Nebenjob als Tutor:in

Stu­die­rende unter­stützen Stu­die­rende

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Ein Nebenjob, bei dem man auch noch etwas fürs eigene Studium lernt? Klingt gut und ist machbar – indem man Tutorien für jüngere Semester anbietet. Tutor:innen berichten über den großen Mehrwert – für sie selbst und für die Teilnehmenden.

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Luise Bruhn steht vor 300 Studierenden und erklärt ihnen, auf was es im Jurastudium ankommt. "Das Sprechen vor so einer großen Gruppe von Leuten war schon eine Herausforderung für mich. Aber es hat mich weitergebracht und mir vor allem die Angst vor mündlichen Prüfungen genommen", berichtet die Studentin der Universität Würzburg, die seit zwei Jahren im Tutoren- und Mentorenprogramm arbeitet. In verschiedenen Modulen werden in Würzburg insbesondere Studienanfänger:innen von erfahreneren Studierenden unterstützt, um ihnen den Einstieg zu erleichtern. Normalerweise sind die Gruppen, mit denen Luise Bruhn und ihre sechs Tutoren-Kolleg:innen zusammenarbeiten, kleiner. "An den Veranstaltungen 'Tipps für die Zwischenprüfung' nahmen zu Coronazeiten rund 100 Leute online teil, in Präsenz sind es maximal 40. Die Lerngruppencoachings versuchen wir mit rund fünf Teilnehmern bewusst kleinzuhalten."  

Luise Bruhn studiert im neunten Semester Jura und hat früher selbst ein Lerngruppencoaching an der Uni Würzburg besucht. "Als dann im Mailverteiler der Uni neue Tutor:innen gesucht wurden, habe ich mich beworben – unter anderem um, dem Klischee entgegenzuwirken, dass Jurastudierende egoistisch sind und Kommilitonen nicht bei ihrem Studium unterstützen." Darüber hinaus macht ihr die Arbeit als Tutorin Spaß, und sie freut sich, dass sie durch die Wiederholung der juristischen Inhalte auch selbst etwas für sich mitnimmt. 

"Ein Austausch auf Augenhöhe" 

Das war auch für Anna Leonhard von der Freien Universität Berlin eine Motivation, sich als Tutorin zu bewerben: "Man erreicht nochmal ein ganz anderes Level von Verständnis, wenn man Inhalte anderen erklären muss", berichtet die Tutorin. Die Lehrtätigkeit hat ihr schon gefallen, als sie in der Schule Nachhilfe gegeben hat – diese Erfahrung kam ihr bei der Bewerbung zur Tutorin zugute, als sie eine simulierte Unterrichtsstunde abhalten musste. Auch jetzt bereitet sie sich immer sorgfältig auf ihre Veranstaltungen vor. "In den Tutorien wiederholen wir in kleiner Gruppe anhand von Powerpoint-Präsentationen zunächst den Stoff aus der Vorlesung und lösen dann gemeinsam einen Fall", erklärt Anna Leonhard. "Der Vorteil ist: Die Studierenden können alle Fragen stellen, die sie sich im großen Hörsaal vielleicht nicht zu fragen getraut hätten. Und es geht bei uns oft informeller zu als bei den Vorlesungen. Da wir Tutor:innen selbst noch studieren, ist das ein Austausch auf Augenhöhe."  

Tutorien sind Angebote der juristischen Dekanate vor allem für die jüngeren Semester. "Anfangs wöchentlich, in höheren Semestern teilweise auch zweiwöchentlich gibt es zu jeder Pflichtvorlesung ein passendes Tutorium", erklärt Alexander Schickedanz, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt. Diese Veranstaltungen werden in der Regel von Studierenden abgehalten, die die Zwischenprüfung bereits abgeschlossen haben.  

