Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. Februar 2020: Mie­ten­de­ckel wirkt / Marke Greta / Brexit deli­vered

03.02.2020

Berlin beschließt den Mietendeckel, der Bundesbauminister hat derweil auch Ideen zum Mietrecht. Welche Chancen hat Greta Thunbergs Markenanmeldung von "Fridays for Future" und wie geht es nach dem Brexit weiter?

Thema des Tages

Mietrecht: In der vergangenen Woche verabschiedete das Berliner Abgeordnetenhaus den sogenannten Mietendeckel. Eine Übersicht zu Regelungen und unmittelbaren Auswirkungen bringt die Samstags-taz-Berlin (Erik Peter). Peter Weber, als Sachbearbeiter im Wohnungsamt des Berliner Bezirks Pankow der "Erfinder" des Deckels, stellt die Samstags-taz-Berlin (Erik Peter) in einer Reportage vor. Der früher als Anwalt für Mietrecht in Karlsruhe Tätige gibt sich gegenüber angekündigten verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzungen optimistisch. Insbesondere die Argumente gegen eine Landeskompetenz seien "bemerkenswert oberflächlich und schwach geblieben".

Horst Seehofer (CSU) dagegen hält den Deckel für verfassungswidrig und "weit über das Ziel" hinausschießend. In einem Interview der WamS (Michael Fabricius, Zusammenfassung) legt der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, dar, dass ein Wohnungsmarkt nach "rein kapitalistischen oder neoliberalen Regeln" nicht seinem Verständnis von sozialer Marktwirtschaft entspreche. Nach Maßnahmen wie der Verlängerung des Betrachtungszeitraums von Mietspiegeln fänden etwa Versuche, Wuchermieten zu unterbinden, seine Unterstützung. Bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus seien nach entsprechenden Grundgesetzänderungen "jetzt auch mal die Länder am Zug".

Rechtspolitik

Insolvenzverwalter: Mit einer deutlichen Stellungnahme hat sich die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein gegen vermeintlich drohende Überregulierung und bürokratische Vorgaben ihres Berufszweiges ausgesprochen. Ein vertiefter Beitrag von Rechtsanwalt Andreas Kästner auf lto.de teilt diese Kritik nicht. Die insolvenzverwalterische Tätigkeit habe längst ein eigenes Berufsbild entwickelt. Wollte man sie dennoch den anwaltlichen Kammern unterstellen, wäre dies nicht nur systemfremd, sondern womöglich auch verfassungswidrig. Angesichts einer im Juli 2021 ablaufenden Umsetzungsfrist der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz dränge die Zeit.

VGT: Zu den Beschlüssen des Verkehrsgerichtstages berichten lto.de, community.beck.de (Carsten Krumm) und Samstags-FAZ (Reinhard Bingener). Die in Goslar versammelten Experten sprachen sich etwa für einen eigenen, punktebewehrten Bußgeldtatbestand des "aggressiven Fahrens" aus.

Dokumentation der Hauptverhandlung: Eine vom Bundesjustizministerium hinsichtlich der angedachten Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung einberufene Expertengruppe hat sich nun auf ihre Zusammensetzung und den ersten Sitzungstermin, der Mitte Februar stattfinden soll, verständigt. Dies hat lto.de in Erfahrung gebracht. Bei der ersten Sitzung am 18./19. Februar solle das Arbeitsprogramm und der weitere Ablauf festgelegt werden.

