Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2015: NPD-Verbot / Fragen an Zschäpe / Haft für IS-Rück­kehrer

08.12.2015

Justiz

BGH – Transplantationsskandal: Nach dem Freispruch eines Transplantationschirurgen durch das Landgericht Göttingen im vergangenen Mai hat nach Meldung der taz die Staatsanwaltschaft Braunschweig nun beim Bundesgerichtshof die Begründung ihres Revisionsantrags eingereicht.

BGH zu Trennungssystem: Rechtsanwalt Christian Harmsen begrüßt in einem Gastbeitrag für das HBl ein Urteil des Bundesgerichtshofs zum patentrechtlichen Trennungssystem. Im Juni habe das Gericht die Gültigkeit des Systems, nach dem Patentverletzer ein erteiltes Patent in einem getrennten Verfahren vor dem Bundespatentgericht vernichten müssen, bestätigt. Dass es in getrennten Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, sei nach dem BGH hinzunehmen.

BVerwG zu Geheimschutzverstößen: Geheimschutzverstöße beim Bundesnachrichtendienst (BND) sind selbst keine Geheimnisse, das Bundeskanzleramt hat dementsprechend Auskunft zu journalistischen Anfragen zu erteilen. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht im September. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) schreibt zu der aufgrund des Beschlusses nun erteilten Auskunft. Nach dieser wurden bis einschließlich Oktober beim BND 32 Verstöße gegen Geheimschutzbestimmungen festgestellt. Fast alle dieser Verstöße beruhten auf Medienveröffentlichungen, inwiefern deswegen Ermittlungsverfahren gegen verdächtige Journalisten geführt werden, sei nicht mitgeteilt worden.

BSG zu Sozialhilfe für EU-Bürger: Die "ganz eigene und unerwartete Lösung" des Bundessozialgerichts bei der in der vergangenen Woche entschiedenen Frage eines Sozialhilfeanspruchs für EU-Bürger behandelt nun auch die BadZ (Christian Rath). Der Beitrag umreisst die Entscheidungsgeschichte des Urteils und gibt auch Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wieder.

OLG München – NSU: Im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München steht die nun schon länger angekündigte Einlassung der Hauptangeklagten unmittelbar bevor. zeit.de (Tom Sundermann) zählt fünf Fragen auf, zu denen sich Zschäpe erklären muss, um ihr mutmaßliches Ziel eines "Strafrabatts" zu erreichen. Gegenüber der SZ (Annette Ramelsberger) erklärte Zschäpes Verteidiger Matthias Grasel, dass die ca. 50 Seiten lange, von ihm verlesene Erklärung sowohl auf persönliche Umstände der Angeklagten als auch die erhobenen Vorwürfe eingehen werde. Sein Kollege Hermann Borchert habe angeregt, den nach der Erklärung am Mittwoch geplanten Verhandlungstermin am Folgetag auszusetzen, um Zschäpe den nötigen Abstand zu gewähren. Bezüglich der Beantwortung von Fragen der Prozessbeteiligten mit Ausnahme der Nebenklagevertretern schwebe beiden Anwälten eine Sammlung und die darauffolgende schriftliche Beantwortung vor.

OLG Celle zu IS-Rückkehrern: Wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland hat das Oberlandesgericht Celle beide Wolfsburger IS-Rückkehrer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das die IS-Mitgliedschaft der Verurteilten nur kurz währte, sei vom Gericht ebenso zu ihren Gunsten gewertet worden wie die "eindeutige und glaubhafte" Abwendung vom IS, so die FAZ (Reinhard Bingener). Dessen Charakter als Terrororganisation hätten sie jedoch bereits vor der Ausreise kennen müssen. Nach Auffassung des Gerichts hätten die beiden Syrien weder gefoltert noch getötet. Auch spiegel.de (Wiebke Ramm) schreibt über die Entscheidung.

Heribert Prantl (SZ) prognostiziert, dass den nun Verurteilten weitere IS-Rückkehrer in die Gefängnisse folgen. Den Haftanstalten stehe damit ein "Dschhad hinter Gittern" bevor, der aus der "wichtigsten Aufgabe des Strafvollzugs", der Resozialisierung, eine "Deradikalisierung" mache.

OLG Düsseldorf – Salafisten: Die FAZ (Reinhard Bingener) schreibt zum Verfahren gegen mehrere Salafisten, die sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen des gescheiterten Anschlags am Bonner Hauptbahnhof und der geplanten Tötung des ProNRW-Vorsitzenden verantworten müssen. Auch die Vernehmung eines Sachverständigen habe nicht zweifelsfrei klären können, ob die am Bahnhof platzierte Bombe funktionsfähig war oder nicht.

