EuGH zu verstärktem Aufenthaltsschutz nach jahrelangem Aufenthalt: Abschie­bung nur aus gewich­tigen Gründen

17.04.2018

Straffällige EU-Bürger, die sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen in einem Mitgliedstaat aufgehalten haben, genießen verstärkten Aufenthaltsschutz, so der EuGH. Eine Ausweisung bedürfe dann der Einzelfallprüfung.

Straffällige EU-Bürger können nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht ohne Weiteres in ihren Herkunftsstaat abgeschoben werden. Wenn sie fünf Jahre ununterbrochen in dem Aufnahmestaat verbracht haben und integriert sind, gelte ein verstärkter Ausweisungsschutz gemäß der Richtlinie über das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht, befanden die Luxemburger Richter am Dienstag (Urt. v. 17.04.2018, Az. C-316/16 u.a.). Nach einer Haftstrafe könnten sie deshalb nicht umstandslos ausgewiesen werden, im Einzelfall müsse die Situation des Betroffenen umfassend geprüft werden.

Hintergrund des Verfahrens sind zwei Fälle aus Deutschland und Großbritannien. Beide Täter lebten über 15 Jahre in dem jeweiligen Aufnahmestaat, bevor sie straffällig und rechtskräftig verurteilt wurden. Der Mann aus England war wegen Totschlags an seinem Mitbewohner zu acht Jahren Haft verurteilt worden, der Mann aus Deutschland zu fünf Jahren und acht Monaten Haft, nachdem er mit einer mit Gummischrot geladenen Pistole eine Spielhalle überfiel, um sich Geld zu verschaffen.

Nach ihrer Freilassung sollten die Betroffenen abgeschoben werden, nachdem gegen sie die Ausweisung verfügt worden war.

Zusätzlicher Aufenthaltsschutz nach zehn Jahren

Dies sei jedoch nicht ohne Weiteres möglich, entschied der EuGH. Aufgrund des über zehn Jahre währenden Aufenthaltes habe sich der Aufenthaltsschutz der zwei Männer zusätzlich verstärkt. Ab diesem Zeitpunkt seien nur noch "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geeignet, um eine Abschiebung zu rechtfertigen.

Erforderlich ist nach Auffassung der Luxemburger Richter daher eine Einzelfallprüfung, in der insbesondere die Integration in dem Aufnahmestaat, die Schwere der Straftat und die Art und Weise der Begehung berücksichtigt werden müssen.

Dabei stellte der EuGH ausdrücklich fest, dass die Inhaftierung in dem Aufnahmestaat nicht automatisch dazu führe, dass die Integrationsbande zu eben jenem Staat abreißen und den Betroffenen so um sein verstärktes Aufenthaltsrecht brächten. Entsprechend müsse bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer auch die Zeit der Inhaftierung berücksichtigt werden.

dpa/tik/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu verstärktem Aufenthaltsschutz nach jahrelangem Aufenthalt: Abschiebung nur aus gewichtigen Gründen . In: Legal Tribune Online, 17.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28111/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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