Jurastudium und Referendariat mit Kind

Mit dem Kinderwagen zur Klausurrückgabe

von Anna K. BernzenLesedauer: 5 Minuten
Ein dicker Bauch zeugt bei Jurastudentinnen eher von zu viel Zeit am Schreibtisch oder am Schokoautomaten als von einer baldigen Geburt. In kaum einer anderen Fachrichtung kommen so wenige Kinder während des Studiums zur Welt – was auch am strengen juristischen Prüfungsrecht liegt. Eine Übersicht über die wichtigsten Fragen für werdende Juristen, die sich dennoch für die frühe Elternschaft entscheiden.

Ein Baby-Bett kaufen, einen Kinderarzt auswählen, die Tasche fürs Krankenhaus packen: In den Monaten vor der Geburt müssen angehende Eltern eine lange Checkliste abarbeiten. Kriegen sie ihr Kind während des Studiums, können sie gleich noch die Schlagworte "Urlaubssemester" und "Bafög-Erhöhung" ergänzen. Jurastudenten und Referendare sollten vielleicht gleich einen zweiten Zettel drankleben. Zwischenprüfung, Freiversuch, Unterhaltsbeihilfe: Wer vor dem Zweiten Staatsexamen eine Familie gründet, muss zusätzlich Ausbildungsgesetz und Prüfungsordnung im Auge behalten – und bei deren Auslegung auf eine großzügige Verwaltungspraxis der Prüfungsämter hoffen.

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Die Geburt – ein "wichtiger Grund" für eine Fristverlängerung?

Die erste Anlaufstelle für studentische Eltern ist die Universität selbst. Denn wer sein Kind vor dem letzten Uni-Schein bekommen hat, muss mit der juristischen Fakultät absprechen, wie sich Mutterschutz und Erziehungszeiten mit deren Studienordnung vereinbaren lassen. In Baden-Württemberg schreibt die Ausbildungsordnung beispielsweise landesweit vor, dass die Zwischenprüfung bis zum vierten Semester abgelegt werden muss. Welche Semester hierbei (nicht) mitgezählt werden, entscheidet jedoch die jeweilige Universität. Die Zwischenprüfungsordnung der Universität Heidelberg etwa erlaubt aus wichtigem Grund eine Fristverlängerung. Semester, in denen eine Studentin beispielsweise wegen der Geburt beurlaubt war, bleiben aber außen vor. Ähnliche Regelungen finden sich in vielen anderen Studienordnungen – eine gründliche Lektüre lohnt sich also. Wer sich im Dschungel der unbestimmten Rechtsbegriffe, Regelbeispiele und Generalklauseln nicht zurechtfindet, kann bei der Fachstudienberatung oder allgemeinen Beratungsstellen für Eltern an der Universität oder beim Studierendenwerk um Unterstützung bitten.

Kinderbetreuung: Ein "nicht zu vertretender Grund" für eine Studienpause?

Steht das Erste Examen an, ist dagegen das Justizprüfungsamt des Landes zuständig – zumindest für den staatlichen Teil. Hier gilt es, so früh wie möglich Kontakt aufzunehmen. Das Prüfungsrecht sieht schließlich in allen Bundesländern (unterschiedlich) strenge Fristen für Examenskandidaten vor. Wer etwa in Bayern länger als zwölf Semester studiert hat, wird grundsätzlich so behandelt, als sei er durch den Staatsteil gefallen. Ausnahme: Er war beurlaubt oder sein Studium verzögerte sich aus "nicht zu vertretenden Gründen". Solche Gründe liegen aber nicht bei jeder Kinderbetreuung, sondern nur dann vor, wenn der Antragsteller das Kind "hauptsächlich versorgt" hat, so das Justizministerium. Auch in anderen Bundesländern ist die Studiendauer nach oben begrenzt – zumindest für jene Eltern, die ihr Examen im Freiversuch schreiben wollen. Die magische Grenze für den sogenannten "Freischuss" liegt dabei grundsätzlich bei acht Semestern. Doch wer während dieser Zeit ein Kind bekommen oder betreut hat, kann sich meist ebenfalls auf eine Ausnahmeregelung in der Prüfungsordnung berufen: Semester, in denen Eltern aus diesen Gründen am Studium gehindert waren, können für den Freiversuch außer Betracht bleiben.

