Tod nach Schönheits-OP vor dem BGH: Ber­liner Chirurg weist jede Schuld von sich

07.07.2011

Der BGH verhandelt am Donnerstag den dramatischen Verlauf einer Fettabsaugung, nach der im März 2006 eine 49-jährige Patientin des angeklagten Mediziners verstorben war. Das LG hatte den Arzt wegen eines Behandlungsfehlers zu einer Haftstrafe von mehr als vier Jahren verurteilt - nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und dem als Nebenkläger auftretenden Witwer viel zu milde.

Nach den Feststellungen des Landgerichts (LG) Berlin hatte der eigentlich im Fachgebiet Unfallchirurgie habilitierte Arzt den rund vierstündigen Eingriff in seiner Tagesklinik vorgenommen - allerdings ohne einen Anästhesisten, obwohl dies medizinisch dringend erforderlich gewesen wäre. Dabei habe er, so die Berliner Richter, seiner Patientin vorgetäuscht, dass ein entsprechend spezialisierter Kollege bei der Fettabsaugung anwesend sei.

Als die Frau dann gegen Ende der Operation einen Herzstillstand erlitt, habe der angeklagte Mediziner nach vergeblicher Reanimation zunächst keinen Notarzt alarmiert, obwohl deren Situation akut lebensbedrohlich gewesen sei. Als die Frau dann am Abend schließlich doch ins Krankenhaus eingeliefert wurde, sei es schon zu spät gewesen, die 49-Jährige verstarb zwei Wochen später.

In der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) schob der Chirurg wie auch in erster Instanz den weiterbehandelnden Ärzten die Schuld zu (Az. 5 StR 561/10): Die Patientin sei in einem stabilen Zustand gewesen, als sie mit einem Krankenwagen aus seiner chirurgischen Tagesklinik in das Krankenhaus gebracht wurde. Bei der Behandlung im Krankenhaus habe es dann "Ungereimtheiten" gegeben.

Nebenklage will Verurteilung wegen versuchten Mordes

Bereits das LG hatte die Einwände nicht gelten lassen (Urt. v. 01.03.2010, Az. 1 Kap Js 721/06 Ks): Der Angeklagte sei ein "profunder Mediziner", der dies alles hätte wissen müssen. Juristisch sei die Tat neben einer Körperverletzung mit Todesfolge als versuchter Totschlag zu werten. Bei der Reanimation habe der Arzt zwar noch keinen Tötungsvorsatz gehabt, da er die Patientin retten wollte.

Der Umstand, dass er später gegenüber dem Ehemann der Geschädigten sowie dem medizinischem Personal im Krankenhaus das Geschehen systematisch heruntergespielt habe, begründe dann aber einen bedingten Vorsatz. Rechtlich komme allerdings nur der Versuch eines Totschlags in Betracht, da nicht mit Sicherheit festzustellen sei, ob die Patientin zu dem maßgeblichen Bewertungszeitpunkt noch hätte gerettet werden können.

Mit der landgerichtlichen Entscheidung war keiner der Beteiligten einverstanden. Neben dem beschuldigten Arzt selbst war auch der Witwer der Frau in Revision gegangen. Er will als Nebenkläger nun in Karlsruhe eine Verurteilung wegen versuchten Mordes erreichen. Begründung: Der Angeklagte habe die Patientin nicht in ein Krankenhaus einliefern lassen,  um Fehler in der Tagesklinik zu vertuschen. Schließlich hatte auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Die Ankläger halten es für fehlerhaft, dass das LG ein Jahr der verhängten Strafe wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt angesehen habe.

Angeklagter darf nicht mehr als Arzt praktizieren

Zur Strafzumessung hatte das LG damals ausgeführt, dass der Angeklagte unbestraft sei und 24 Jahre als Arzt beanstandungsfrei gewirkt habe. Tatsächlich scheint der Mediziner kein ganz so unbeschriebenes Blatt zu sein: Nach Angaben des Pressesprechers der Berliner Ärztekammer, Sascha Rudat, gab es in der Vergangenheit schon mehrere berufsrechtliche Verfahren wegen fragwürdiger Behandlungsmethoden, die im Vergleich zu dem nun beim BGH anhängigen Fall allerdings glimpflicher ausgegangen seien. Dabei habe die Kammer jeweils Strafen von mehreren tausend Euro verhängt.

Wegen der aktuellen Vorfälle seien indes noch keine entsprechenden Schritte eingeleitet worden; hier wolle man erst das Ergebnis des Strafprozesses abwarten, so Rudat gegenüber LTO. Auch wenn das damals mit dem Urteil des LG verhängte vierjährige Berufsverbot durch die Anfechtung der Entscheidung noch nicht wirksam geworden ist: Praktizieren darf der Arzt derzeit trotzdem nicht. Anfang des Jahres hat die zuständige Approbationsbehörde ihm die ärztliche Zulassung bis auf Weiteres entzogen, so die Ärztekammer.

Nicht nur die berufliche, sondern die gesamte Zukunft des Mediziners liegt nun in den Händen der Bundesrichter in Leipzig. Vor dem 5. Strafsenat geht es nicht nur um die Frage nach dem eventuellen Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Auch wenn der Senat nicht von einem Mord ausginge, wäre Luft nach oben: Das LG war unter Berücksichtigung der Gesamtumstände -  insbesondere weil der Angeklagte die Patientin retten wollte - von einem nur minder schwerer Fall des versuchten Totschlages ausgegangen. Und schließlich haben die Bundesrichter noch darüber zu entscheiden, ob die erstinstanzlich verhängte Haftstrafe von vier Jahren und sechs monaten tat- und schuldangemessen ist. In der Verhandlung ließ die Kammer durchblicken, dass noch "erheblicher Beratungsbedarf" bestehe.

Mit Material von dpa.

sh/LTO-Redaktion

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Zitiervorschlag

Tod nach Schönheits-OP vor dem BGH: Berliner Chirurg weist jede Schuld von sich . In: Legal Tribune Online, 07.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3692/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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