Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. August 2014: Strate zu Mollath – Kritik an Ceta-Abkommen – Unsicherheit bei privaten Mails im Betrieb

18.08.2014

Recht in der Welt

Österreich – Josef S. und Landfriedensbruch-Paragraph: Die Samstags-SZ (Cathrin Kahlweit) interviewt den Wiener Studenten Josef S. aus Jena, der Ende Juli von einem Wiener Gericht zu einem Jahr Haft verurteilt worden war. Er soll bei einer Demonstration gegen den von rechten Kreisen organisierten Akademikerball in Wien Landfriedensbruch und versuchte schwere Körperverletzung begangen haben. Mittlerweile wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt; jetzt plant S. die Berufung gegen das Urteil – das aufgrund vager Beweislage ergangen war, wie Kommentatoren und Josef S. selbst meinen. Die FAZ (Stephan Löwenstein) fasst die rechtspolitische Debatte um den österreichischen Straftatbestand des Landfriedensbruchs zusammen. Nach dem Urteil gegen Josef S. forderten Oppositionspolitiker, den "Gummiparagraphen" zu streichen; die rot-schwarze Koalition plane, die Regelung zu präzisieren.

Österreich – Europe-v-Facebook: Als "akribisch, aber auch kreativ und ironisch" portraitiert lto.de (Claudia Kornmeier) den österreichischen Juradoktoranden Max Schrems, der sich dem Datenschutz auf Facebook verschrieben und dafür den Verein "Europe-v-Facebook" ins Leben gerufen hat. Schrems strengt unter anderem eine Sammelklage gegen Facebook in Wien an, der sich nach seinem Aufruf 25.000 Menschen anschlossen; außerdem hatte er ein Verfahren am Irischen High Court initiiert, der den Europäischen Gerichtshof derzeit klären lässt, ob das Safe-Harbor-Abkommen mit EU-Grundrechten vereinbar ist.

USA – europäische Personendaten: Dass viele US-Firmen europäische Datenschutzbestimmungen im großen Stil missachten, moniert laut Samstags-FAZ (Fridtjof Küchemann) die Bürgerrechtsorganisation Center for Digital Democracy (CDD). So würden Daten von Europäern "aus deren Bewegungen im Internet mit Daten zum Wohnort und Einkommen, zu Alter, Geschlecht und Familienstruktur aus anderen Quellen" verknüpft und Aufklärungspflichten verletzt. Nach Ansicht des CDD sei dies auch nicht durch das Safe-Harbor-Abkommen gedeckt. Das CDD habe seine Erkenntnisse an die US-Handelsaufsicht weitergeleitet.

Sonstiges

Thüringer NSU-Ausschuss: Ein "vernichtendes Zeugnis" stellt der Thüringer NSU-Ausschuss laut Montags-SZ (Tanjev Schultz) neben der Polizei und dem Verfassungsschutz auch der Justiz aus. Die Abgeordneten würfen in dem 1.800 Seiten starken Abschlussbericht "in seltener Einmütigkeit" den Behörden vor, Spuren nicht richtig verfolgt und schlecht zusammengearbeitet zu haben; dies lasse gar den Verdacht gezielter Sabotage seitens der Behörden zu. In den Augen Tanjev Schultz' (Montags-SZ) sind die Thüringer Abgeordneten damit "mittlerweile nicht weniger misstrauisch als viele Bürger, die zu den Sicherheitsbehörden nur noch eine zynische Haltung entwickeln".

NSA-Untersuchungsausschuss: Von überwiegend geschwärzten Akten im NSA-Untersuchungsausschuss und wichtigen Zeugen, die nicht gehört werden, berichtet der Spiegel (Hubert Gude/Jörg Schindler). Möglicherweise sei dies Anlass für die Opposition, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen – das dann vermutlich auch entscheiden müsse, ob Edward Snowden in Deutschland als Zeuge gehört werden kann.

BND-Spionage: Christian Rath (Montags-taz) meint, Deutschlands "bequeme Rolle des NSA-Opfers" gehöre nach den jüngsten Enthüllungen der Vergangenheit an. Der BND sei kein Gegenmodell zur NSA, sondern er versuche, ihr nachzueifern - nicht nur bei der Spionage gegen Staaten, sondern auch bei der Massenüberwachung.

