Immer mehr Asylverfahren: Wie der Bun­desrat die Ver­wal­tungs­richter ent­lasten will

von Tanja Podolski

03.04.2017

Bundesweit sind die Zahlen der Asylklagen exorbitant angestiegen. Der Bundesrat hat nun vorgeschlagen, mit der Reform der Ausreisepflicht gleich auch den Klageweg zu verändern. Praktiker erwarten eine gravierende Entlastung der Gerichte.

140 Prozent: Um diese Zahl stieg die Anzahl der Verfahren am Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf 2016 im Vergleich zum Vorjahr. Rund 65 Prozent davon sind Asylverfahren. Bei den diversen VG in Niedersachen lag die Zahl im Schnitt bei rund 100 Prozent. Am dramatischsten war der Anstieg am VG Berlin: Dort sind im Jahr 2015 rund 2.350 Asylverfahren eingegangen, 2016 hingegen 10.600 Verfahren. Am VG Frankfurt (Oder) lag der Anstieg bei rund 331, in Potsdam bei 111 Prozent.

Da stellen sich die Zahlen am Hessischen Verwaltungsgerichtshof bei einem Anstieg der Eingangszahlen bei Asylverfahren von nur 55 Prozent und am VG Karlsruhe von zuletzt erneut rund 59 Prozent auf den ersten Blick als gemäßigt dar. Doch die Zahlen sind gestiegen, nachdem die Verfahren schon in den Vorjahren stetig mehr geworden waren. Und das nicht nur um wenige Prozentpunkte, sondern massiv. Am VG Düsseldorf hieß das konkret: Allein für die Asylverfahren 13.692 Akten anzulegen. Auch die nichtrichterlichen Mitarbeiter kommen an ihre Grenzen.

"Wir haben uns schon in den vergangenen Jahren wie Richter im Hamsterrad gefühlt", sagt Dr. Nicola Haderlein, Pressedezernentin und als Richterin am VG Düsseldorf derzeit für Asylverfahren von Irakern zuständig. "Das hat sich massiv verstärkt". Aktuell hätten die Richter erstmalig das Gefühl, sie kämen nicht mehr hinterher. Immerhin befassten sie sich mit jedem einzelnen Fall und dem Folgeschicksal der Antragsteller.

Abordnungen von den ordentlichen Gerichten

Und der Trend setzt sich fort: In den ersten Monaten dieses Jahres lag die Steigerung am VG Berlin bereits bei 166 Prozent, teilte  der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, Joachim Buchheister, kürzlich bei der Jahrespressekonferenz mit. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) arbeitet unter Hochdruck. Die Zahl der BAMF-Beschäftigten sollte sich nach Medienberichten innerhalb eines Jahres bis Ende 2016 von 3.300 (Ende 2015) auf dann 7.300 Mitarbeiter mehr als verdoppeln, die Zahl der Asylentscheider in diesem Zeitraum von 600 auf 1700 aufgestockt werden. Viele ihrer Verfahren landen in der Folge bei den Verwaltungsgerichten.

Dort aber gibt es nicht nennenswert mehr Personal als in den Vorjahren. so. Zwar haben einige Gerichte aufgestockt, im Verhältnis zur Zunahme der Asylverfahren und der Entscheider aber in einem nur geringen Umfang: In Hessen sind im Vorjahr erstmals seit 15 Jahren neue Richterstellen geschaffen worden, das VG Düsseldorf hat in 2016 sechs zusätzliche Richterstellen bekommen, hinzu kommen dieses und nächstes Jahr weitere acht – diese abgeordnet von den ordentlichen Gerichten.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Immer mehr Asylverfahren: Wie der Bundesrat die Verwaltungsrichter entlasten will . In: Legal Tribune Online, 03.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22557/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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