Wahlrecht: Rechtsprofessorin Sophie Schönberger unternimmt auf verfassungsblog.de einen "letzten Hilferuf" an die "lieben Großkoalitionäre". Sollte eine verfassungskonforme Lösung der Verkleinerung des Bundestags nicht bewerkstelligt werden, wären sie verantwortlich dafür, "die Axt ans demokratische System" gelegt zu haben. Die bislang gescheiterten Versuche beschreibt der Spiegel (Florian Gathmann/Jonas Schaible) als Beispiel "für das Scheitern der Politik, für Reformverschleppung und den Egoismus der Parteien". Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2012 eine Neuregelung zur Vermeidung zu vieler Überhangmandate gefordert, nun sei man keinen Schritt weiter. Thomas Vitzthum (Samstags-Welt) spricht sich gegen eine Neuordnung von Wahlkreisen und für "eine Beschränkung des Bundestags auf eine Obergröße" aus. Diese könne noch vor der nächsten Bundestagswahl beschlossen werden.

Großprojekte: Trotz Kritik von Umweltverbänden hat der Bundestag am vergangenen Freitag in zwei Gesetzen Regelungen beschlossen, mit denen die Durchführung infrastruktureller Großprojekte vereinfacht werden sollen. Samstags-SZ und Samstags-taz (Hanna Gersmann) berichten.

Justiz

BGH zu Eigenbedarfskündigung: Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer mietrechtlichen Eigenbedarfskündigung verbieten sich schematische Betrachtungen, die angezeigte Einzelfallprüfung muss vielmehr alle Umstände in den Blick nehmen. Dies entschied der Bundesgerichtshof nach Meldung von lto.de bereits Mitte Dezember.

BVerwG zu "linksunten.indymedia": Für verfassungsblog.de rekapitulieren David Werdermann und John Philipp Thurn, LL.M.-Student und Sozialrichter, Fall und Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen "linksunten.indymedia". Die Klageabweisung sei "aus grundrechtlicher und demokratischer Sicht fatal". Der zuständige Senat habe es dem Bundesinnenministerium erlaubt, "das Vereinsrecht als Medienverbotsinstrument zu missbrauchen". Immerhin ließe sich in einem obiter dictum "verfassungsrechtliche Schadensbegrenzung" betreiben, wenn wenigstens dort festgehalten würde, dass die Abschaltung des vollständigen Mediums unverhältnismäßig war.

BVerwG zu IHK-Guthaben: Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende Januar entschieden, dass die Industrie- und Handelskammern Lüneburg-Wolfsburg sowie Braunschweig durch überhöhte Mitgliedsbeiträge in unzulässiger Weise Rücklagen und Eigenkapital gebildet haben. Es berief sich dabei auf ein vergleichbares Urteil zur IHK Koblenz, schreibt nun auch die Montags-SZ (Thomas Öchsner) und lässt den Bundesverband für freie Kammern, der "seit Jahren einen juristischen Feldzug gegen das Finanzgebaren der Kammer" führe, zu Wort kommen.

OLG München – IS-Rückkehrerin Jennifer W.: Im Strafverfahren gegen die vermeintliche IS-Rückkehrerin Jennifer W. hat auch die Angeklagte beim Oberlandesgericht München beantragt, ihre Verteidiger zu entpflichten. Sie müsse befürchten, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihre Anwälte diese einschränkten und einschüchtern, so die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger). Eine Entscheidung werde für den nächsten Donnerstag erwartet. Das entsprechende Gesuch der Verteidiger wurde vom Gericht abgelehnt, berichtet lto.de.

OLG Koblenz – Bundeswehr-Spion: Der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen laufende Prozess gegen einen Dolmetscher der Bundeswehr und seine Ehefrau, denen am Oberlandesgericht Koblenz Landesverrat in einem besonders schweren Fall vorgeworfen wird, ist Thema einer Reportage der FAS (Mona Jaeger).

VGH Ba-Wü zu Hochschul-Evaluierung: Die Evaluierungssatzung der Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung – berücksichtigt Mitspracherechte der betroffenen Professoren nur ungenügend. Nach einem nun veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg von Mitte Dezember 2019 ist sie daher unwirksam. Von der Entscheidung berichtet lto.de.

