Billigflieger im Konflikt mit dem Beihilferecht: BGH wider­spricht EuGH… aber nur ein bis­schen

von Dr. Ulrich Soltész

09.02.2017

In den letzten Jahren haben beihilferechtliche Streitigkeiten zwischen Wettbewerbern auch vor deutschen Gerichten zugenommen. Ein Urteil des BGH von Donnerstag dürfte potentiellen Klägern Mut machen – zumindest ein wenig. Von Ulrich Soltész.

Der vom Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag entschiedene Fall zum Flughafen Lübeck-Blankensee ist Teil einer endlosen Geschichte, die die deutschen und die EU-Gerichte sowie die Europäische Kommission über Jahre hinweg beschäftigt hat. Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, inwieweit Regionalflughäfen einzelnen Airlines besonders günstige Konditionen gewähren dürfen. Daneben behandelt der Fall grundsätzliche verfahrensrechtliche Aspekte von beihilferechtlichen Konkurrentenklagen und zeigt, dass der BGH dem EuGH nicht immer ganz ohne Einschränkungen folgt.

Der Luftverkehrssektor unterlag in den letzten Jahren bekanntlich einem tiefgreifenden Wandel. Flugtickets werden heute zu Preisen angeboten, die früher kaum denkbar waren und oft weit unter den Kosten für andere Verkehrsmittel liegen.

Dieser Billigflieger-Boom hat zu einem fieberhaften Ausbau von Regionalflughäfen geführt.
Die "Low-cost-Carrier" werden oft mit ganz erheblichen Vergünstigungen an kleinere Flughäfen gelockt. Denn ein stark frequentierter Flughafen wirkt sich positiv auf Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung in der Region aus. Dies macht es für Länder, Städte und Gemeinden häufig attraktiv, den Ausbau "ihrer" örtlichen Flughäfen massiv zu unterstützen.

Der Billigfliegerboom wird durch Steuergelder finanziert

Von den Verbrauchern wird diese Entwicklung natürlich begrüßt. Sie können von Niedrigstpreisen profitieren und für zweistellige Eurobeträge eben mal nach Mallorca hoppen. In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt hierbei jedoch oft unbemerkt, dass dieser Boom zum ganz erheblichen Teil mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, und dass der Subventionswettlauf der Airports um die Billigflieger zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen kann.

Angesichts der starken Konkurrenz versuchen Betreiber von Regionalflughäfen (die ganz überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten werden) durch attraktive Bedingungen möglichst viele Flugbewegungen an sich zu ziehen. Dies geschieht vor allem durch geringe Flughafengebühren und –entgelte, aber auch durch andere Sondervorteile, wie die Übernahme von Schulungs- und Unterhaltskosten des Personals der Fluggesellschaft, Niedrigstpreise für Bodenverkehrsdienstleistungen, preiswerte Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten, gemeinsame Werbemaßnahmen u.v.a. Letztlich geht dies natürlich auf Kosten der öffentlichen Hand. Und es wirkt sich zu Lasten der nicht-subventionierten Flughäfen aus - und zum Nachteil derjenigen Airlines, die diese anfliegen.

Konkurrenzkampf mit den Mitteln des Beihilferechts

Dies hat dazu geführt, dass sich die benachteiligten (nicht-subventionierten) Konkurrenzairlines, aber auch andere Flughäfen, mit allen Mitteln wehren. Zahlreiche Player haben Beschwerden, die sich gegen die Subventionierung von Billigfliegern richten, bei der Europäischen Kommission platziert. Als Reaktion auf diese Beschwerden (die letztlich dem Billigfliegerkonzept die Geschäftsgrundlage entziehen könnten) haben mittlerweile einige Low-cost-Carrier, insbesondere Ryanair, "Gegenbeschwerden" bei der Kommission wegen angeblicher Beihilfen an einige "etablierte" Airlines veranlasst. Daneben haben einige Luftfahrtunternehmen Konkurrentenklagen bei nationalen Gerichten erhoben – so auch im nun entschiedenen Fall.

Die Konkurrenten stützen sich hierbei auf das Verbot staatlicher Beihilfen in Art. 107f. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Bereits im Jahre 2011 hatte der BGH bestätigt, dass sich Konkurrenten auf eine Verletzung des EU-Beihilferechts berufen können. Nach Auffassung des BGH kann die Subventionierung eines Konkurrenten ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV darstellen und somit einen deliktischen Schadensersatzanspruch sowie Unterlassungsansprüche auslösen. Diese werden flankiert durch Ansprüche gegen den Beihilfegeber auf Auskunftserteilung.

Zitiervorschlag

Dr. Ulrich Soltész, Billigflieger im Konflikt mit dem Beihilferecht: BGH widerspricht EuGH… aber nur ein bisschen . In: Legal Tribune Online, 09.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22050/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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