"Das gesetzgeberische Interesse: Studierende zum zügigen Studienabschluss motivieren"

In manchen Bundesländern ist das ausdrücklich im Gesetz geregelt. In Berlin und Brandenburg zum Beispiel wird nicht nur der Mutterschutz ausgenommen. Auch Semester, in denen Eltern "wegen der Erziehung und Betreuung eines Kindes im Alter von bis zu drei Jahren" ausgesetzt haben, müssen laut Ausbildungsordnung nicht gezählt werden. In anderen Ländern müssen Eltern begründen, warum ihr Fall unter einen der unbestimmten Rechtsbegriffe subsumiert werden kann. In Nordrhein-Westfalen etwa muss ein zwingender Grund vorliegen, der sie nachweislich am Studium gehindert hat. Ob die Betreuung eines Kindes ausreicht, sei eine Frage des Einzelfalls, heißt es aus dem Justizministerium. Ein Kind zu bekommen, jahrelang zu pausieren und dann den Freischuss zu schreiben ist allerdings in keinem der Bundesländer möglich. In der Regel dürfen Studenten maximal vier Semester aussetzen, wenn sie in den Genuss des Freiversuchs kommen wollen. Wer zum Beispiel ein Auslandssemester gemacht hat, bekommt auch dieses angerechnet und kann so nur noch drei Semester für sein Kind pausieren. "Das gesetzgeberische Interesse ist es, die Studierenden zu einem zügigen Studienabschluss zu motivieren. Das muss in einen angemessenen Ausgleich mit dem Bestreben gebracht werden, auf solche Situationen Rücksicht zu nehmen, in denen der Studierende sein Studium nicht angemessen vorantreiben kann", erklärt Eberhardt Pfeiffer vom Thüringer Justizministerium.

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2/2: Stillpausen während Klausur oder mündlicher Prüfung: eher ein Einzelfall

Sonderregelungen gibt es in den Prüfungsordnungen auch für Studentinnen, die während der Examensklausuren schwanger sind oder kurz zuvor ein Kind bekommen haben. Haben sie nachweisbar gesundheitliche Probleme, können sie Prüfungserleichterungen beantragen. Muss eine schwangere Kandidatin zum Beispiel öfter auf die Toilette oder wird ihr häufig übel, kann sie um eine Pausenregelung oder eine Verlängerung der Bearbeitungszeit bitten. Möchte eine junge Mutter ihr Kind während der Klausuren stillen, kann sie ein Stillzimmer beantragen. Auch in der mündlichen Prüfung kann dies berücksichtigt werden, indem zum Beispiel Stillpausen nach den einzelnen Abschnitten eingelegt werden. Häufig entscheide sich die Kandidatin in einer solchen Situation allerdings, die Examensklausuren doch erst zu einem späteren Zeitpunkt zu schreiben, berichten viele Justizprüfungsämter. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel musste seit 2003 im Zweiten Examen nur zehnmal eine Regelung dieser Art getroffen werden. "Das Prüfungsamt bemüht sich in diesen Fällen, eine Lösung im Einvernehmen mit der Kandidatin zu finden", sagt Ute Albersmann vom Justizministerium des Landes.

"Der Vorbereitungsdienst ist in besonderer Weise familienfreundlich"

Einfluss hat der unter jungen Juristen ungewöhnliche Familienstand auch im Referendariat. Das beginnt schon bei der Bewerbung um einen Referendarsplatz: In Hamburg wird Eltern beispielsweise ein zusätzlicher Examenspunkt angerechnet, in Berlin eine fiktive Wartezeit von sechs Monaten. So rutschen sie auf der Warteliste nach oben. Die Hamburger Extrapunkte gibt es allerdings nur für Eltern, die ihr Erstes Staatsexamen ebenfalls in der Hansestadt gemacht haben. Bei der Verteilung auf die einzelnen Ausbildungsgerichte werden Eltern – ebenso wie verheiratete oder schwerbehinderte Bewerber – zudem bevorzugt an ihren Wunschstandorten eingesetzt. Ob und inwiefern während der einzelnen Stationen Rücksicht genommen wird, ist dagegen von Land zu Land und von Gericht zu Gericht unterschiedlich. Das Berliner Kammergericht bietet zum Beispiel spezielle Eltern-Arbeitsgemeinschaften an, die auf die Kinderbetreuungszeiten abgestimmt sind. Hinzu kommt: "Im Vorbereitungsdienst besteht grundsätzlich keine Präsenzpflicht, sodass die Referendarinnen und Referendare in der zeitlichen Gestaltung der Tätigkeit weitgehend frei sind und deshalb der Vorbereitungsdienst, anders als in vielen Fällen das spätere Berufsleben, in besonderer Weise familienfreundlich ist", so Ute Albersmann.

Gut 100 Euro Familienzuschuss monatlich für Referendare

Zuletzt machen sich die Kinder auch auf dem Konto der Referendare bemerkbar: Alle Länder zahlen ihren Referendaren Familienzuschüsse zur Unterhaltsbeihilfe, also zum Grundgehalt. Deren Höhe richtet sich meist nach den Besoldungsgesetzen für den öffentlichen Dienst und liegt damit im niedrigen dreistelligen Bereich. In Nordrhein-Westfalen kommen zum Grundbetrag von rund 1100 Euro so zum Beispiel 105,56 Euro pro Kind und 328,94 Euro ab dem dritten Kind. Aus finanziellen Gründen lohnt sich das Kinderkriegen für Juristen in der Ausbildung damit wohl kaum. Warum Studium und Referendariat trotzdem eine gute Zeit für die Familiengründung sind, erzählen vier junge Mütter und ein Vater an dieser Stelle in der kommenden Woche.

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