kenntnis des Hbl (Heike Anger/Frank Specht) vorerst nicht realisiert. Union und SPD hätten sich nicht über die Höhe der Mindeststrafe einigen können.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Februar 2017: Elbvertiefung vergert / Verfassungsfeindlichkeit geahndet / Kopftuchverbot pauschal . In: Legal Tribune Online, 10.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22058/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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