Verbandssanktionengesetz: Wo bleibt eigent­lich das Sank­ti­ons­recht für Unter­nehmen?

von Annelie Kaufmann und Dr. Markus Sehl

06.03.2020

Im August 2019 hat das BMJV einen ersten Entwurf vorgelegt – dann blieb es so lange ruhig, dass man schon glauben konnte, das wird nichts mehr. Offenbar haben Union und SPD sich in wesentlichen Streitpunkten geeinigt*.

Update: Am Freitagmorgen fand in Berlin ein vertrauliches Treffen zum Verbandssanktionengesetz statt. Mit dabei waren u.a. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, Vertreter des Bundesministeriums der Justiz (BMJV) sowie Rechtspolitiker von Union und SPD. Nach LTO-Informationen haben sie sich über letzte Streitpunkte bei dem Gesetzesvorhaben geeinigt. [Update Ende]*

Als gegen Ende des vergangenen Sommers der Entwurf für ein Verbandssanktionsgesetz bekannt wurde, war die Aufregung groß. Das Bundesjustizministerium (BMJV) hatte mit dem Plan für ein "Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" ein komplett neues Regelwerk mit 69 Paragraphen vorgelegt. Sehr knapp zusammengefasst: ein Strafrecht für Unternehmen, das kein Strafrecht sein will.

Konzeptioniert wurde das Ganze als ein verschärftes Ordnungswidrigkeitenrecht, speziell auf Unternehmenskriminalität zugeschnitten und mit verbraucherschützenden Elementen. Das Papier vermeidet es streng, von "Strafen" zu sprechen, und hält sich stattdessen an "Sanktionen". Der Begriff "Verbände" meint juristische Personen und Personenvereinigungen.

Schnell kam vom Koalitionspartner aus der CDU/CSU-Fraktion deutliche Kritik. Die Sanktionen würden Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Viele Wirtschaftsvertreter stehen dem Vorhaben schon lange mehr als skeptisch gegenüber. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat Anfang dieses Jahres den Referentenentwurf in einer Stellungnahme scharf kritisiert – es handele sich um ein "klandestines Unternehmensstrafrecht". Strafverteidiger halten insbesondere die Regelungen zu internen Untersuchungen und zur Beschlagnahme von Akten bei den Anwaltskanzleien für verfehlt.

CDU/CSU und SPD müssen sich einigen

Allerdings: Im Koalitionsvertrag ist das Vorhaben "Unternehmenssanktion" relativ detailliert skizziert, allzu viel Spielraum besteht bei der Umsetzung also nicht. Eine neue Regelung gilt als wichtiges Projekt – und die Zeit wird langsam knapp. Union und SPD werden sich zeitnah einigen müssen. Also wo steckt der Gesetzentwurf?

Sowohl aus dem Bundesjustizministerium als auch aus dem CDU-geführten Wirtschaftsministerium (BMWi) heißt es, der Entwurf befinde sich nach wie vor in der Ressortabstimmung – die Ministerien müssen sich also noch auf eine Fassung einigen, bevor dann die einschlägigen Verbände und Interessengruppen beteiligt werden, das Kabinett einen Beschluss fasst und schließlich das Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat beginnt.

Der Entwurf hat aber offenbar die Arbeitsebene der Fachjuristen verlassen und wurde zum Politikum innerhalb der großen Koalition, beteiligt sind also nicht nur die Ministerien, sondern auch die Koalitionsfraktionen im Bundestag. So umstritten das Projekt ist, beiden Partnern dürfte klar sein, dass sie eine schnelle Lösung finden müssen. Für die SPD ist das eine Prestigefrage. Und bei der Union ist man zwar nicht gerade begeistert, hat aber jetzt die Gelegenheit, einige Punkte abzuschwächen – und dürfte wissen, dass man dafür in der Verbändebeteiligung viel Rückenwind aus der Anwaltschaft und der Wirtschaft bekommen wird.

Spielräume bei der Verbandsauflösung

Weitgehend klar ist auch, wo noch Spielraum besteht und wo nicht. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte immer wieder, ihr Entwurf habe eins zu eins die im Koalitionsvertrag gemeinsam vereinbarten Vorgaben umgesetzt.

