Die juristische Presseschau vom 12. September 2013: Schwimmen mit Burkini – Gekündigte Lebensversicherung weiter teuer – Bumerang für Deutsche Bank

12.09.2013

Das Bundesverwaltungsgericht korrigiert seine Rechtsprechung und will koedukativen Schwimmunterricht auch muslimischen Mädchen zumuten – "Burkini" sei Dank. Außerdem in der Presseschau: BGH zu gekündigten Lebensversicherungen, Deutsche Bank von Arbeitsgericht bloßgestellt, TÜV wegen Silikonbusen verklagt und eine Scheidung per Klippe.

Thema des Tages

BVerwG zu Schwimmunterricht: Das Bundesverwaltungsgericht will auch muslimischen Schülerinnen gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht zumuten und korrigiert damit seine Rechtsprechung von 1993, als es eine Befreiung vom Sportunterricht* aus Gründen der Glaubensfreiheit noch für geboten hielt. Die taz (Christian Rath) berichtet und lässt auch die Anwälte der Eltern zu Wort kommen.

Jasper von Altenbockum (FAZ) begrüßt das Urteil und weist auf den vom Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle betonten "Integrationsauftrag" des Grundgesetzes hin, der einer Abschottung religiöser Minderheiten entgegenstehe. Max Steinbeis (verfassungsblog.de) spitzt zu, hier habe "ein Akt der Modeschöpfung" die "Verfassungslandschaft verändert".

Kritisch sieht Steinbeis, dass das Gericht eine Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit durch die Konfrontation mit dem Glauben widersprechenden Anblicken – hier: knapp bekleideter Jungen – mit dem Argument verneint, das Grundrecht schütze nicht vor der Auseinandersetzung mit den Verhaltensweisen Dritter. Was "schön liberal" klinge blende aus, dass die Konfrontation in einer staatlich auferlegten Zwangssituation erfolge. Marlene Weiß (SZ) sieht das anders: Alltägliche Anblicke seien eine "zumutbare Zumutung". Christian Bommarius (FR) sieht darin schon gar kein Glaubensgebot, sondern eines der "oktroyierten Moral der Eltern des Mädchens".

Daniel Bax (taz) wirbt im Spannungsfeld Religionsfreiheit und Schulpflicht für das Aushandeln von Kompromissen statt dem Beharren auf prinzipiellen Festlegungen.

BVerwG zu Krabat-Film: In einem weiteren Urteil im Spannungsfeld Religionsfreiheit-Schulpflicht hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Vorführung eines Films, der Darstellungen schwarzer Magie enthält – hier: die Verfilmung des Romans "Krabat" – nicht die Unterrichtsbefreiung eines Kindes erfordere, dessen Glaube die Befassung mit schwarzer Magie verbiete. Das von den klagenden Eltern, Anhänger der Zeugen Jehovas, geltend gemachte "religiöse Tabuisierungsgebot" laufe dem schulischen Bildungsauftrag "im Kern zuwider", dokumentiert die FAZ (Friedrich Schmidt). Wie die taz (Christian Rath) berichtet, habe der Vorsitzende Richter betont, dass Befreiungsentscheidungen "verallgemeinerungsfähig" sein müssten – und auf religiöse Besonderheiten nur "ausnahmsweise" Rücksicht genommen werden müsse.

Rechtspolitik

EU-Beitritt zur EMRK: Auf verfassungsblog.de analysiert der Europarechtler Daniel Thym den Entwurf des Übereinkommens zum Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser werfe einige Fragen zum Vorrang des Unionsrechts auf, die der Europäische Gerichtshof in seinem von der Kommission in Auftrag gegebenen Gutachten zur Unionsrechtskonformität zu beantworten habe. Entscheidend sei die Beurteilung der Zurechnungsregeln von Rechtsakten und der Beteiligungsmechanismus für die EU-Organe in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Reform der Psychiatrie-Unterbringung: Wie die Zeit (Stefanie Schramm) auf ihrer "Wissen"-Seite berichtet, hat die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychologie, Psychosomatik und Nervenheilkunde Vertreter des Bundesjustizministeriums eingeladen, um über die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eingeforderte Reform der Unterbringung psychisch Kranker Straftäter zu diskutieren. So basierten die Regelungen des Strafgesetzbuches zur Schuldfähigkeit auf veralteten psychiatrischen Konzepten und entsprächen nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Adoptionsrecht für Homosexuelle: Die CDU will "von sich aus" kein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare einführen – sondern dies höchstens unter dem Zwang eines Bundesverfassungsgerichtsurteils tun. Dies hat nach einem Bericht von spiegel.de Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel bei einem Fernsehauftritt betont.

Bundesrat wird Manager-Gesetz stoppen: Nach einem Bericht des Handelsblatts (Heike Anger) werden die SPD-geführten Bundesländer das Gesetz zur Begrenzung der Managergehälter durch Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat stoppen. Hintergrund sei wohl Druck der Gewerkschaften, die ihre Mitbestimmungsrechte im Aufsichtsrat ausgehebelt sähen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. September 2013: Schwimmen mit Burkini – Gekündigte Lebensversicherung weiter teuer – Bumerang für Deutsche Bank . In: Legal Tribune Online, 12.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9541/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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