Eilbeschluss zur Bezahlkarte: Sozial­ge­richt hält pau­schale Bar­geld­ober­g­renze für rechts­widrig

von Kevin Japalak

24.07.2024

Um der Migration aus wirtschaftlichen Gründen entgegenzuwirken, wurde im Mai die Bezahlkarte eingeführt. Asylbewerber erhalten seitdem nur noch 50 Euro Bargeld im Monat. Das SG Hamburg hält diese pauschale Grenze für rechtswidrig.

Migration ist seit Längerem eines der, wenn nicht sogar das größte politische Thema. Der öffentliche Druck auf die Politik, zu reagieren, ist hoch. Ein Mittel, um mögliche wirtschaftliche Pull-Faktoren abzuschwächen, ist die Bezahlkarte. Diese wurde im Mai durch Bundesgesetz eingeführt; auch die Bundesländer haben die Bezahlkarte einhellig befürwortet.

Nach § 3 Abs. 2 S. 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) können Leistungen nunmehr auch in Form von Bezahlkarten gewährt werden. Etwas Bargeld soll Asylbewerbern allerdings doch zur Verfügung stehen: Nach der Einigung der Ministerpräsidenten vom Juni erhält ein erwachsener Asylbewerber 50 Euro und ein Minderjähriger zehn Euro monatlich in bar – so auch in Hamburg, wo nun über einen Antrag gegen diese Obergrenze zu entscheiden war.

Mit der Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Pro Aysl forderte eine schwangere Asylbewerberin vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg für sich und ihr minderjähriges Kind die Deckung des gesamten persönlichen Bedarfs durch Geldleistung und gerade nicht durch Buchung auf die sogenannte SocialCard, wie sie in Hamburg ausgegeben wird. Das SG Hamburg hatte allerdings keine grundsätzlichen Bedenken gegen die eingeführte Bezahlkarte. Es hat lediglich die pauschale Bargeldobergrenze beanstandet (Beschl. v. 18.07.2024, Az. S 7 AY 410/24 ER).

SG: Verwaltungsaufwand rechtfertigt nicht den Verzicht auf Einzelfallprüfung

Der Antrag der Frau hatte keinen Erfolg, soweit es darum ging, dass sie die Zahlung der Leistungen vollständig in bar verlangte. Laut dem SG bewegt sich die Bezahlkarte "unzweideutig im Rahmen des Gesetzes und erscheint vor dem Hintergrund des allgemeinen gesellschaftlichen Trends, Bedarfe durch Kartenzahlung statt durch Bargeld zu decken, auch nicht schon per se unwürdig bzw. diskriminierend".

Mit Blick auf den pauschalen Bargeldbetrag weist das Gericht in seinem Beschluss darauf hin, dass der Behörde nach dem Gesetz zwar ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Nach der Gesetzesbegründung sei jedoch vorgesehen, dass sich die Höhe des Bargeldbetrags nach den örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen zu richten habe (BT-Drs. 20/11006, Seite 102). Dementsprechend müssten auch Besonderheiten wie etwa Alter, Behinderung, Krankheit oder Alleinerziehung berücksichtigt werden. Diesen Anforderungen werde der Pauschalbetrag von 50 Euro nicht gerecht. Vielmehr ist laut SG immer eine Einzelfallprüfung geboten, so auch im Fall der schwangeren Asylbewerberin. Ihr und ihrer Familie seien insgesamt knapp 270 Euro in bar zu gewähren.

Die Stadt Hamburg hatte vor dem SG dagegen argumentiert, dass es einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten würde, wenn in jedem Einzelfall der Barbetrag aufgrund eines Mehrbedarfes neu berechnet werden müsste. Zudem sei es der Frau möglich, die für die Schwangerschaft und Geburt benötigten Sachen auch mit der SocialCard zu erwerben. Diesen Argumenten folgte das SG in seiner Entscheidung jedoch nicht.

Pro Asyl: "Bürokratischer Irrsinn" durch Bezahlkarte

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, stellt die Bezahlkarte ganz grundsätzlich infrage: "Die Bezahlkarte in Hamburg erschwert den Alltag der Betroffenen massiv. Geflüchtete können sich kaum angemessen versorgen. Günstige Online-Einkäufe oder private Gebrauchtwareneinkäufe sind mit der Bezahlkarte ebenso wenig möglich wie der Abschluss eines Handyvertrages oder die Anmeldung im Sportverein; auch akzeptiert nicht jeder Laden die Bezahlkarte." Die Entscheidung des SG Hamburg zeige, "welcher bürokratischer Irrsinn" auf die Kommunen zukomme, die eine Bezahlkarte einführen wollen.

Gegen den Beschluss des SG Hamburg kann die Stadt Hamburg noch Beschwerde einlegen. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Frage und des enormen Verwaltungsaufwands, den der Beschluss potenziell zur Folge hat, dürfte die Stadt sich das gut überlegen.

Zitiervorschlag

Eilbeschluss zur Bezahlkarte: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55066 (abgerufen am: 03.12.2024 )

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