Umstrittener Vizepräsident des VG Gera: Dis­zi­p­li­nar­ver­fahren gegen Richter Bengt Fuchs

von Dr. Christian Rath

10.07.2024

Der Präsident des Verwaltungsgerichts Gera, Michael Obhues, hat ein Disziplinarverfahren gegen seinen Vizepräsidenten, Dr. Bengt Fuchs, eingeleitet. Auch die Staatsanwaltschaft wurde von Obhues eingeschaltet.

Bengt Fuchs, Vizepräsident des VG Gera, steht seit Ende Juni im Zwielicht. Die Autonome Antifa Freiburg (AAF) veröffentlichte ein Dossier mit zahlreichen rassistischen und homophoben Äußerungen, die Fuchs in Online-Foren von Studentenverbindungen gemacht haben soll. Fuchs ist ein sogenannter Alter Herr der Göttinger Verbindung Salia Jenensis. Er bestreitet, Urheber der Äußerungen zu sein.

Schon am Montag war Fuchs auf Beschluss des Präsidiums des VG Gera einer anderen Kammer zugewiesen worden, in der er nicht mehr für Asylklagen zuständig ist. Am Dienstag hat nun Michael Obhues, der Präsident des VG Gera, ein Disziplinarverfahren gegen Fuchs eingeleitet.

Verstoß gegen das Mäßigungsgebot?

Mögliches Dienstvergehen von Fuchs dürfte ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot sein. Nach § 39 Deutsches Richtergesetz (DRiG) hat sich ein Richter auch außerhalb seines Amtes "so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird."

Die Äußerungen, die Fuchs zugeschrieben werden, sind sicherlich geeignet, das Vertrauen in seine Unabhängigkeit, gerade in Asylsachen, zu gefährden. Über gescheiterte Abschiebungen postete ein "Bengt-Christian Fuchs" im Dezember 2010: "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D".

Auch Richter Fuchs dürfte der Einschätzung nicht widersprechen, dass solche Äußerungen gegen das Mäßigungsgebot verstoßen. Er nennt sie selbst "vulgär" und bestreitet stattdessen die Urheberschaft.

Die Online-Foren, in denen die Äußerungen fielen, waren zwar nicht allgemein-öffentlich, aber auch nicht klein und privat. Am Forum "Tradition mit Zukunft" waren rund 15.000 (ehemalige) Verbindungsstudierende beteiligt. Spätere "TraMiZu"-Gruppen auf Facebook waren teilweise ähnlich groß. Außerdem soll Fuchs in den Foren immer wieder seine Eigenschaft als Richter, auch als "Asylrichter", erwähnt haben.

Sanktionsverbote wegen Zeitablauf

Gegen ein Dienstvergehen könnte allerdings sprechen, dass viele Äußerungen schon über zehn Jahre zurückliegen, also aus einer Zeit stammen, in der Richter Fuchs noch nicht mit Asylrecht befasst war, sondern Mitglied einer Strafkammer bzw. ans Thüringer Justizministerium abgeordnet war. Allerdings soll Fuchs noch im Jahr 2019 als Vorschlag für eine alternative Bezeichnung für Sinti und Roma gepostet haben: "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche".

Das Thüringer Disziplinargesetz nennt in § 12 konkrete zeitliche Ausschlussfristen. Danach sind mildere Disziplinarvergehen, die mit einem Verweis geahndet werden können, unbeachtlich, wenn sie länger als zwei Jahre zurückliegen. Bei Vergehen, die eine Zurückstufung erlauben, setzt das "Verhängungsverbot wegen Zeitablaufs" nach sieben Jahren ein. Nur die Entfernung aus dem Dienstverhältnis, als schwerste Sanktion, ist unbefristet möglich.

Gerichtspräsident kann Verweis aussprechen

Für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Fuchs ist der Präsident des VG als Dienstvorgesetzter zuständig. Er leitet gemäß § 22 ThürDG ein Disziplinarverfahren ein, wenn der Verdacht eines Dienstvergehens besteht. Der VG-Präsident kann als Sanktion einen Verweis aussprechen.

Bei härteren Sanktionen müsste der Präsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts oder sogar das Landesjustizministerium tätig werden. Justizministerin ist derzeit die Grüne Doreen Denstädt, die aus dem Polizeidienst kommt. Am 1. September wird der Thüringer Landtag neu gewählt.

Änderung der Geschäftsverteilung

Am Montag, also am 8. Juli, hat das Präsidium des VG Gera bereits die Geschäftsverteilung des VG geändert. Richter Fuchs, der bisher in der 4. Kammer tätig war, die u.a. für Ausländer- und Asylrecht zuständig ist, wurde nun der 3. Kammer zugewiesen, die sich u.a. mit Wirtschaftsrecht, Verkehrsrecht und Erschließungsbeiträgen befasst. Zur Zuständigkeit der 3. Kammer gehört allerdings auch das "Flüchtlings- und Vertriebenenrecht".

Grundsätzlich hat die Geschäftsverteilung ein ganzes Jahr lang zu gelten, um Manipulationen bei der Zuständigkeit zu vermeiden. Das Präsidium beruft sich hier aber auf § 21 e Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), der in bestimmten Fällen ausnahmsweise auch nachträgliche Änderungen der Geschäftsverteilung erlaubt. Gemeint ist im Fall von Richter Fuchs wohl eine rechtliche "Verhinderung" in vielen Verfahren seines Zuständigkeitsbereichs.

In der Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung, die LTO vorliegt, heißt es: "Das Präsidium nimmt die jüngsten Pressemitteilungen über angebliche Äußerungen von Herrn VizepräsVG Dr. Fuchs in Social-Media-Kanälen zur Kenntnis. Es ist der Auffassung, dass eine zeitnahe Klärung der insoweit erhobenen Vorwürfe nicht in Aussicht steht, insbesondere nicht im Rahmen der Entscheidung über die zu erwartenden zahlreichen Befangenheitsanträge in Asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren. Eine sachgerechte, an den Maßgaben des Artikel 19 Abs. 4 GG, der §§ 74 ff. AsylG orientierte Abarbeitung der in die Zuständigkeit der 4. Kammer fallenden Asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren ist damit nicht mehr gewährleistet."

Vizepräsident Fuchs nahm an dem entsprechenden Präsidiumsbeschluss nicht teil. Er wurde aber angehört, obwohl er derzeit im Urlaub ist. Er sei mit der Zuweisung zu einer anderen Kammer einverstanden, teilte das VG mit. 

Einschaltung der Staatsanwaltschaft

Auch strafrechtlich soll der Vorgang aufgearbeitet werden. VG-Präsident Obhues hat am Dienstag die Staatsanwaltschaft Gera eingeschaltet, mit der "Anregung", den Vorgang "in jeder Hinsicht auf seine strafrechtliche Relevanz hin zu überprüfen".

Damit dürfte auch die Autonome Antifa gemeint sein. Deren Mitglieder hätten sich zum Beispiel wegen übler Nachrede oder Verleumdung strafbar gemacht, wenn sie Richter Fuchs Äußerungen untergeschoben haben, die er gar nicht gemacht hat. Allerdings haben sich die Darstellungen der AAF, die bereits seit 2007 Personen aus dem (nach ihrer Ansicht) rechtsextremistischen Bereich outet, bisher in aller Regel als gerichtsfest erwiesen.

Zitiervorschlag

Umstrittener Vizepräsident des VG Gera: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54973 (abgerufen am: 12.12.2024 )

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