Dashcams und Datenschutz: Der Spiegel (Jonas Gerding/Dietmar Hipp) nimmt zwei kürzlich ergangene Gerichtsentscheidungen zu Videoaufnahmen sogenannter Dashcams zum Anlass, auf die unklare Rechtslage hinzuweisen. Dashcams lassen sich am Fahrrad oder im Auto anbringen, um den Straßenverkehr aufzeichnen und etwa nach einem Unfall ein Beweismittel in der Hand zu haben. Das Verwaltungsgericht Ansbach hatte die Anfertigung von Aufnahmen mit Dashcams für datenschutzrechtlich unzulässig erklärt; das Amtsgericht München entschied in einem Schadensersatzprozess per Beschluss, derartige Aufnahmen nicht zu verwerten – unter Verweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der von den Aufnahmen erfassten Personen. Dieser Auffassung schlössen sich zwar Datenschützer an, doch seien namhafte Experten anderer Meinung. So halte Key Nehm, Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages und ehemaliger Generalbundesanwalt, die pauschale Ablehnung für "unausgewogene Schwarz-Weiß-Malerei"; ein Strafgericht könne bei schwereren Delikten solche Aufnahmen durchaus heranziehen. Der Gesetzgeber müsse für Klarheit sorgen.

In der FAS setzt sich der Anwalt Uwe Lenhart mit der Rechtsprechung auseinander. Er berichtet, dass Mandanten von ihm schon mehrfach Vorwürfe durch Vorlage von Dashcam-Aufnahmen widerlegen konnten. "Ansicht und Verwertung der Aufnahme begegnen in der Praxis bislang keinen Bedenken."

Bundestrojaner: Die Montags-taz (Christian Rath) nimmt die Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko zum Anlass, einen Überblick zur Einsatzbereitschaft sogenannter Bundestrojaner zu verschaffen. Dabei handelt es sich um Software, die Sicherheitsbehörden wie das BKA zur Überwachung fremder Computer verwenden. Neben der Online-Durchsuchung lässt sich per Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) Kommunikation abgreifen, bevor sie auf dem Rechner verschlüsselt wird. Einsatzbereit sei nur ein Bundestrojaner, der Festplatten ausspähen kann. Ein zweiter Bundestrojaner zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation erfülle noch nicht sicher die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Weiter berichtet die Montags-taz (Christian Rath), das Innenministerium fordere den Einsatz der Quellen-TKÜ auch zur Strafverfolgung. Dafür müsse die Strafprozessordnung ergänzt werden; das hierfür zuständige Justizministerium habe sich damit allerdings noch nicht befasst.

Private Mails im Job: Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) skizziert die umstrittene Rechtslage zur privaten Nutzung des E-Mail-Kontos beim Arbeitgeber. Trotz der derzeit diffusen Rechtslage verzichteten die meisten Unternehmen auf klare Ansagen und ließen ihre Angestellten im Ungewissen: Ein ausdrückliches Verbot sowie eine ausdrückliche Erlaubnis privater Nutzung sei der seltenste Fall. Weitgehend unklar sei schließlich, ob ein Arbeitgeber auf die Mail-Korrespondenz seines Arbeitnehmers zugreifen darf; dies hänge von der umstrittenen Frage ab, ob ein Arbeitgeber in den Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes und damit unter das Fernmeldegeheimnis falle.

Studienplatz einklagen: Die Samstags-Welt (Friederike Lübke) geht der Frage nach, ob sich die Klage auf einen Studienplatz lohnt und welches Kostenrisiko damit einhergeht. Bei derartigen Verfahren werde geprüft, ob eine Universität nicht doch mehr Plätze anbieten könnte als sie angibt. Selbst bei einer erfolgreichen Klage sei aber nicht sicher, ob man den Studienplatz tatsächlich bekommt.

Entflechtung der Internetkonzerne: Die FAS (Corinna Budras) befasst sich mit der Regulierung und Entflechtung großer Internetkonzerne wie Google und Facebook. Sie referiert aus einen internen Bericht des Bundeskartellamts, das keine Notwendigkeit zum Eingreifen sehe, weil die Marktposition der Marktführer angreifbar bleibe. Zudem fehle eine deutsche Rechtsgrundlage für Entflechtungsmaßnahmen.

Das Letzte zum Schluss

Fußfessel am Hals des Hahns: Wie zeit.de meldet, hat ein brasilianischer Häftling auf Freigang seine elektronische Fußfessel während eines Hausarrests einem Hahn umgebunden und diesen in einen Hühnerstall gesperrt. Der Häftling habe sich dann zum Drogenverkauf aufgemacht, sei aber später wieder aufgeschnappt worden – ebenso der Hahn mit der Fußfessel um den Hals.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/fr

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. bis 18. August 2014: Strate zu Mollath – Kritik an Ceta-Abkommen – Unsicherheit bei privaten Mails im Betrieb . In: Legal Tribune Online, 18.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12920/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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