Die juristische Presseschau vom 3. Juli 2013: Keine Aufnahme für Snowden – Haftstrafen für Spione – 200 Stunden Videomaterial für Verteidigung

03.07.2013

Es hatte sich angedeutet – der flüchtige Edward Snowden erhält kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik. Außerdem in der Presseschau: Haftstrafen für ein russisches Spionagepärchen, 200 Stunden neues Videomaterial führen zu einer Verfahrensaussetzung, die strafrechtlichen Tücken der Litigation-PR und warum es sich nicht strafschärfend auswirkt, einen Polizisten als Bruder zu haben.

Kein Aufenthaltsrecht für Snowden: Nach Meldung von suedddeutsche.de (Stefan Braun/Susanne Höll) und der FAZ (Majid Sattar/Thomas Holl/Matthias Rüb) hat die Bundesregierung gestern Abend eine Aufnahme von Edward Snowden, dem flüchtigen Aufdecker des NSA-Spionageskandals, abgelehnt. Zuvor hatte Snowden per Fax bei der deutschen Botschaft in Moskau Asyl beantragt.

Die SZ (Heribert Prantl) schildert die Rechtslage: So könne ein Asylantrag in Deutschland nicht aus dem Ausland gestellt werden. Einen Ausweg biete nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes, welche die Bundesregierung nun abgelehnt habe. Würde Snowden dennoch auf illegale Weise nach Deutschland einreisen, wäre er mit einem Auslieferungsgesuch der USA auf Grundlage des Auslieferungsabkommens mit Deutschland konfrontiert. Das Auslieferungsverfahren gehe dann laut Asylverfahrensgesetz der Anerkennung eines Asylantrags vor. Allerdings gebe es bisher keinen Fall, in dem Deutschland einen Menschen ausgeliefert hat, der als asylberechtigt anerkannt war. Sollte es Snowden also irgendwie nach Deutschland schaffen, beträte er juristisches Neuland.

Heribert Prantl (SZ) findet, die Handeln Snowdens verdiene Anerkennung, die seitens des deutschen Staats in einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis liegen könne. Dass die Bundesregierung diese humane Geste verweigere, sei feige. "Den "Dienst" Snowdens zu beurteilen wäre immer noch Sache der amerikanischen Justiz", meint dagegen Jasper von Altenbockum (FAZ).

Datenüberwachung und Strafverfolgung: Nach einem Bericht von spiegel.de (Thomas Darnstädt) prüfen der Generalbundesanwalt und weitere deutsche Staatsanwaltschaften derzeit, ob gegen Verantwortliche der Geheimdienste von USA und Großbritannien strafrechtlich ermittelt werden soll. Das millionenfache Abgreifen von Kommunikationsdaten deutscher Bürger und der Versuch, deutsche Politiker zu belauschen, gelte hierzulande als "Ausspähen von Daten", "Abfangen von Daten" oder sogar als "Geheimdienstliche Agententätigkeit".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Asylrecht: Am Freitag steht im Bundesrat eine Änderung des Asylgesetzes zur Abstimmung, wonach bei einer Summierung von Diskriminierungen Asyl gewährt werden muss. Wie die taz (Christian Rath) erläutert, könnten sich dadurch die Chancen für Asylanträge von Roma aus Serbien und Mazedonien erhöhen, die bisher fast immer abgelehnt werden, da sie nicht wegen ihrer Ethnie verfolgt, sondern am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und bei der Gewährung von Sozialleistungen diskriminiert werden. Allerdings müsse auch nach der jetzigen Rechtslage bereits die Verfolgung durch "kumulative Maßnahmen" geprüft werden; die Neuregelung ändere die Rechtslage also nicht, sondern mache sie nur "sichtbarer".

Recht auf Vergessenwerden: Die SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich mit unterschiedlichen Positionen in der juristischen "Grundsatzdebatte", ob es im Internet ein Recht auf Vergessenwerden, also einen Anspruch auf Löschung persönlicher Daten aus dem Netz geben soll. Einen solchen Anspruch regelt der Entwurf einer EU-Datenschutz-Grundverordnung, die letztes Jahr vorgelegt wurde; zudem sei derzeit der EuGH mit einem entsprechenden Fall befasst. Auf nationaler Ebene habe vor wenigen Wochen der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Autocomplete-Funktion bei Suchmaschinen ein "kleines Recht auf Vergessenwerden" formuliert. Nach einem Vorschlag des österreichischen Juristen Viktor Mayer-Schönberger sollen Daten bereits beim Speichern mit einem Verfallsdatum versehen werden.

Impfpflicht gegen Masern: Nach Information der FAZ (Peter-Philipp Schmidt) erwägt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, eine Impfpflicht gegen Masern einzuführen. Eine solche Impfpflicht könne nach dem Infektionsschutzgesetz vom Bundesgesundheitsministerium durch Rechtsverordnung festgelegt werden, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Seit 1984 ist es das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation, die Masern zu eliminieren. Doch nicht zuletzt in Deutschland komme es immer wieder zu großen Ausbrüchen - auch in diesem Jahr wieder.

Bußgelder bei Kartellrechtsverstößen: Rechtsanwalt Carsten Grave erklärt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard die Berechnungsweise der Bußgeldzumessung bei Kartellrechtsverstößen nach den neuen Leitlinien des Bundeskartellamts. Grund für die Neuregelung ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Grauzementkartell vom Februar dieses Jahres, wonach die gesetzliche Begrenzung des Bußgelds auf zehn Prozent des Konzernumsatzes nicht wie in den bisherigen Richtlinien als Kappungsgrenze, sondern als Bußgeldobergrenze für den denkbar schwersten Fall eines Verstoßes durch ein Unternehmen anzusehen sei. Auch wenn das Bundeskartellamt angekündigt habe, die Höhe der Geldbußen würde sich im Schnitt nicht verändern, so blieben die Wirkungen der neuen Leitlinien doch abzuwarten.

Personalisierte Werbung: Rechtsanwalt Dennis Voigt erläutert auf der Recht und Steuern-Seite der FAZ die neuen Anwendungsempfehlungen der Landesdatenschutzbehörden für das Bundesdatenschutzgesetz bei personalisierter Werbung. Danach dürfen Werbende die personalisierte Mail-Adresse von Bestandskunden zu den Kundendaten hinzuspeichern und unter bestimmten Voraussetzungen zur Werbung verwenden. Damit werde der Widerspruch aufgelöst, dass solche "Follow-up"-Werbung bisher wettbewerbsrechtlich ohne Einwilligung der Adressaten zulässig war, datenschutzrechtlich eine solche jedoch als erforderlich angesehen wurde.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. Juli 2013: Keine Aufnahme für Snowden – Haftstrafen für Spione – 200 Stunden Videomaterial für Verteidigung . In: Legal Tribune Online, 03.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9064/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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