Verhandlungskompetenz im Jurastudium

Fürs Wet­t­rennen um die Chef­posten

Gastbeitrag von Prof. Dr. Peter Krebs und JProf. Dr. Stefanie Jung, M.A.Lesedauer: 4 Minuten
Führungspositionen in der Wirtschaft gehen heute überwiegend nicht an Juristen, sondern an Absolventen anderer Studiengänge, sagen Peter Krebs und Stefanie Jung. Mehr Verhandlungskompetenz in der Juristenausbildung könne das ändern.

1979 gründete Roger Fisher an der Harvard Law School das Harvard Negotiation Project, welches die Grundlage für deren Spitzenstellung im Bereich Verhandlungskompetenz bildete, die die Harvard Law School bis heute erfolgreich verteidigt. Auch in Deutschland sollte diese Fähigkeit im Jurastudium intensiv vermittelt werden. Denn hier bietet sich die Chance, gegenüber den Betriebswirten im Kampf um die Führungspositionen in der Wirtschaft einen Vorteil zu erlangen. Im zunehmenden Wettbewerb der Studiengänge können sich erlernte Verhandlungskompetenzen als entscheidendes Plus erweisen. Prozentual betrachtet entscheiden sich immer weniger Abiturienten für ein klassisches Jurastudium. Das hat auch damit zu tun, dass es Juristen zunehmend schwerer haben, in wirtschaftliche Führungspositionen aufzusteigen. Zugleich ist das Studium arbeitsintensiv und der Erfolg bis zuletzt ungewiss. Wenn es um das Erlangen von Führungspositionen in der Wirtschaft geht, stehen Juristen oftmals Defizite im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich im Wege. Eine geschulte Verhandlungskompetenz ist insofern ein wichtiger Schritt, die Wettbewerbsfähigkeit von Juristen zu verbessern. Denn in Unternehmen spielen Verhandlungen eine überragende Rolle – und das nicht nur im Bereich der Vertragsverhandlung zwischen Unternehmen, sondern auch unternehmensintern. Da rechtliche Ansprüche meist primär als Verhandlungsposition benutzt werden, ist der Rechtsweg nur die ultima ratio. Verhandlungsfähigkeiten müssen daher zur Kernkompetenz von Juristen gehören. Das gilt allerdings nicht nur für Juristen, die in der Wirtschaft arbeiten, sondern im gleichen Maße auch für die Absolventen, die einen klassischen juristischen Beruf ergreifen wollen. Ein Rechtsanwalt verhandelt mit dem eigenen Mandanten, Verträge für seine Mandanten, Ansprüche der Mandanten, mit der Verwaltung über die Ausübung ihres Ermessens oder auch vor Gericht. Der Richter leitet nicht nur die Verhandlung im Gerichtssaal, sondern ist in einem Kollegialspruchkörper selbst ständig Verhandler in eigener Sache.

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Juristen sind prädestiniert als Verhandler

Das Program on Negotiation der Harvard Law School ist das weltweit führende Verhand-lungsprogramm. Ihr Verhandlungskonzept (Fisher/Ury, Getting to Yes. Negotiating an Agreement Without Giving in, 1. Auflage 1981) ist in viele Sprachen übersetzt worden und wird immer wieder neu aufgelegt, weil es bis heute das einzige Universalkonzept ist. Gibt es einen Weg von der Harvard Law School zu lernen? Ja, den gibt es, auch wenn er nicht ganz leicht ist. Denn die Verhandlungswissenschaft ist ein Schnittfeld von Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Spieltheorie, Behavioral Economics, Wirtschaftswissenschaften, Kulturantroprologie, Politikwissenschaft und Jura. Das macht es für jede dieser Wissenschaften besonders schwer, Vertragsverhandlungen im Studium ohne fachübergreifende Vorkenntnisse zu vermitteln. Das deutsche Kästchendenken, also die recht scharfe Trennung der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, erleichtert die Sache nicht. Allerdings sind gerade Juristen dafür geeignet, diese Schwierigkeit zu überwinden. Sie sind qualifiziert und geübt darin, analytisch die Erkenntnisse verschiedener Fachrichtungen in ihrem Kern zu verstehen und daraus ein Gesamtbild zu erstellen. Anders ließen sich Arzthaftungsprozesse, die Genehmigung einer Industrieanlage oder auch die juristische Einordnung komplexer IT-Vorgänge nicht bewältigen. Die verstreuten Erkenntnisse zu Verhandlungen zusammenzuführen, sollte den Juristen daher besonders liegen. Dass das klappt, zeigt der Erfolg der Harvard Law School in diesem Bereich. Juristen sind damit vertraut, stets situationsabhängig auf Basis des Haushalts an rechtlichen Figuren und Argumenten zu werten und zu entscheiden. Dieses rationale, regelbasierte, aber doch auf den Einzelfall ausgerichtete Verhalten spiegelt sich auch in Verhandlungssituationen wider. Die wirtschaftliche Denkweise, die bislang noch manchem Juristen fehlt, lässt sich im Nachhinein erlernen. Juristen haben daher als Verhandler ein sehr hohes Potenzial.

Bessere Karrieremöglichkeiten gleich attraktiveres Jurastudium

Verhandeln sollte daher als Kompetenz in die Juristenausbildung stärker integriert werden. Es bedarf neben Übung vor allem einer wissenschaftlich fundierten Vermittlung von Kenntnissen: Nur wer die Funktionsmechanismen von Verhandlungen kennt, kann Verhandlungssituationen bewerten und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Insofern ist es positiv zu werten, dass etwa zwei Drittel der deutschen juristischen Fakultäten bereits Veranstaltungen anbieten, die sich zumindest auch mit Verhandlungen beschäftigen. Die Zahl der tatsächlichen Nutzer liegt jedoch vermutlich nur bei etwa einem Viertel der Studierenden, da es sich oftmals nicht um Pflichtveranstaltungen handelt. Die Universitäten sollten ihre Angebote daher ausbauen, um mehr Studierende zu erreichen. Diese wiederum sollten die bereits vorhandenen Angebote nutzen und weitere Veranstaltungen aktiv einfordern. Rechtsabteilungen, Kanzleien, aber etwa auch Behörden, die Aufträge vergeben, sollten ihre juristischen Mitarbeiter darin schulen, denn Verhandlungsfähigkeiten lassen sich kontinuierlich verbessern. Ziel der Juristen sollte es sein, künftig als die Verhandlungsexperten zu gelten. Dadurch ließen sich gerade in der Wirtschaft Positionen erlangen und damit Bereiche besetzen, die derzeit an die Betriebswirte verloren wurden. Das würde das Jurastudium insgesamt auch wieder aufwerten und könnte so zu einem Anstieg der Studierendenzahlen führen, nachdem zuletzt wegen der begrenzten Aufstiegsmöglichkeiten für Juristen in der Wirtschaft eher Betriebswirte und Ingenieure das Rennen machten. Die Autoren Prof. Dr. iur Peter Krebs und JProf. Dr. iur. Stefanie Jung M.A. (CoE) (beide Universität Siegen) forschen und lehren zu Vertragsverhandlungen (z.B. Jung/Krebs, Die Vertragsverhandlung - taktische, strategische und rechtliche Elemente, 2016).

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