OLG Stuttgart – Arhar al-Scham: Am Oberlandesgericht Stuttgart wird ab dem heutigen Dienstag gegen mutmaßliche Unterstützer der syrischen Terrorgruppe Arhar al-Scham verhandelt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, der Gruppe Ausrüstungsgegenstände geliefert zu haben, schreibt die taz (Christian Rath) und stellt die gegen den syrischen Präsidenten Assad kämpfende, islamistische Gruppe sowie weitere im Blickfeld deutscher Ermittler stehende Vereinigungen vor.

LG Freiburg zu Selbstjustiz: Im sogenannten Selbstjustizfall von Neuenburg hat das Landgericht Freiburg die beiden Hauptangeklagten wegen Mordes verurteilt. Der Geschädigte hatte mutmaßlich die Tochter bzw. Schwester der Verurteilten vergewaltigt, den Fahndungsbemühungen der Polizei hätten die Männer jedoch kein Vertrauen geschenkt, fasst die FAZ (Rüdiger Soldt, Zusammenfassung) die Argumentation des Gerichts zusammen. spiegel.de (Benjamin Schulz) berichtet ebenfalls.

LG Würzburg – Bandidos/LKA: Zum Verfahren gegen einen als V-Mann tätigen Mann aus der Rockerszene vor dem Landgericht Würzburg schreibt die SZ (Olaf Przybilla/Wolfgang Wittl). Bei der Vernehmung von Fahndern, die beim Angeklagten die verfahrensgegenständlichen Drogen bei einem grenznahen Zugriff sichergestellt hatten, sei zunächst dessen Darstellung, er habe das Rauschgift mit Wissen seines zuständigen LKA-Kontaktes transportiert, in Frage gestellt worden. Die im Anschluss erfolgte Vernehmung eines Kriminalbeamten habe jedoch nahegelegt, dass die übereinstimmende Aussage der Fahnder abgesprochen gewesen sei.

LG Detmold – SS-Wachmann: Ab voraussichtlich Mitte Februar muss sich ein 93-Jähriger vor dem Landgericht Detmold wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen verantworten. Die Zulassung der Anklage der nordrhein-westfälischen Zentralstelle für NS-Verbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen den früheren Wachmann im KZ Auschwitz meldet u.a. bild.de.

AG Lübben – sexueller Missbrauch: Vor dem Amtsgericht Lübben muss sich ab dem heutigen Dienstag ein Erzieher des mittlerweile geschlossenen Haasenburg-Erziehungsheims wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen verantworten. Nach Bericht der taz (Kaija Kutter) sind weitere Verfahren wegen Misshandlungen in den geschlossenen Heimen des Betreibers nicht zu erwarten. Denn gehe die zuständige Staatsanwaltschaft davon aus, dass mögliche Körperverletzungen von Heiminsassen verjährt seien. Bei ebenfalls in Frage kommenden Misshandlungen von Schutzbefohlenen bestehe keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit.

Die "zynischen" Einstellungsbegründungen veranlassen Kaija Kutter (taz) in einem separaten Kommentar zur Forderung einer Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Sei im Strafrecht die Formel "in dubio pro reo" einschlägig, müssten "schärfere Eingriffs- und Kontrollrechte" zum Schutz von Heimkindern nach dem Grundsatz "in dubio pro infante" durchgesetzt werden.

StA München I – Augustinum: Seit längerer Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft München I wegen fragwürdiger Immobiliengeschäfte des kirchennahen Sozialkonzerns Augustinum. In einer ausführlichen Darstellung des Falls schreibt die SZ (Klaus Ott), dass nun ein auch Bußgeldverfahren gegen den Leiter der Einrichtung, Markus Rückert, eingeleitet wurde. Dieser soll nach den Erkenntnissen eines unabhängigen Gutachters nicht nur "Opfer in einem grotesken Kriminalfall" gewesen sein – so die bisherige Darstellung Rückerts -, sondern die "erheblich nachteiligen" Geschäfte durch Verletzung seiner Aufsichtspflichten begünstigt haben. Ein weiterer Beitrag der SZ (Klaus Ott) befasst sich mit einem in der Sache eingeholten Gutachten einer Schriftsachverständigen.

StA Berlin – Lageso: Wegen mangelhafter Betreuung von Flüchtlingen durch das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) haben Mitglieder des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen Strafanzeige gegen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Behördenleiter Franz Allert erstattet. Im Gespräch mit der taz (Alke Wierth) erläutert Christina Clemm, Vorstandsmitglied beim RAV, die Beweggründe.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2015: NPD-Verbot / Fragen an Zschäpe / Haft für IS-Rückkehrer . In: Legal Tribune Online, 08.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17778/ (abgerufen am: 21.05.2024 )

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