So müssen die Staatsanwaltschaften künftig zwingend ermitteln, wenn ein Anfangsverdacht für eine aus einem Unternehmen heraus begangene Straftat vorliegt, die Verfolgung steht nicht mehr in ihrem Ermessen. Die Höhe der Geldsanktion soll sich künftig an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren. Für große Wirtschaftsunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz können die Geldsanktionen bis zu zehn Prozent des Umsatzes betragen. Der BMJV-Entwurf sieht vor, dass es für kleinere Unternehmen beim bisherigen Sanktionsrahmen von maximal zehn Millionen Euro bei vorsätzlichen Straftaten bleibt.

Umstritten ist die Verbandsauflösung, die der BMJV-Entwurf in besonders schweren Fällen ermöglichen will. Dr. Jan-Marco Luczak, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion sagte gegenüber LTO: "Ich bin vehement gegen das Instrument der Verbandsauflösung. Sanktionen müssten stets verhältnismäßig sein, das ist bei diesem scharfen Schwert nicht der Fall."

… und bei internen Untersuchungen

Ein Herzstück des BMJV-Entwurfs bilden neue Vorgaben für sogenannte Internal Investigations. Wer als Unternehmen nach einem Vorfall interne Untersuchungen durchführt, kann mit Strafmilderung rechnen. Der Vorschlag des BMJV macht auch Angaben dazu, wie man sich eine sauber durchgeführte Aufklärung vorstellt. So sollen etwa die mit einer internen Untersuchung beauftragten Personen nicht zugleich Verteidiger des Unternehmens sein. Internal Investigations und Verteidigung sollen klar getrennt bleiben.

Auch das kritisiert Luczak: "Hier fehlt es an Rechtssicherheit, dabei müssen gerade diese Regeln in der Praxis funktionieren." Die geplante Generalklausel sieht vor, dass das Gericht die Verbandssanktion mildern kann, wenn die verbandsinterne Untersuchung "in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen" durchgeführt wird.

Das sei viel zu unbestimmt, meint Luczak: "Soll schon jeder Datenschutzverstoß oder Falschparken die Prüfung quasi infizieren?" Zugleich bleibe die Strafmilderung eine Frage des Ermessen, "selbst wenn alle Vorgaben bei der internen Prüfung perfekt eingehalten wurden“, so Luczak weiter. Er plädiert dafür, die Generalklausel entweder ganz zu streichen oder zumindest eine Erheblichkeitsschwelle einzuführen. Zudem unterlaufe die scharfe Trennung zwischen Untersuchung und Verteidigung das Anwaltsprivileg.

Einfach ein anderes Wording?

Obwohl schon der BMJV-Entwurf es strikt vermeidet, von "Strafen" zu sprechen, ist der Union der Ansatz insgesamt noch zu scharf: "Nicht die Sanktionen gegen Unternehmen sollten im Mittelpunkt stehen, sondern dass die Unternehmen sich rechtstreu verhalten – das muss sich auch im Namen des Gesetzes wiederspiegeln", sagt Luczak. Im Mittelpunkt sollten eher die Anreize für Unternehmen stehen.

Eine Blockadehaltung will die Union aber nicht einnehmen – sie verlegt sich darauf, Druck in Richtung BMJV zu machen. "Wenn das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll, muss sich das BMJV bei diesen Kritikpunkten bewegen, sonst schließt sich das Zeitfenster," so Luczak.

Bei der SPD ist man ebenfalls verhalten zuversichtlich. "Der Koalitionsvertrag macht sehr klare Vorgaben. Ich gehe davon aus, dass diese Vorgaben umgesetzt werden und ich bin auch optimistisch, dass wir noch vor der Sommerpause zu einer Einigung kommen", sagte der rechtspolitische Sprecher, Johannes Fechner, gegenüber LTO.

Möglich also, dass das Gesetz am Ende schlicht anders heißen wird.

*Anm. d. Red.: Update am Tag der Veröffentlichung, 18:20 Uhr

Zitiervorschlag

Verbandssanktionengesetz: Wo bleibt eigentlich das Sanktionsrecht für Unternehmen? . In: Legal Tribune Online, 06.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40701/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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