Die juristische Presseschau vom 11. Februar 2016: Min­dest­lohn­kon­trollen wirken / Petry darf ins Rat­haus / Ver­gessen mit Geo­b­lo­cking

11.02.2016

Justiz

BVerfG zu EU-Haftbefehl: Rechtswissenschaftler Christoph Goos schreibt auf juwiss.de, dass es in der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Haftbefehl der Prüfung anhand des Grundgesetzes nicht bedurfte, weil ein Verstoß gegen Unionsrecht vorlag. Das Gericht habe aber deutlich gemacht, dass es im Fall (möglicher) Verletzung der Menschenwürde seine eigene Prüfungskompetenz wieder eröffnet. Von "Solange Zweieinhalb" könne man daher sprechen. Der Artikel wird fortgesetzt.

VerfGH Bln – Akteneinsichtsrecht: Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat entschieden, dass Mitglieder des Abgeordnetenhauses sich bei der Wahrnehmung ihres Akteneinsichtsrechts der Hilfe juristisch geschulter Personen bedienen dürfen, schreiben taz und lto.de. Innensenator Henkel (CDU) hatte dem ehemaligen Pirat Christopher Lauer das Hinzuziehen einer Juristin bei Einsichtnahme in Polizeiakten untersagt.

BFH zu Zinsschranke: Der Bundesfinanzhof hält die sogenannte Zinsschranke für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, schreiben lto.de und FAZ (Joachim Jahn). Die Zinsschränke deckelt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsen als Betriebsausgaben, um Unternehmen die Verlagerung von Gewinnen ins Ausland zu erschweren. Das Gericht sieht einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot gegeben.

OLG Hamm zu Informationsanspruch gegen Private: internet-law.de (Thomas Stadler) weist auf eine aktuell mitgeteilte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom Dezember 2015 hin. Danach haben Journalisten einen Auskunftsanspruch nach § 4 Pressegesetz NRW auch gegen private Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.

OLG Rheinland-Pfalz zu Kirchensteuer: Das Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz hat laut lto.de entschieden, dass die Kirchensteuer nicht gegen die Glaubensfreiheit verstößt, weil sie mit Kirchenaustritt abgewendet werden kann. Ihre Vermeidung durch einen Austritt aus der Kirche nur als öffentlich-rechtliche Körperschaft sei hingegen nicht möglich.

VG Augsburg zu Rathausverbot für Petry: Nachdem der Augsburger Bürgermeister der lokalen AfD-Fraktion die Erlaubnis erteilt hatte, ihren Neujahrsempfang im Rathaus abzuhalten, hat er sie widerrufen. Der dazu geladenen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry hat er Hausverbot erteilt. Das Verbot hat das Verwaltungsgericht Augsburg nun im Eilverfahren für rechtswidrig erklärt und Petrys Hauptsacheklage aufschiebende Wirkung zugesprochen, schreiben taz, lto.de und spiegel.de. Bis Freitag will das Gericht auch über den Widerruf der Erlaubnis zur Nutzung der Rathausräume entscheiden.

VG Hannover – Videoüberwachung im ÖPNV: Die Untersagung der Dauerüberwachung in Bussen und Bahnen gegenüber der Hannoverschen Verkehrsbetriebe (Üstra) hat das verwaltungsgericht Hannover aufgehoben. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, da auf die konkurrenzlos für Daseinsvorsorge zuständige Üstra – obwohl sie privatrechtlich organisiert ist – das Landesdatenschutzgesetz und nicht das des Bundes Anwendung finde. Es berichten die taz (Kai von Appen), lto.de und zeit.de.

LG Hannover – Salzhemmendorf: Die wegen des Anschlags mit einem Molotowcocktail auf eine Asylunterkunft in Salzhemmendorf Angeklagten haben die Tat zu Prozessauftakt weitgehend eingeräumt, berichten taz (Andreas Wyputta), SZ (Annette Ramelsberger), FAZ (Reinhard Bingener) und spiegel.de (Julia Jüttner). Sie bestreiten jedoch weiterhin fremdenfeindliche Motive und machen ihre Alkoholisierung für die Tat verantwortlich.

Versuchter Mord statt Brandstiftung: Laut taz (Konrad Litschko) reagiert die Justiz mittlerweile härter auf Brandanschläge auf Asylunterkünfte. Es werden Fälle angeführt, in welchen in zweiter Instanz das Motiv der Fremdenfeindlichkeit hervorgehoben wurde oder statt der angeklagten schweren Brandstiftung von versuchtem Mord ausgegangen wird.

LG Osnabrück – Betrug: Vor dem Landgericht Osnabrück muss sich ein Mann verantworten, der für die in Aussicht gestellte Förderung ihrer Projekte mit EU-Geldern von Unternehmern Millionenbeträge als Kaution und Eigenleistung ergaunert haben soll. Die Zeit (Anne Kunze) beschreibt am Beispiel des Falls den Typus des erfolgreichen Betrügers, der mit der Macht seiner Überzeugungskraft Realitäten schafft, an die die Opfer glauben wollen. In diesem Fall sogar gänzlich ohne jegliche Zahlungen an die Opfer.

LG Detmold – Auschwitzprozess: Vor dem Landgerichts Detmold hat einer der aktuellen Auschwitzprozesse begonnen. Dem angeklagten ehemaligen SS-Mann wird Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen vorgeworfen. Dazu berichten taz (Klaus Hillenbrand), spiegel.de (Jörg Diehl/Benjamin Schulz) und Welt (Per Hinrichs). Die FAZ (Alexander Haneke) schreibt auch zu der Änderung der Rechtsprechung, die die aktuellen Verfahren erst ermöglichte.

LG Duisburg – Loveparade: Zum zweiten Jahrestag der Anklageerhebung befasst sich lto.de mit dem Stand der Dinge im Loveparade-Verfahren und der enormen Menge an Akten und Daten in dem Verfahren. Im Frühjahr dieses Jahres soll das Hauptverfahren eröffnet werden.

VW-Käufer: Eine südbadische Anwaltskanzlei, die rund 4000 Käufer von manipulierten Dieselfahrzeugen aus dem VW-Konzern vertritt, will in den kommenden Wochen bundesweit hunderte von Autohäusern verklagen und vor allem eine Rückabwicklung der Kaufverträge erreichen, berichtet die BadZ (Christian Rath). In einem separaten Artikel beschreibt die BadZ (Christian Rath), wie die Kanzlei um Mandanten warb.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Februar 2016: Mindestlohnkontrollen wirken / Petry darf ins Rathaus / Vergessen mit Geoblocking . In: Legal Tribune Online, 11.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18393/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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