LG Hamburg – SS-Wachmann: Eine Reportage des Spiegel (Julia Jüttner) zum Strafverfahren gegen den früheren SS-Wachmann Bruno D. beschreibt den Sinn des am Landgericht Hamburg laufenden Prozesses mit der Feststellung des unermesslichen Unrechts, für das "Helfer im Holocaust" Verantwortung zu tragen hätten.

LG Bonn – Cum-Ex: Klaus Ott (Samstags-SZ) hält den im Raum stehenden Vergleich der Privatbank Warburg-Gruppe mit dem Hamburger Finanzamt und dessen mögliche Berücksichtigung im Cum-Ex-Strafverfahren am Landgericht Bonn für "Kungelei auf Kosten der Gerechtigkeit". Die Bank sei "ein Fall für die Justiz, nicht für Hinterzimmergespräche".

LG Augsburg – tödlicher Angriff auf Feuerwehrmann: Der Spiegel (Jan Friedmann) schildert, wie sich nach Sicht des Verteidigers Felix Dimpfl die Auseinandersetzung zugetragen hat, die zum Tod eines Feuerwehrmannes führte. Dieser habe seinen Mandanten geschubst, worauf er von einem anderen jungen Mann niedergeschlagen wurde. Es habe hierfür keinen Gruppenwillen gegeben. 

Hanfläden: Die Montags-SZ (Kathrin Konyen) gibt einen Überblick über die Rechtsprobleme deutscher Hanfläden. Anlass ist die Verurteilung zweier Betreiber einer Hanfbar durch das Landgericht Braunschweig zu Bewährungsstrafen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Hackerangriff auf das KG Berlin: Die Arbeitsfähigkeit des Berliner Kammergerichts sei nach dem Hackerangriff vom vergangenen Jahr "mitnichten" wiederhergestellt, zitiert lto.de den Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Zur Lösung der IT-Probleme des Gerichts werde externer Sachverstand herangezogen.

Recht in der Welt

EuGH – Slowenien/Kroatien: Der Europäische Gerichtshof hat sich am vergangenen Freitag im Grenzkonflikt zwischen Slowenien und Kroatien für unzuständig erklärt. Das von klagender slowenischer Seite beantragte Vertragsverletzungsverfahren betreffe im Kern die internationale Schlichtung des Streits und damit kein Unionsrecht, schreibt die Samstags-SZ (Thomas Kirchner) und legt auch die bisherigen Etappen der Auseinandersetzung dar.

Belgien – Sterbehilfe: In einem Aufsehen erregenden Fall hat ein Geschworenengericht in Belgien drei Ärzte vom Vorwurf des Mordes einer psychisch kranken Frau freigesprochen. Die grundsätzlich zulässige Sterbehilfe war von zahlreichen Pannen und Regelverstößen begleitet, schreibt die Samstags-SZ (Thomas Kirchner). Gleichwohl habe ein Mord nicht nachgewiesen werden können. Die Entscheidung habe das Potential, "die liberale Sterbehilfe-Praxis" im Land zu verändern.

Italien – HSH Nordbank: Die mittlerweile als Hamburg Commercial Bank firmierende frühere HSH Nordbank hat beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten eine Schiedsklage gegen Italien eingereicht. Hintergrund ist die wegen mutmaßlicher Mafia-Verbindungen erfolgte Beschlagnahmung eines von der Bank finanzierten Windparks, erläutert die Montags-FAZ (Christian Müßgens/Marcus Jung). Nach jahrelangem Rechtsstreit war diese erst im vergangenen Jahr vom höchsten Gericht des Landes aufgehoben worden.

USA – Harvey Weinstein: Auch der Spiegel (Philipp Oehmke) stellt nun die Prozesstaktik von Donna Rotunno, der Verteidigerin des Filmproduzenten Harvey Weinstein, vor. Eine Darstellung der Aussage einer der mutmaßlich von Weinstein Geschädigten findet sich etwa bei zeit.de.

