Die juristische Presseschau vom 1. März 2016: NPD-Ver­bots­ver­hand­lungen starten / Hoeneß ent­lassen / His­to­ri­sches Urteil in Gua­te­mala

01.03.2016

Recht in der Welt

Schweiz – Verschärfung der Abschiebepraxis: Nachdem sich 60 Prozent der Schweizer am Sonntag gegen die "Durchsetzungsinitiative" ausgesprochen haben, wird es mit "Ausschaffungsinitiative" dennoch eine strengere Abschiebepraxis geben, wie die SZ (Charlotte Theile) erklärt. Außer in Härtefällen sollen bestimmte Delikte stets eine Abschiebung nach sich ziehen – das gelte auch für EU-Bürger. In einem seperaten Kommentar erläutert Theile in der SZ die Bedeutung des "Neins" zur "Durchsetzungsinitiative", das "im Land der direkten Demokratie eine plötzliche "Angst vor dem Totalitarismus" gezeigt habe.

Guatemala – Verurteilungen wegen Vergewaltigung: Im ersten Vergewaltigungsprozess gegen Militärs im guatemaltekischen Bürgerkrieg sind die beiden Angeklagten zu 120 und 240 Jahren Haft verurteilt worden. Im Jahr 1982 waren die Frauen einer Gemeinde vom Militär versklavt und vergewaltigt worden; geahndet wurden diese Taten bislang ebensowenig wie die tausendfachen anderen Fälle, berichtet die taz (Knut Henkel). In einem Kommentar in der taz bezeichnet Henkel das Urteil als ein Signal, für das die Frauenbewegung in Guatemala jahrelang gekämpft hat, wo sexualisierte Gewalt nach wie vor tagtäglich vorkommt.

Frankreich – Dschungel: In Frankreich haben Bauarbeiter unter Polizeischutz mit der umstrittenen Räumung des Flüchtlingslagers in Calais begonnen, in dem vielfach Menschen wohnen, die durch den Eurotunnel nach Großbritannien kommen wollen. Ein Gericht in Lille hatte den Abriss des südlichen Teil des Lagers in der vergangenen Woche für zulässig erklärt. Die Behörden sprechen von 1.000, Hilfsorganisationen von rund 3.500 betroffenen Flüchtlingen, berichtet die taz (Tobias Müller).

Pakistan – Hinrichtung: In Pakistan wurde das Todesurteil gegen Malik Mumtaz Hussain Qadri vollstreckt, wie spiegel.de meldet. Dieser war 2011 verurteilt worden, weil er als Leibwächter des Politikers Salman Taseer eingesetzt war und diesen erschossen hatte. Qadri hatte dazu erklärt, Taseer nicht vorsätzlich getötet, sondern "gemäß den Vorschriften des Islams" gehandelt zu haben. Taseer hatte sich gegen das Blasphemie-Gesetz eingesetzt, mit dem "Beleidigung der Islam" mit der Todesstrafe bedroht ist.

Vietnam – Staatskritiker in Haft: Die taz (Sven Hansen) berichtet ausführlich über den prominenten vietnamesischen Blogger Nguyen Huu Vinh, der seit nunmehr knapp zwei Jahren in Haft sitzt, ohne verurteilt worden zu sein. Der Vorwurf lautet "Missbrauch demokratischer Freiheiten" nach Artikel 258 des vietnamesischen Strafgesetzbuches. In Vietnam seien momentan 14 Blogger inhaftiert.

Japan – Fukushima: Wegen des GAU im japanischen Fukushima 2011 werden nun kurz vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist doch noch drei Manager des AKW-Betreibers Tepco angeklagt. Es geht um Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht mit den Folgen Tod und Körperverletzung. Eine Bürgergruppe hatte jahrelang um die Anklagen gekämpft. Bislang gab es keinerlei Verfahren im Zusammenhang mit der Katastrophe, berichtet die taz (Martin Fritz).

Nordkorea – Öffentliches Geständnis Wie spiegel.de berichtet, hat der 21-jährige US-Student Otto Warmbier bei einem offenbar erzwungenen Auftritt vor Medienvertretern ein Geständnis abgelegt. Ihm wird vorgeworfen, während einer fünftägigen Nordkoreareise ein politisches Banner aus dem Mitarbeiterbereich des Yanggakdo-Hotels entwendet zu haben; seither sitzt er in Haft.

Sonstiges

Krankheitsgeschichte bei Risikolebensversicherung: Die SZ (Anne-Christin Gröger) befasst sich mit dem Umfang der Auskunftsrechte, die der Versicherer hinsichtlich der Krankenakte eines verstorbenen Versicherungskunden hat. Bei Vertragsschluss forderten die Versicherungen eine Schweigepflichtentbindung, um das Risiko abschätzen zu können – Experten rieten jedoch davon ab, diese pauschal abzugeben, damit der Versicherer nach dem Tod nicht die gesamte Akte einsehen dürfe, sondern nur die Krankheitsinformationen im Zusammenhang mit der Todesursache. Eine bereits abgegebene Erklärung könne unter Umständen widerrufen und die Entscheidung über die Einsicht auch auf die Hinterbliebenen übertragen werden.

Das Letzte zum Schluss

Kleinkind in Haft? Die gute Nachricht zuerst: Ein Sprecher des ägyptischen Innenministeriums versicherte, dass ein Dreijähriger die gegen ihn verhängte lebenslange Gefängnisstrafe nicht antreten müsse. Im Januar 2014 soll sich das Kleinkind an gewalttätigen Protesten beteiligt haben – im Alter von immerhin 16 Monaten. Ein erstes Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis, ein zweites dann zu lebenslanger Haft. Erst als die Polizei den Täter ins Gefängnis bringen wollte, fiel auf, dass etwas faul sein könnte, woraufhin die Polizei eben den Vater des Jungen mitnahm und vier Monate ins Gefängnis steckte. Schließlich bat der Vater in einer Fernseh-Talkshow völlig aufgelöst um Aussetzung der Strafe für das Kind. Daraufhin teilte der zugeschaltete Minister mit, es habe sich um eine Verwechslung gehandelt, verurteilt hätte ein anderer werden sollen. Der Vorfall hat dem Ruf des vielfach kritisierten ägyptischen Justizsystems einen weiteren Knick eingehandelt, berichtet Justillon (Stefan Meier).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lil

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. März 2016: NPD-Verbotsverhandlungen starten / Hoeneß entlassen / Historisches Urteil in Guatemala . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18646/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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