"Überdurchschnittliche Noten und Vorstellungsgespräch entscheidend" 

Für die Tutorien, die sich an Studierende kurz vor dem Ersten Staatsexamen richten, werden meist Absolvent:innen eingesetzt, die die Wartezeit bis zu ihrem Referendariat überbrücken, im Referendariat etwas hinzuverdienen wollen oder promovieren. "Bei der Bewerbung entscheiden überdurchschnittlich gute Noten und die Eindrücke aus dem Vorstellungsgespräch, die die Professor:innen der jeweiligen Rechtsgebiete führen", sagt Alexander Schickedanz. Pädagogische Erfahrungen müssen die Interessent:innen in Frankfurt nicht mitbringen. "In zweitägigen Schulungen bringen wir ihnen alles bei, was sie für die Wissensvermittlung und das Arbeiten in der Gruppe wissen müssen."  

Wie hoch der Aufwand für solch einen Nebenjob ist, hängt davon ab, wie viele Tutorien die Studierenden übernehmen. Schickedanz schätzt, dass für eine neunzigminütige Veranstaltung zwei bis drei Stunden Vorbereitung und eine Stunde Nachbereitung anfallen – je nachdem, wie viel Material die jeweiligen Professor:innen zur Verfügung stellen. Bezahlt wird nach dem Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte der Universität Frankfurt, der aktuell 12 Euro pro Stunde vorschreibt. An anderen Universitäten sind die Stundensätze ähnlich. Tutor:innen, die immer die gleichen Rechtsgebiete abdecken, können auf bereits erstellte Unterlagen für die Tutorien zurückgreifen. Anna Leonhard bietet bewusst mehrere Rechtsgebiete als Tutorien an. "Das ist zwar mehr Arbeit, aber dadurch frische ich ja auch nochmal mein eigenes Wissen in den verschiedenen Bereichen auf." Sie bereitet für ihre Veranstaltungen Powerpoint-Folien vor, anhand denen sie Fälle bespricht. "Jede Gruppe ist wieder anders: Manche verstehen es schneller, andere brauchen länger – darauf muss ich mich einstellen. Auch nach dem Tutorium stehe ich für Rückfragen zur Verfügung."  

Anna Leonhard wendet 40 Stunden im Monat für ihre Arbeit als Tutorin auf, Luise Bruhn hat einen Vertrag über 20 Monatsstunden abgeschlossen. "Dabei arbeite ich zum einen als Tutorin für die Lerngruppencoachings sowie die juristische Methodik und gebe mit meinem Team Tipps für die Verbesserung der Lern- und Prüfungsergebnisse", berichtet Luise Bruhn. "Zum anderen sind wir als Mentor:innen persönliche Kontaktpersonen für Studienanfänger:innen und veranstalten verschiedene Aktivitäten."  

"Erfahrungen helfen für spätere Arbeitswelt" 

Wichtig für die Arbeit als Tutor:in sei, sagt Luise Bruhn, dass man auch im fortgeschrittenen Studium Verständnis für die Fragen und Sorgen von Studienanfänger:innen hat und sich zurückerinnert, wie man sich selbst zu Studienbeginn gefühlt hat. Ihr gefällt vor allem, dass sie durch diesen Job immer wieder über ihren eigenen Schatten springen muss und neue Grenzen ausloten kann. "Diese Erfahrungen helfen mir sicherlich nicht nur für die Prüfungen, sondern auch für die spätere Arbeitswelt." Anna Leonhard freut sich, dass sie durch ihre Tutorentätigkeit selbstbewusster beim Vortragen geworden ist und gelernt hat, strukturierter zu arbeiten, da sie immer direkt die Veranstaltungen für ein ganzes Semester vorbereitet. "Außerdem macht es mir großen Spaß zu sehen, dass die Teilnehmenden durch meine Hilfe ein besseres Verständnis für Jura bekommen." Beide Tutorinnen sind sich einig, dass ihr Nebenjob eine große Bereicherung ist und sie gern etwas von ihrer Erfahrung an die jüngeren Studierenden weitergeben. 

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Thema:

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