Juristische Ausbildung

Digitalisierung: Die Bucerius Law School hat vor zwei Jahren ein Technologiezertifikat eingeführt, durch das Jurastudenten ihre Fähigkeiten beim Einsatz digitaler Technologien erweitern können, schreibt die Samstags-SZ (Christine Demmer). Vergleichbare Angebote öffentlicher Hochschulen befänden sich demgegenüber noch in Anfangsstadien.

Sonstiges

"Fridays for Future"-Marke: Nach der Aufregung um die Markenanmeldung von "Fridays for Future" durch die Klimaaktivistin Greta Thunberg untersucht Rechtsanwalt David Ziegelmayer auf lto.de die Erfolgsaussichten des Antrags. Zwar könne eine fehlende Unterscheidungskraft aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der Begriff mittlerweile Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden ist. Der in Thunbergs Statement enthaltene Hinweis auf ihren persönlichen Beitrag zu der mit dem Begriff verbundenen Bewegung könnte die Unterscheidungskraft jedoch herleiten. Die Markennutzung erfordere gerade keine Gewinnerzielungsabsicht.

Brexit: Am vergangenen Wochenende hat das Vereinigte Königreich die EU verlassen. Unmittelbare Auswirkungen dürften kaum merkbar sein, noch bis zum Ablauf dieses Jahres finden "alle bis zum Ausscheiden Großbritanniens gültigen europäischen Richtlinien und Verordnungen, einschließlich ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof" auch auf der Insel Anwendung, wie der FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) schreibt. Diese Übergangsphase müsse für ein Anschlussabkommen genutzt werden, die britischen Verhandlungsziele und jene der EU würden in der nun beginnenden Woche vorgestellt, schreibt lto.de. Eine Übersicht zu den wichtigsten Streitfragen bringt zeit.de (Bettina Schulz). In einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch legt Lucia Puttrich (CDU), hessische Landesministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, dar, dass niemand "ohne Grund" verlassen wird. Als Lehre des Brexit müsse Europa "den Makel des gefühlten Demokratiedefizits abstreifen".

Immunität: Nach Justus Bender (Samstags-FAZ) ist die bekannt gewordene Aufhebung der Immunität des AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland ein Beweis dafür, dass die parlamentarische Immunität "in der Praxis" nicht funktioniert. Spätestens die parlamentarische Entscheidung über die Aufhebung entfalte ganz ohne Urteil eine hinreichend stigmatisierende Wirkung.

Hohenzollern-Forderungen: Aus Anlass der Anhörung von Historikern im Kulturausschuss des Bundestags zu einer etwaigen Vorschubleistung der Hohenzollernfamilie für die NS-Diktatur stellt die WamS (Susanne Gaschke) die Hintergründe des auch verwaltungsgerichtlich ausgetragenen Streits über Rückübertragungsansprüche der früheren deutschen Herrscherfamilie vertieft dar.

Thilo Sarrazin: Heribert Prantl (Samstags-SZ) begrüßt in einer Kolumne den offenbar bevorstehenden Parteiausschluss des Bestseller-Autors Thilo Sarrazin. Auch dessen angekündigter Gang vor "die Justiz samt Bundesverfassungsgericht" dürfte die erwartete Entscheidung der SPD-Bundes-schiedskommission bestätigen. Dies sei richtig, weil politische Parteien Gesinnungsvereine seien und keine Pflicht hätten, "Anschluss zu gewähren". In einem Gastbeitrag für die WamS (Zusammenfassung) äußert sich der frühere Berliner Finanzsenator zu seinen Beweggründen und wirft seinen Genossen vor, sich nicht inhaltlich mit den Thesen seiner Bücher auseinandergesetzt zu haben. Der SPD drohe die Abwendung "von der Wirklichkeit", wenn sie sich "an Gesinnungen klammert".

 

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lto/mpi

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. Februar 2020: Mietendeckel wirkt / Marke Greta / Brexit delivered . In: Legal Tribune Online, 03.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40059/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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