Die juristische Presseschau vom 16. August 2013: Haftstrafen im Fall Johnny K. – Ein drittes Geschlecht im Gesetz – Anklage gegen Wulff

16.08.2013

Im Fall Johnny K. hat das Landgericht Berlin die sechs Angeklagten zu Haftstrafen verurteilt. Außerdem in Presseschau: Ein "drittes Geschlecht" schleicht sich in die Rechtsordnung, Wulff soll angeblich wegen Vorteilsnahme angeklagt werden, Anwälte reden erwiesenermaßen Fachchinesisch – und ein Journalist möchte wohl mal in der ARD "Arschloch" sagen.

Urteil im Fall Johnny K.: Das Landgericht Berlin hat für alle Angeklagten im Fall Johnny K. Haftstrafen verhängt. Viereinhalb Jahre Haft wegen Körperverletzung für Onur U. als Haupttäter, für die fünf weiteren Angeklagten zwischen zwei Jahren und drei Monaten und zwei Jahren und acht Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei. Die sechs jungen Männer hatten den 19-jährigen Johnny K. im Oktober vergangenen Jahres auf dem Alexanderplatz verprügelt. Dass Johnny K. an den Verletzungen starb, sei dabei Onur U. zuzurechnen, weil er den ersten Schlag gesetzt habe, so das Gericht. Von dem Prozess berichtet die SZ (Constanze von Bullion) in einer ausführlichen Reportage auf der Seite 3, sowie spiegel.de (Julia Jüttner) und die taz (Plutonia Plarre).

Weil die Täter aus türkischen Familien kommen, widmet sich die taz (Daniel Bax) Kriminalitätsstatistiken, wonach Gewalttaten auffällig oft von jungen Männern mit Migrationshintergrund verübt werden. Dafür sei jedoch weniger die Herkunft, als mehr der Bildungsstand, die soziale Lage und der Erziehungsstil ausschlaggebend.

Michael Mielke (Welt) kommentiert, kein Strafmaß könne den Tod eines Menschen aufwiegen. Das Gericht habe Schuld der Täter und die Umstände der Tat einordnen müssen – der Fall sei ein "sinnloser" und "feiger" Angriff gewesen, aber "kein eiskalt geplanter Mord". In einem weiteren Kommentar fragt sich Daniel Bax (taz) wie auf den Tod Johnny K.'s angemessen reagiert werden könnte. Um solche Taten zu verhindern, sei "Präventionsarbeit im Kleinen" notwendig.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Das Leerstellen-Geschlecht: Auf eine bisher wenig beachtete "juristische Revolution" macht die SZ (Heribert Prantl) aufmerksam. Ab dem 1. November gilt eine Änderung des Personenstandsgesetzes, wonach bei intersexuellen Menschen auf eine Geschlechtsangabe im Geburtenregister verzichtet werden kann. Das führe faktisch zu einem "dritten Geschlecht" und werfe zahlreiche Rechtsfragen auf, weil weitere Gesetze, die auf "Frauen" oder "Männer" Bezug nehmen, nicht geändert wurden. Unklar sei etwa, welche Regeln für die Eheschließung und die Lebenspartnerschaft gelten.

"No-Spy"-Abkommen: Das geplante deutsch-amerikanische "No-Spy"-Abkommen begründe kein rechtlich durchsetzbares Verbot von US-Spionage, berichtet die SZ (Susanne Höll) unter Berufung auf "deutsche Sicherheitskreise". Auch Patrick Beuth (zeit.de) ist der Ansicht, an der Überwachung der "ganz normalen Menschen" werde sich nichts ändern. Lediglich Behörden und Wirtschaft würden verschont bleiben. Die taz (Astrid Geisler) führt ein Interview mit Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und Vizevorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er bewirbt das "No-Spy"-Abkommen als "bemerkenswerten Vorschlag". Es handele sich um eine Selbstverpflichtung der Geheimdienste und die Zusicherung, wechselseitig die Gesetze zu achten.

Funkzellenabfrage in Schleswig-Holstein: Nach Berlin und Sachsen hat auch Schleswig-Holstein offenbar massenhaft Handy-Daten abgefragt. netzpolitik.org (Andre Meister) berichtet über eine Antwort der Landesregierung auf Anfrage der Piraten-Fraktion. Demnach seien in den letzten vier Jahren 848 Funkzellenabfragen durchgeführt worden. Die Praxis sei datenschutzrechtlich zweifelhaft. So werde die Funkzellenabfrage nicht nur bei schweren Straftaten eingesetzt und auch dann, wenn der Tatverdächtige das Handy nur mitgeführt, aber nicht telefoniert hat. Zumindest werde "fast immer" ein richterlicher Beschluss oder eine "staatsanwaltliche Eilanordnung" eingeholt.

Bundesjustizministerin im Interview: Die Welt (Berndt Röttger/Matthias Iken/Christian Unger) spricht mit der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Bürgerrechte und den NSA-Skandal, Steuerpläne, die PKW-Maut für Ausländer und den Vorwurf, auch in der FDP habe es Debatten zur Straffreiheit für Pädophilie gegeben.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. August 2013: Haftstrafen im Fall Johnny K. – Ein drittes Geschlecht im Gesetz – Anklage gegen Wulff . In: Legal Tribune Online, 16.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9372/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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