Die juristische Presseschau vom 23. Juli 2013: Begnadigung in Dubai - Verteidigungsminister gegen die Presse - Nächste Runde im Suhrkamp-Streit

23.07.2013

Justiz im Schnelldurchlauf: In der vergangenen Woche wurde eine Norwegerin, die in Dubai eine Vergewaltigung angezeigt hatte, wegen außerehelichem Sex verurteilt. Nun wurde sie begnadigt. Außerdem in der Presseschau: Grundrechts-Grundkurs für Grüne, Verteidigungsministerium gegen die WAZ, Neuigkeiten bei Suhrkamp, Geheimgericht in den USA und hitzefrei am Arbeitsplatz.

Dubai/Norwegen – Vergewaltigung: Der Fall hatte für internationales Aufsehen gesorgt: Eine 24-jährige Norwegerin zeigt in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine mutmaßlich durch einen Kollegen verübte Vergewaltigung an und wird daraufhin nach zum Teil erniedrigenden Verhören wegen sittenwidrigen Verhaltens durch außerehelichen Geschlechtsverkehr, illegalen Alkoholkonsums und Falschaussage zu 16 Monaten Haft verurteilt. Wie die taz (Reinhard Wolff) schreibt, ist die Frau nun nach Kritik der norwegischen Regierung durch den Emir von Dubai begnadigt worden. Nach Aushändigung ihres zuvor eingezogenen Passes könne sie das Land verlassen. Die Begnadigung habe sich auch auf den mutmaßlichen Täter, der wegen Geschlechtsverkehr und Alkoholkonsum mit 13 Monaten Haft bestraft wurde, erstreckt. Auch die FAZ und die SZ berichten.

Ines Kappert (taz) kommentiert im Leitartikel, dass wohl nur die "Aussicht, Aufträge zu verlieren (…) das geschäftstüchtige Dubai" dazu bewegen könne, "sich bei der Zivilisierung etwas zu beeilen". Dass die Frau dem "Unrechtsstaat entkommen" sei und "Öffentlichkeit für eine riesige Schweinerei" geschaffen habe, verdanke sie fehlenden Zweifeln darüber, selbst etwas falsch gemacht zu haben – und der Unterstützung ihrer Regierung.

In einem weiteren Beitrag beschreibt die taz (Inga Rogg) die Rechtslage in den Vereinigten Arabischen Emiraten. So gelte gemäß den Bestimmungen der Scharia als Vergewaltigung nur Ehebruch oder der außereheliche Geschlechtsverkehr. Zudem trage das Opfer die Beweislast: Wenn der Täter kein Geständnis ablege, müsse die Frau vier männliche Zeugen für die Tat benennen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Euro Hawk-Untersuchungsausschuss: Den am Montag einberufenen Bundestags-Untersuchungsausschuss um die geplatzte Anschaffung von Euro Hawk-Drohnen kommentiert Reinhard Müller (FAZ) in einem Leitartikel als Wahlkampf-"Dröhnung". Über diesem gehe "die Sache" verloren, nämlich die Frage, ob Deutschland und die Bundeswehr Drohnen brauche. Der Autor bejaht diese Frage. Wie bei jedem Projekt, das "viel teurer wird als geplant", hätte es gegolten, zwischen Kosten und Nutzen abzuwägen; der Bundesregierung hätte zudem der Weg offengestanden, die Zulassungsregeln für die Geräte zu verändern. Die Bestimmungen seien schließlich keine "göttlichen Gebote" und also gleich "neue(n) Formen des Zusammenlebens" auslegungsfähig.

Grundrechte-Grundkurs: Den am Wochenende veröffentlichten Aufruf der Grünen-Spitzenpolitiker Trittin und Göring-Eckardt, Art. 10 des Grundgesetzes zu einem Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis "auch für die digitale Welt" auszubauen, unterzieht die taz (Christian Rath) einer kritischen Nachlese. Das betreffende Grundrecht enthalte neben dem Post- und Brief- auch das Fernmeldegeheimnis, weshalb das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf neue Technologien bereits seit 2006 von der Telekommunikationsfreiheit spreche und E-Mails und SMS daher auch nicht ungeschützt seien. Auch scheue man sich in Karlsruhe nicht davor, neue Grundrechte zu erfinden, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von 1983 und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme von 2008 bewiesen.

In seinem Kommentar stellt Christian Rath (taz) fest, dass das Internet offenbar "nicht nur für Angela Merkel Neuland" sei. Problematisch sei angesichts des NSA-Spähskandals nicht das deutsche Recht, sondern vielmehr der Umstand, dass durch das Grundgesetz eben nur der deutsche Staat und nicht amerikanische Geheimdienste verpflichtet würden. Das letztere an deutschen Internetknoten Daten ausspähten, sei bislang "nur ein unbewiesenes Gerücht".

Arbeiterunterkünfte: Am 13. Juli kamen bei einem Brand in einer Unterkunft für Werftarbeiter in Papenburg zwei Rumänen ums Leben. Ein Beitrag im Wirtschafts-Teil der FAZ (Dietrich Creutzburg) setzt sich mit den gesetzlichen Bestimmungen zu den Mindeststandards derartiger Unterkünfte auseinander. Die SZ (Kristina Läsker) beschreibt in einer Reportage die Arbeitsbedingungen auf der Werft.  

Gebührenreform: Rechtsanwalt Detlef Burhoff erinnert im blog.strafrecht.jurion.de den Bundespräsidenten Gauck im Namen von "ca. 160.000 Rechtsanwälte(n)" daran, dass vor fast drei Wochen vom Bundesrat gebilligte Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts zu unterschreiben. Nur wenn das Gesetz noch in diesem Monat im Bundesgesetzblatt veröffentlicht würde, könne die Reform zum 1. August in Kraft treten. Die Unterschrift des Bundespräsidenten sei hierfür Voraussetzung.

Rassismus: Einer Agentur-Meldung der SZ zufolge prüft das Bundesjustizministerium nach einer Rüge eines Ausschusses der Vereinten Nationen wegen des strafrechtlichen Umgangs mit dem Fall Thilo Sarrazin, ob eine Änderung des § 130 StGB (Volksverhetzung) nötig ist. Zudem werde überlegt, ob in Ermittlungsverfahren ein besonderes Augenmerk auf rassistische Motive gelegt werden müsse.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Juli 2013: Begnadigung in Dubai - Verteidigungsminister gegen die Presse - Nächste Runde im Suhrkamp-Streit . In: Legal Tribune Online, 23.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9192/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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